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SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE

Jonathan Hardy

 ¦ Lac humanum: Lac lupinum

34

SUCHT ¦ 

ESSEN | HEROIN

SÄUGETIERMITTEL UND SUCHT

Eine Reihe von Themen, die sehr häufig in Säugetierfällen auf-

tauchen, ist wichtig, um zu verstehen, wie Säugetiermittel bei

der Suchtbehandlung eingesetzt werden können:

Milch:

Die spezifische evolutionäre Anpassungsleistung der Säu-

getiere ist die Milch, und die Milch ist für unser Verständnis

dieser Mittel grundlegend. Sie ist die Nahrungsquelle für alle

Jungtiere. Doch sie ist nicht nur für das physische Überleben

des Tierbabys wichtig, sondern umfasst auch den Prozess des

Säugens. Das junge Säugetier bezieht Nahrung aus der Brust sei-

ner Mutter und erhält dort zugleich Körperkontakt und Wärme.

Das beinhaltet auch ein emotionales Element – es ist ein Akt

großer Intimität: Die Mutter gibt sich buchstäblich hin, um ihren

Jungen Leben zu schenken. All diese Elemente der Nahrung,

der Wärme, des Körperkontakts, der mütterlichen Fürsorge und

Intimität finden sich auch in den Säugetierfällen.

Das „Säugergefühl“:

Wir können sagen, dass das Gefühl,

rundum genährt zu werden, sowohl auf körperlicher als auch

auf seelischer Ebene, zusammen mit dem Gefühl von Wärme,

Intimität und Nähe das „Säugergefühl“ ist. Als Menschen sollten

wir dieses Säugergefühl tief in uns tragen. Es sollte Teil unserer

inneren Grundstruktur sein, und zwar auf einer instinktiven und

unbewussten Ebene unseres Seins. Wenn das der Fall ist, trägt

es viel zu unserem Kompetenz-, Sicherheits- und Wertgefühl

bei, das die Grundlage für ein glückliches und erfolgreiches

Leben bildet. Andernfalls fehlen uns diese Grundelemente, die

uns Geborgenheit und Stabilität verleihen. Dann wird sich das

nagende Gefühl einstellen, dass uns etwas fehlt, eine innere Ver-

unsicherung, die ganz fundamental ist. Das wird oft geradezu

körperlich empfunden als eine tief sitzende Leere, eine Loch, das

nicht gefüllt werden kann. Wir haben das unentrinnbare Gefühl,

dass etwas mit uns nicht stimmt, dass wir nicht ganz sind.

Es ist interessant, dass viele Säugetiermittel aus der Milch her-

gestellt und als „Lac“ bezeichnet werden – ein Wort, das im

Englischen genauso klingt wie das englische Wort für Mangel:

lack. Dem Betreffenden mangelt es an etwas in seiner Grund-

struktur, was natürlich sehr nach einem Mineralmittel klingt.

Doch es gibt einen Unterschied. Säuger sind Tiere, und der

Mangel hat hier einen animalischen Beigeschmack. Und dieser

Beigeschmack kann als Scham zusammengefasst werden.

Scham:

Scham ist ein häufiges Gefühl in Tierfällen, das jedoch

bei Säugetierfällen aufgrund dieses inneren Mangelgefühls be-

sonders stark ausgeprägt ist. Der animalische Zustand erzeugt

im Patienten oft das Gefühl, schmutzig, schlecht und unwürdig

zu sein. Das scheint ein Produkt der Bewusstseinsspaltung zu

sein, die man in Tierfällen vorfindet – der Dualität zwischen

unserem höheren Bewusstsein und unseren animalischen We-

sensanteilen. Dieses Unbehagen mit der eigenen animalischen

Natur, kombiniert mit dem Gefühl der inneren Unwürdigkeit, ist

eine mächtige Mixtur, die in vielen Säugetierfällen ein äußerst

starkes und tief sitzendes Schamgefühl erzeugt.

Scham ist etwas anderes als Schuld. Schuld ist das Gefühl, etwas

Falsches getan zu haben. Scham ist das Gefühl, falsch zu sein

– dass mit uns irgendetwas nicht stimmt. Schuld impliziert die

Möglichkeit der Wiedergutmachung, denn wenn man etwas

Falsches getan hat, kann man etwas Richtiges tun, das den

Fehler wieder ausgleicht. Scham nicht. Scham ist ein viel tiefer

sitzendes und lähmenderes Gefühl, denn wenn man glaubt,

falsch zu sein, gibt es nichts, was man tun kann, um Abhilfe

zu schaffen.

Selbstzerstörung:

Wie also reagieren wir auf Scham? Unglück-

licherweise mit einer ganzen Palette an selbstzerstörerischen und

schädlichen Gewohnheiten und Verhaltensweisen. Wir werden

wahrscheinlich allen möglichen Süchten zum Opfer fallen, denn

wir gieren nach etwas – irgendetwas –, das dieses entsetzliche

Gefühl der inneren Leere füllt. Säugetier-Patienten sagen oft

über ihre Sucht, es sei der Versuch, ein inneres Loch zu füllen.

Es kann sich um physische Süchte handeln: um Drogensucht,

von den stärksten illegalen Drogen bis hin zu den alltäglicheren,

wie etwa Schokolade und Kaffee. Es finden sich Essstörungen

aller Art, und es ist interessant, dass Scham ein Charakteristikum

von Anorexie und Bulimie ist.

Säugen:

Säugetiermütter ernähren ihre Neugeborenen, indem sie

sie säugen. Säugetier-Patienten jeden Alters versuchen oft, diese

Erfahrung auf vielerlei Weise wiederzubeleben, insbesondere durch

Daumenlutschen oder indem sie sich Finger oder Gegenstände

in den Mund stecken. Auch Nähe und Körperkontakt werden

nachgeahmt: durch exzessives Liebkosen, Kuscheln und Küssen,

indem der Patient sich in Decken und Wollschals hüllt oder sich

an Plüschtiere klammert – alles, was an die kindliche Erfahrung

von mütterlicher Wärme, Nahrung und Geborgenheit erinnert.

Nahrung:

Im gesunden Zustand herrscht ein Gefühl von Be-

friedigung, Erfüllung, Zufriedenheit, Selbstsicherheit und Selbst-

AUTOR ¦ Jonathan Hardy

ZUSAMMENFASSUNG:

Ein Mangel an dem typischen

„Säugergefühl“ von Nähe, Wärme und versorgt Wer-

den kann ein Gefühl tief sitzender Leere verursachen.

Suchtpatienten, die Milcharzneien benötigen, versu-

chen über ihre Sucht, dieses innere Loch zu füllen.

Der Autor schildert an zwei Fallbeispielen, wie die

typische Dynamik dieser Arzneigruppe zu Essstörun-

gen oder Drogenabhängigkeit führen kann. In beiden

Fällen ist die Beziehung zur Mutter gestört.

SCHLÜSSELWÖRTER:

Akne, Bulimie, Drogensucht,

Empfindungsmethode, Essstörung, Heroin, Hunde-

mittel, Lac humanum, Lac lupinum, Milcharzneien,

Säugetiere, Sucht