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SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE

Olga Fatula

 ¦ Nephila

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SPINNEN UND SKORPIONE

DER SEILTÄNZER

Nephila und die Spinnen im Periodensystem

AUTORIN ¦ Olga Fatula

ZUSAMMENFASSUNG:

Bei einem depressiven Pa-

tienten verweisen Themen wie Humor, Tricks, List

und Täuschung, Kontrolle und Macht, aber auch

Verbitterung und Selbstmitleid auf die Gruppe der

Spinnenarzneien. Die besondere depressive Sympto-

matik und die Signatur führt zur Verordnung einer

Seidenspinne. Die Zuordnung der Spinnen zu den

Phasen und Stadien des Periodensystems sowie die

Differenzialdiagnose zu verschiedenen pflanzlichen

und mineralischen Mitteln wird diskutiert.

SCHLÜSSELWÖRTER:

Araneidae, Depression, Nephi-

la, Periodensystem, Phasen, Seidenspinnen, Spinnen,

Spinnennetz, Stadien

FALLBEISPIEL: Mann, 44 Jahre alt, Depression,

Überweisung vom Psychologen

Erstanamnese im September 2018

Erste Beobachtungen:

Schlanker Körperbau. Er trägt ein hell-

gelbes T-Shirt und einen Strickpullover. Er sitzt krumm, spielt mit

seinen Fingern, weint und wimmert. Seine Erzählung ist ein Mo-

nolog, wie auswendig gelernt. Er benutzt viele psychoanalytische

Fachbegriffe. Er klagt über eine Depression: Mag morgens nicht

aufstehen, um zu arbeiten. Trotz aller möglichen Schlaftabletten

und Antidepressiva schläft er schlecht. All das verschlimmert sich

bei trübem Wetter. Vorherige homöopathische Behandlungen

bei anderen Ärzten haben nicht die gewünschten Resultate er-

bracht: Arsenicum album, Rhus toxicodendron, Aconitum, Naja,

Lucilla (eine Goldfliege).

Er ist Jurist und arbeitet von zu Hause aus, wo er Steuersen-

kungsmodelle erfindet. Seitdem er seine zweite Frau verlassen

hat, lebt er allein, doch er hilft ihr bei der Kindererziehung und

unterstützt sie finanziell.

Bericht des Patienten (gekürzt):

„Ich versinke in einer Nost-

algie, die mich faul macht. Meine derzeitige Realität passt mir

nicht, sie unterscheidet sich vom Stand der Dinge in der Welt.

Meine Bemühungen werden nicht anerkannt. Wozu sollte ich

mich anstrengen, wenn andere mich nicht wertschätzen oder

mich sogar herabsetzen? Sie beachten mich gar nicht, sie res-

pektieren mich nicht; meine Arbeitsergebnisse werden schlecht

aufgenommen oder ganz ignoriert.

Ich fühle mich zum Erhabenen hingezogen, doch ich muss mich

mit irdischen Dingen auseinandersetzen. Ich habe die Komplexe

meiner Eltern geerbt: ,Ich werde nicht fliegen, wenn ich zum

Kriechen geboren bin.’“

Vorgeschichte:

„Meine Eltern haben sich bekämpft wie Hund

und Katz. Mein Vater hat mein Leben kaputtgemacht, weil er

ständig bis tief in die Nacht feierte. In der Erwartung, bei seiner

Rückkehr vom nächsten Skandal zu hören, konnte ich nicht schla-

fen. Ich hatte Angst vor ihm, und ich hasste ihn. Ich habe meine

Heimatstadt verlassen und getan, was ich konnte, damit sie sich

scheiden lassen. Ich habe unter ihren Problemen gelitten, doch sie

haben ,ihre Fehde versenkt’

(einen Waffenstillstand geschlossen),

und meine Mutter sagte, sie seien jetzt glücklich miteinander, was

eine Lüge war. Allem zum Trotz tut sie, was sie will, indem sie gute

Miene zum bösen Spiel macht. Sie ist glücklich, und ich hasse sie,

weil sie mir meine Kindheit gestohlen hat. Ich entsinne mich an

viele Vorfälle, an die sich niemand erinnern kann; die Menschen

neigen dazu, das Wesentliche zu vergessen. Alle verstecken sich

vor mir. Ich weiß, dass ich anders bin, aber es waren sie, die mich

zu dem gemacht haben, was ich jetzt bin.

Ich analysiere alles, um die perfekte Entscheidung zu treffen.

Ich darf keinen falschen Schritt tun, auch wenn andere kein

Problem damit haben, Fehler zu machen.

Der Kreislauf geht weiter; ich drehe die nächste Runde und

verliere den Mut. Meine zweite Ehe hat zehn Jahre gehalten,

und jetzt fällt sie auseinander. Ich habe meiner Frau und meinen