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EDITORIAL

Christa Gebhardt & Dr. Jürgen Hansel

Chefredaktion

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EDITORIAL

EDITORIAL

SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE

Liebe Leserinnen und Leser,

knapp 10% der deutschen Bevölkerung leiden an Rheuma,

einer Volkskrankheit mit vielen Gesichtern. Zum sogenannten

rheumatischen Formenkreis gehören rund 240 verschiedene

Erkrankungen mit unterschiedlichen Beschwerden und Behand-

lungsmöglichkeiten. Noch größer ist die Zahl homöopathischer

Arzneien, die in der Rheumatherapie zum Einsatz kommen kön-

nen. Mit der Auswahl an Mitteln, die wir zu diesem Themen-

schwerpunkt vorstellen, wollen wir gewisse Trends aufzeigen

und gleichzeitig verschiedene homöopathische Ansätze in der

Behandlung von Rheumapatienten vorstellen.

Natürlich gibt es auch in der Homöopathie klassische Rheuma-

mittel, die in der Praxis häufig eingesetzt werden. Eins davon

ist Ruta graveolens. Jürgen Hansels Kasuistik einer beginnenden

rheumatoiden Arthritis zeigt, dass sich im Arzneimittelbild der

Weinraute nicht nur die körperlichen Symptome einer chroni-

schen Polyarthritis, sondern auch typische Persönlichkeitsmerk-

male von Rheumakranken wiederfinden. In der Arzneifamilie

der Rautengewächse wird Ruta dem Krebsmiasma zugeordnet.

Es ist sicher kein Zufall, dass in den Beiträgen unserer Autoren

das Reaktionsmuster dieses Miasmas immer wieder vorkommt.

Vor den Schmerzen, der Bewegungseinschränkung und der De-

formierung der Gelenke bestehen nach dem Eindruck von Tali

Levi schon lange starre Denkmuster und innere Fixierungen.

„Die Blockade beginnt im Kopf“, ist ihr Beitrag deshalb über-

schrieben.

Einen weiteren Aspekt des Krebsmiasmas erkennt Artur Wölfel in

einer Patientin mit Lupus erythematodes wieder. Ihr Grundmotto:

„Sich nach den Wünschen der anderen richten. Perfektionis-

mus prägt mich.“ Seit Beginn der Behandlung mit Carcinosinum

konnten nach und nach alle Immunsuppressiva und Biologica

abgesetzt werden und die schwere Kollagenose mit multipler

Organbeteiligung ist nun über fünf Jahren in Remission. Ähnlich

positiv wirkt in Urvi Chauhans Fallbeispiel einer seronegativen

Polyarthritis die Arzneipflanze, die bei den Mohngewächsen dem

Krebsmiasma zugeordnet wird. Unter Opium gehen nicht nur

die unerträglichen Gelenkschmerzen zurück, es kommen auch

bislang unterdrückte Gefühle zum Ausdruck.

Verschlossenheit, Unterdrückung von Emotionen, Betonung der

Verstandes und Hang zum Perfektionismus sind häufige Persön-

lichkeitsmerkmale bei Rheumapatienten und können nach der

Erfahrung von Massimo Mangialavori auch auf die Familie der

Primelgewächse verweisen: „Es sind Menschen, die wenig offen

sind, aber stark leiden und sich nicht leicht erkennen lassen.“

Wenn die Verschlossenheit und der Mangel an emotionalem

Ausdruck noch tiefergeht bis in die Isolation und Depression,

und wenn sich dieser Zustand von innerer Starre in schmerzhaf-

ter Steifheit und Deformation der Gelenke ausdrückt, dann sollte

man an eine Steinarznei im Allgemeinen und an Lapislazuli im

Besonderen denken. Diesen Rat gibt uns Franz Swoboda nach

einer langen Odyssee durch die Materia Medica. Erst als die

Gelenke seiner Patientin bereits schwer deformiert und mehr-

fach operiert sind, führt ihr Traum vom Verhungern ihn auf die

richtige homöopathische Spur.

Auch wenn viele Fallbeispiele in dieser Ausgabe von SPEKTRUM

gemeinsame Charakteristika aufweisen, gibt es auch ganz an-

dere Muster bei Rheumapatienten. So erfährt eine Patientin

von Tali Levi nach dem Tod ihrer Mutter unerträgliche Schmer-

zen am ganzen Körper. In ihrer primitiven Abhängigkeit von

der Mutter gleicht sie einem Fötus. Ihre Schmerzen beschreibt

sie als etwas, das einen an Gummibändern festhält und keine

eigene Bewegung erlaubt. Auch hier erkennt man eine ganz

eigene Entsprechung zwischen innerem Zustand und körperli-

cher Symptomatik. Auch bei Heinz Wittwers Patientin ist die

Mutter-Tochter-Beziehung von Abhängigkeit geprägt, die hier

aber als beengend erlebt wird. Als einengend erlebt sie auch

ihre Krankheit. Zur Heilung gehört in solchen Fällen ein innerer

Klärungsprozess, wie von Norbert Groeger und Heidi Brand in

der Kasuistik zu Chara intermedia beschrieben, einer Alge mit

reinigender Kraft.

Die kürzeren Wege zum Simile beschreibt der Veterinär Peter

Gregory mit einer Übersicht homöopathischer „Rheumamit-

tel“ an Beispielen hinkender Hunde. Als das bewährte Mittel

schlechthin gilt dabei Rhus toxicondendron, zu dem Reinhard

Flick ein Fallbeispiel beisteuert. S. Chidambaranathan beschreibt

seine Erfahrungen mit Bryonia bei Gelenkbeschwerden in Ver-

bindung mit einem erhöhten Antistreptolysin-Titer. Bewährt sind

mittlerweile auch die Lanthaniden, wenn die rheumatische Er-

krankung auf einem Autoimmunprozess beruht. In der Praxis

von Jan Scholten und Anton Kramer kommen dabei Neodymi-

umsalze besonders oft zum Einsatz. Hormonell bedingte rheu-

matische Beschwerden, vor allem in der Menopause, sprechen

nach der Erfahrung von Christina Ari häufig gut auf die Sarkode

Follikulinum an. Am besten wirken auch die bewährten Arzneien

dann, wenn die Ähnlichkeitsbeziehung auf allen Ebenen der

Person besteht.