PALLIATIV
SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
Jürgen Hansel ¦
DIVERSE MITTEL
KRAFT ZUM LEBEN
Arnica als Simile, Carbo vegetabilis und Phosphorus als letzte Mittel
Der heilige Martin, später Bischof von Tours, teilte sei-
nen Mantel mit dem Schwert und gab eine Hälfte dem
Armen. Legenden erzählten von seinen Wundern, so
wurden ihm auch Erweckungen von Toten nachgesagt.
Der symbolische Akt der Nächstenliebe, den Mantel,
lateinisch pallium, zu teilen, gehört zur Konnotation des
Palliatv-Begriffs.
copyright ¦ El Greco / St. Martin /
Wikimedia commons
Seit den Anfängen der Hospizbewegung in Deutschland vor 30
Jahren ist die ambulante und stationäre Palliativversorgung vor
allem in den letzten 15 Jahren zu einem festen Bestandteil unseres
Gesundheitssystems geworden. Ab 2004 wurde die Palliativme-
dizin an vielen medizinischen Fakultäten zum verpflichtenden
Lehr- und Prüfungsfach. Gleichzeitig wurde die Palliativmedizin
mit einer eigenen Zusatzqualifikation in die ärztliche Weiterbil-
dung aufgenommen. Im Jahr 2007 wurde der Anspruch auf eine
spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) gesetzlich ver-
ankert. Mittlerweile gibt es hierzulande über 270 SAPV-Teams,
250 Palliativstationen, 214 stationäre Hospize für Erwachsene, 14
Kinderhospize und 1.500 ambulante Einrichtungen. Im Novem-
ber 2015 wurde ein Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und
Palliativversorgung in Deutschland verabschiedet, mit dem die
Versorgung von Menschen am Lebensende vor allem auf dem
AUTOR ¦ Jürgen Hansel
ZUSAMMENFASSUNG:
Homöopathie und Palliativme-
dizin haben eine ähnlich ganzheitliche Ausrichtung.
Wie sie sich in der Praxis ergänzen, wird an einem
Fallbeispiel aufgezeigt. Eine Krebspatientin mit aus-
geprägter Verletzungsangst wird in ihren letzten
drei Lebensmonaten zunächst mit Arzneien aus der
Familie der Asteraceen personotrop behandelt. Als
die Lebenskraft nicht mehr darauf anspricht, können
bewährte letzte Mittel wie Carbo vegetabilis und
Phosphorus die Energie kurzfristig anregen und so
die Behandlung durch ein Palliative Care Team wir-
kungsvoll unterstützen.
SCHLÜSSELWÖRTER:
Arnica, Arsenicum album,
Arsenicum jodatum, Asteraceen, Bellis perennis,
Carbo vegetabilis, Palliativmedizin, Phosphorus,
Rektumkarzinom, Unruhe
Lande weiter verbessert werden soll. Nach diesem Gesetz sollen
die Krankenkassen jährlich ein Drittel mehr für die Hospizversor-
gung und Palliativmedizin aufwenden.
Entwicklung der Palliativmedizin:
Als ich mich 1983 als Allge-
meinmediziner in eigener Praxis niederließ, machte die Palliativ-
medizin gerade ihren ersten Schritt nach Deutschland. In jenem
Jahr wurde an der Chirurgischen Klinik der Universität Köln
die erste deutsche Palliativstation eröffnet. Damals existierte
hierzulande noch kein einziges Hospiz für sterbende Patienten.
Und für uns Ärzte gab es keine Aus- und Weiterbildung für den
Umgang mit einer der schwierigsten existenziellen Situationen
in unserem Beruf.
Ich erinnere mich gut an meine erste Patientin, die ich in ihren
letzten Lebensmonaten begleiten durfte. Die Anleitung für die
ambulante orale Opiattherapie – heute im Rahmen des WHO-
Stufenschemas allgemein geläufig – musste ich mir noch in
einer englischen Quelle suchen. Das Kapitel „Relief of Pain“
fand ich in dem Buch „Management of Terminal Disease“ von
Cicely Saunders aus dem Jahr 1978. Die Autorin gründete 1967
das St. Christopher’s Hospice in London, das die Keimzelle für
die moderne Hospizbewegung und die Palliativmedizin bildete.
Saunders vertritt einen ganzheitlichen Ansatz, der die physi-
schen, psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse der
Patienten, Angehörigen und des Behandlungsteams umfasst. An
der Basis der Hospizarbeit steht für sie die Bejahung des Lebens
sowie die Akzeptanz von Sterben und Tod als Teil des Lebens.
Der Tod wird weder beschleunigt noch hinausgezögert. Aktive
Sterbehilfe wird strikt abgelehnt. Es gilt das Prinzip „High per-
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