Muttermittel in der Homöopathie von Melissa Assilem, Rezension

Muttermittel in der Homöopathie / Melissa Assilem

Melissa Assilem

Muttermittel in der Homöopathie   

Die homöopathische Bedeutung von Plazenta, Käseschmiere, Fruchtwasser, Östrogen, Muttermilch und Nabelschnur

   

von Dorit Zimmermann

erschienen in Homöopathie Zeitschrift 3-2012

Muttermittel in der Homöopathie

Die Geschichte des Menschen im Spiegel der Homöopathie

Auf 160 Seiten erzählt Melissa Assilem, US-amerikanische Homöopathin mit Schwerpunkt Frauenheilkunde, die Geschichte der homöopathischen Mittel aus der Humanum-Familie. Gemeint sind urmenschliche Arzneien wie Lac humanum (Muttermilch), Folliculinum (Östrogen), Placenta humana (Plazenta), Vernix caseosa humana (Käseschmiere), Aqua amniota humana (Fruchtwasser) und Umbilicus humanus (Nabelschnur). Einige davon hat sie selbst hergestellt und geprüft. Wer eine Materia Medica der genannten Mittel erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein, handelt es sich bei dem Büchlein doch eher um eine philosophische Annäherung an das Thema der Menschwerdung und des Menschseins. Nichtsdestotrotz enthält es zahlreiche wertvolle Informationen zu bislang noch wenig bekannten und wohl viel zu selten verordneten Homöopathika.

Mit dem Begriff Humanum-Familie fasst die Autorin alle Mittel zusammen, deren Ursubstanz in die Schwangerschafts- und Neugeborenenphase gehören. Sie weist darauf hin, dass sie außer bei Aqua amniota humana und bei Umbilicus humanus keine vollständigen Mittelbilder liefert, da diese an anderer Stelle nachzulesen seien, leider gibt sie keine Quellenangaben, was äußerst hilfreich gewesen wäre. Stellenweise mutet das Buch recht esoterisch an, aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen.

Nach einer ausführlichen Abhandlung über die Besonderheiten von uns Menschen, versucht Melissa Assilem die Gemeinsamkeiten aller Muttermittel zusammenzutragen, sie nennt das „Sprache der Humanum-Familie“. Im Zentrum stehen Probleme mit der eigenen Identität, mit der Beziehung zu anderen Menschen und zum eigenen Körper und mit der Menschwerdung schlechthin. Man fühlt sich unwillkürlich an die zweite und dritte Reihe des Periodensystems erinnert, deren Mittel eben dieser Entwicklungsphase im Leben eines Menschen zugeordnet werden. Die Differenzierung ist nicht immer leicht.

Jedem Arzneimittel ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Lac humanum trägt die Überschrift „Die Menschwerdung“. Mit der Muttermilch wird der neue Mensch Schluck für Schluck zum Erdenbürger, durch sie schafft er den Übergang von der intrauterinen zur extrauterinen Welt. Folglich sind die zentralen Thema dieses Mittels Verlust- und Verlassenheitsgefühle, Bindung, Mitgefühl und Zugehörigkeit sowie die Ablehnung des eigenen Körpers, aber auch Suchtverhalten und Essstörungen. Die Autorin berichtet, sie habe sehr gute Erfahrungen bei der Behandlung von Depressionen, ADHS und Autismus mit lac-h. gemacht.

Folliculinum, das Östrogen aus dem Ovarialfollikel, hat Bezug zu Bindungsproblemen zwischen Mutter und Kind, ja zur Abhängigkeit von einem anderen Menschen ganz allgemein. Es geht um mangelnde Identität und Selbstzweifel, um Selbstverleugnung, kurz um die Unfähigkeit, selbstständig zu werden. Hier ist die Überschneidung mit der zweiten Reihe des Periodensystems besonders groß. Melissa Assilem bezeichnet Östrogen als Hormon des Selbstvergessens oder der Selbstaufgabe, was dem Kern des Mittelbildes entspricht. Aus Sicht der Autorin ist Folliculinum angezeigt, wenn ein Mensch kein eigenes Autoritätsgefühl hat und nie gelernt hat, nein zu sagen. Insofern bestehen hier auch Ähnlichkeiten zu Carcinosinum. Folliculinum, so Melissa Assilem, sei oft das Mittel der Wahl, wenn ein Fall nach Carcinosinum aussehe, dieses aber nicht wirke. Es verleiht dem Menschen die Fähigkeit, Macht über sich selbst und einen eigenen Willen zu entwickeln. Folliculinum, so die Autorin, verleihe das Wissen, dass es ein Selbst gibt, das man beanspruchen kann.

