EDITORIAL
EDITORIAL
SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
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EDITORIAL
Christa Gebhardt & Dr. Jürgen Hansel
Chefredaktion
Liebe Leserinnen und Leser,
die 3. Reihe des Periodensystems, die Siliziumserie, enthält in
fast jedem Stadium Elemente oder Verbindungen, die bereits
von Hahnemann geprüft und über zwei Jahrhunderte in der
homöopathischen Praxis erfolgreich eingesetzt wurden. In dieser
Ausgabe von SPEKTRUM geht es allerdings nicht um die bestens
bekannten Arzneimittelbilder von Natrium muriaticum, Phos-
phor oder Sulphur. Vielmehr betrachten und erklären unsere
Autoren die vertrauten Polychreste aus der Perspektive des Peri-
odensystems der Elemente, das von Jan Scholten in menschliche
Entwicklungsperioden, -phasen und -stadien übersetzt wurde.
Die Siliziumserie entspricht bei Scholten dem Lebensabschnitt
eines Teenagers mit dem zentralen Thema von Beziehungen
innerhalb der Familie und zu Freunden. Zum kindlichen kör-
perbezogenen Ich, für dessen Entwicklung die Kohlenstoffserie
steht, kommen in der 3. Reihe Kontakt und Kommunikation mit
einem Du, dem wir gefallen wollen, das wir lieben oder hassen.
Die Position, die wir in einer Beziehung einnehmen, und das
Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe kennzeichnen die
jeweilige Stufe in der Entwicklung zum Du. In seinem Beitrag
beschreibt Jan Scholten diese Phasen der Siliziumserie im Ein-
zelnen und zeigt Parallelen zur Pflanzenwelt auf. Martin Jakob
führt die Ähnlichkeit zwischen den Themen der lilienartigen
Pflanzen und der Siliziumserie näher aus.
Dass sich diese Themen auch in der Tierwelt wiederfinden, ist ein
Nebenaspekt des Übersichtsartikels von Markus Kuntosch. Seine
Fallbeispiele zu Salzen von Natrium bis Sulphur machen die Ent-
wicklung des Beziehungsthemas anschaulich. Besonders deutlich
wird dessen Spannbreite, wenn man – wie Renate Paschmanns
– die beiden Pole Natrium und Argon betrachtet. Fast die ganze
Silizium-Serie in einem Mittel bieten Friedrich Ritzer und Hans
Eberle mit ihrer Komplexarznei Terra. Entsprechend den minera-
lischen Bestandteilen des potenzierten Lehmbodens weisen die
Prüfungssymptome auf fünf verschiedene Stadien hin.
Die Gliederung dieser Ausgabe folgt nicht den Stadien oder
Phasen von links nach rechts, sondern teilt sich in Autoren, die
sich mehr an Scholten, und solchen, die sich mehr an Sanka-
ran orientieren. Gerade bei der 3. Reihe des Periodensystems
setzen diese beiden Vorreiter einer systematischen Materia Me-
dica unterschiedliche Akzente. So sieht Sankaran diese Reihe
entwicklungspsychologisch nicht auf der Stufe von Teenagern,
sondern vergleicht sie mit der Alterstufe zwischen dem 3. und
6. Lebensjahr, wenn das Kind beginnt, eigene Entscheidungen
zu treffen. Auch für ihn geht es um das Thema von „Ich und
Du“, dabei stellt er jedoch die Entwicklung der Identität in den
Mittelpunkt. Diese Betrachtungsweise verbindet die Autoren
ab dem Übersichtsbeitrag von Bhawisha Joshi. Wie sehr ich
den anderen brauche oder wie gut ich mich abgrenzen kann,
kennzeichnet für Joshi den Entwicklungsstand der Identität.
Diesen Prozess zeichnen die Autoren mit Fallbeispielen nach: von
„Ich will so sein wie Du“ bei Natrium (Jörg Wichmann/Angelika
Bolte) bis zu „Ich bin nicht Du“ bei Phosphor (Rajan Sankaran).
Wir sehen die Elemente der Siliziumserie in unterschiedlichen
Kombinationen und lernen sie dabei näher kennen: Nat-mur.
durch Dinesh Chauhan, Nat-s. durch Tali Levi, Mag-s. durch
Bob Blair, andere Magnesiumsalze durch Ose Hein und schließ-
lich die Verbindung von Magnesium und Silicea im Speckstein
durch Wyka Evelyn Feige. Die Identitäts-Frage „Wer bin ich?“
bekommt in Ulrike Schuller-Schreibs spannender Studie zu Alu-
minium eine besondere Bedeutung. Bei Scholten in Stadium 3,
steht das Element im Periodensystem der Chemie in Gruppe
13. Homöopathisch findet Schuller-Schreib sowohl Hinweise auf
Stadium 3 als auch Ähnlichkeiten zu den Elementen in Stadium
13. Selbst in der unklaren Stellung im Periodensystem zeigt sich
also Aluminas bekannte Verwirrung über die eigene Identität.
Die typische Handbewegung von Alumina ist ein Hin und Her
zwischen zwei Punkten. Mit Hilfe des Dimensionenmodells des
Periodensystem von Andreas Holling lässt sich diese Geste gut
einordnen. Nach seiner Theorie entspricht die Siliziumserie der
2. Dimension von Linie oder Weg als physikalischer Grundlage
einer Beziehung zwischen den 2 Punkten Ich und Du. Mit je-
der höheren Periode kommt eine weitere physikalische Dimen-
sion dazu, von Raum (Eisenserie) über Zeit (Silberserie) bis zur
Kausalität (Goldserie). Dieses Verständnis des Periodensystems
ermöglicht die Verordnung mineralischer Arzneien auf der Emp-
findungsebene. Wir freuen uns, dass Andreas Holling sein über
20 Jahre entwickeltes, ausgefeiltes und in der Praxis erprobtes
Modell erstmals in SPEKTRUM veröffentlicht und an einem Fall-
beispiel von Natrium phosphoricum demonstriert.
Beim Studium der Siliziumserie, einer Arzneigruppe aus wohl-
bekannten Polychresten, wünschen wir Ihnen viele neue Ent-
deckungen und Erkenntnisse.