Spektrum 2/2015 Diagnose Borreliose - page 6

SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
CHRISTINA ARI ¦ 
AKUTMITTEL LEDUM U. BORRELIA / KONSTITUTIONSARZNEIEN
DIAGNOSE: 
BORRELIOSE
22
AUTORIN ¦ 
Christina Ari
ZUSAMMENFASSUNG:
Anhand von drei Kasuistiken,
in denen die Patienten jeweils die Einnahme von
Antibiotika ablehnten, wird die homöopathische
Behandlung in der Frühphase einer Borreliose be-
schrieben. Vor einer konstitutionellen Therapie
kommen dabei meist Ledum und die Borrelien-Nos-
ode zum Einsatz. In allen drei Fällen trifft die Borre-
liose mit einer tiefgreifenden Verunsicherung im
Leben der Patienten zusammen. Nach der Erfahrung
der Autorin ist die Anfälligkeit für eine Borrelienin-
fektion in einer instabilen Lebenssituation erhöht.
SCHLÜSSELWÖRTER:
Acidum phosphoricum, Apis,
Arthralgie, Borrelien-Nosode, Borreliose, Calcium si-
licatum, Erythema migrans, Ledum, Lymphadenosis
cutis benigna, Silicea, Tuberkulinum, Zeckenbiss,
Zincum muriaticum
INSTABILE ORDNUNG
Ledum und Borrelien-Nosode als Akutmittel
PERSÖNLICHE BEGEGNUNGEN MIT IXODES
RICINUS ODER DEM GEMEINEN HOLZBOCK
In den Fünfzigerjahren, als ich noch ein Kind war, teilte ich mit
meiner Großmutter ein Zimmer. Ich erinnere mich noch sehr gut,
als wär es gestern gewesen, an diese seltsamen schwarzen,
mehr oder weniger großen, kugelförmigen Gebilde in ihren vari-
kösen Kniekehlen, wenn sie sich beim Zubettgehen entkleidete.
„Was ist denn das, Oma?“, fragte ich mit Erstaunen.
„Das sind bloß Zecken“, erwiderte sie ganz gelassen. „Sie sau-
gen mein Blut, um zu überleben!“
„Warum nimmst Du sie nicht weg?“
„Das ist doch nicht nötig, sie fallen von selbst ab, sobald sie
satt sind.“
Meine Großmutter, die 1886 als neuntes von vierzehn Kindern
geboren worden war und unter ärmsten Verhältnissen auf-
wuchs, hatte Zeit ihres Lebens keine Ahnung, dass Zecken
Krankheitüberträger sein können. Sie war zeitlebens eine über-
aus gesunde Person und verstarb mit 94, kurz nach einer Radi-
usfraktur. Ich erinnere mich oft an diesen Dialog, er ist lebendig
geblieben in mir, er bestärkt mich in meinem Vertrauen an eine
heilere Welt und gibt mir Kraft und Zuversicht.
DIE ENTDECKUNG DER MONSTERZECKE
In den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts, also während
meiner Studienzeit, sollte ich dem Gemeinen Holzbock auf eine
ganz andere Art wiederbegegnen. Die FSME-Impfkampagne
nahm gerade ihren Lauf und auch die Lyme-Borreliose wurde be-
reits als eigenständige Erkrankung anerkannt. Damals gab es
kaum eine Gasse in der Wiener Innenstadt, in der es nicht auf
riesigen Plakatwänden auf mich lauerte – dieses überdimensional
vergrößerte und bedrohliche Monsterbild von einer Zecke! Es ver-
kündete Alarmstufe Rot und begründete von da an eine allgemei-
ne Zeckenhysterie im Bewusstsein des modernen Menschen.
Wem galt es nun, mehr Vertrauen zu schenken, meiner Groß-
mutter oder diesem bedrohlichen Monster?
Ich hatte von klein auf immer wieder einmal Körperkontakt mit
Zecken, jedoch nie Angst vor einer Infektion. Im Jahr 1990, zu
einer Zeit, in der ich maßlos überfordert war, in der ich von
Wien aufs Land übersiedelte, um mich als Wahlärztin selbst-
ständig niederzulassen, und in welche auch der Zeitpunkt mei-
ner Scheidung fiel, erkrankte ich an einer Borrelieninfektion.
Dabei entwickelte sich ein Erythema migrans am rechten Hand-
gelenk, begleitet von hohem Fieber. Da ich jedoch keine Zeit hat-
te, mich der Krankheit zu widmen, zog ich, zutiefst verunsichert,
eine zweiwöchige antibiotische Behandlung der Homöopathie
vor. Kurze Zeit danach, die Röte war bereits zwei Tage nach Ein-
nahme des Antibiotikums verschwunden, stellten sich heftige,
radikuläre neuralgische Schmerzen entlang des Nervus ulnaris
des rechten Arms ein. Dieses Beschwerdebild sollte mich jahre-
lang beeinträchtigen, bis ich mich einer homöopathischen Be-
handlung bei einem Kollegen unterzog, um gesund zu werden.
Die Manifestation einer Borrelieninfektion gestaltet sich dem-
nach äußerst individuell und vielfältig. Rein pathognomonische
Symptome sind vor allem bei fortgeschrittenen Krankheitspro-
zessen eher rar, was eine Diagnosestellung im herkömmlichen
Sinn erschwert, einer zielführenden homöopathischen Behand-
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