Placenta humana spiegelt die Angst vor der Zukunft wider: Was kommt auf mich zu? Kann ich dem gerecht werden? Das erzeugt ein Gefühl der Unzufriedenheit, Unbehaglichkeit – man fühlt sich nicht recht wohl in seiner Haut. Alles scheint sinnlos und irritierend. Die Autorin hat Placenta 1994 geprüft. Aus ihrer Erfahrung folgt das Mittel gut auf Lac humanum. Es hat sich als hilfreich bei der Behandlung autistischer Kinder erwiesen, die unter dem Mittel in die Welt zurückkehrten. Hier besteht eine Beziehung zu Hydrogenium und Helium. An dieser Stelle finden wir Notizen, die bei der Verreibung im Jahr 1995 entstanden sind. Klinisch hat sich das Mittel zur Therapie bei Dysmenorrhö, Unfruchtbarkeit, Essstörungen, Impfschäden, Atembeschwerden, Autismus und Asperger-Syndrom sowie bei Allergien und altem Kummer bewährt.

„Die Käseschmiere ermöglicht es uns, auf allen Ebenen in Kontakt mit der Außenwelt zu bleiben, ohne von ihr überwältigt zu werden, und unsere eigenen Gefühle sowie die anderer zu spüren, ohne sie miteinander zu vermengen.“ Tinus Smits ((BU)) Vernix caseosa, der Schutzmantel, weist vier Themenschwerpunkte auf: das Gefühl, ungeschützt und verletzlich zu sein; sich angegriffen und verfolgt fühlen; Mangel an Selbstwertgefühl und kein Identitätsgefühl sowie Hautprobleme. Die Empfindsamkeit auf alles, was von außen einwirkt, lässt auch an ein Pflanzenmittel denken. Zusammen mit der Verletzlichkeit denkt man unwillkürlich an die Ranunculaceae. Melissa Assilem stellt eine Beziehung zu Aethusa, Gelsemium, Opium, Stramonium und Juglans regia her. Sie weist darauf hin, dass sich Menschen, die Vernix brauchen, von allem angegriffen fühlen, was sie umgibt, ihnen mangelt es an Sicherheit. Sie reagieren empfindlich auf Schadstoffe aus der Umwelt – ihnen fehlt der angeborene Schutzmantel. Und sie haben ein starkes Kontrollbedürfnis. Eine Ähnlichkeit besteht laut Melissa Assilem auch zu x-ray mit dem Erleben, alles geht durch mich hindurch, ich fühle mich ausgesetzt, bin durchsichtig, habe keinerlei Schutz.

Aqua amniota humana, dem Fruchtwasser, gibt die Autorin den Untertitel „Wiege mich in der Tiefe“. Der Patient sehnt sich zurück in den Mutterleib, hat geschärfte Sinne und ein Gespür für Atmosphären und Stimmungen. In der Prüfung fühlten sich die Teilnehmer in eine Art intrauterinen Zustand zurückversetzt. Themen von Schwangerschaft und Geburt tauchten auf. Auch der Atem spielte eine zentrale Rolle, so berichteten die Prüflinge, sie hätten kein Bedürfnis gehabt zu atmen, glaubten, sie könnten unter Wasser atmen. Bewährte Indikationen sind u. a. trockene Schwangerschaften mit wenig Fruchtwasser, Mekonium im Fruchtwasser, Tod eines Zwillings im Mutterleib und Steißlage.

Bei Umbilicus humanus (mit embryonalen Stammzellen) geht es um Verbindung und Einbindung. Die Patienten fühlen sich ausgeschlossen, als Außenseiter. Aber auch die Muttermittel-typischen Identitätsthemen tauchen auf: Wer bin ich? Gefühl im falschen Körper zu stecken. Die zentrale Frage lautet: Wie kann ich mich mit der Menschheit verbinden, ohne meine ursprüngliche Identität zu verlieren? Melissa Assilem hält das Mittel für hilfreich bei: Libidoverlust, Angst vor Intimität, Selbstwertverlust, Abneigung gegen den eigenen Körper und dem Gefühl, verunstaltet zu sein. Sie sagt, es sei ein wunderbares Mittel, um sich wieder mit dem inneren Kind zu verbinden. Ein körperlicher Schwerpunkt liegt im Bereich des Solarplexus.

Im Buch finden wir viele körperliche Symptome, die uns helfen, die einzelnen Muttermittel voneinander abzugrenzen. Es scheint sich um tief wirkende Arzneien zu handeln, die unsere Urängste und Urbedürfnisse berühren und sie sollten daher genauer unter die Lupe genommen und studiert werden. Das kleine Buch von Melissa Assilem gibt einen wunderbaren Anstoß dazu und macht neugierig auf mehr.
 
Muttermittel in der Homöopathie / Melissa Assilem

Melissa Assilem

Muttermittel in der Homöopathie   

Die homöopathische Bedeutung von Plazenta, Käseschmiere, Fruchtwasser, Östrogen, Muttermilch und Nabelschnur

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Melissa Assilem
Muttermittel in der Homöopathie
von Dorit Zimmermann , erschienen in Homöopathie Zeitschrift 3-2012