Spektrum 2/2015 Diagnose Borreliose - page 8

SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
CHRISTINA ARI ¦ 
AKUTMITTEL LEDUM U. BORRELIA / KONSTITUTIONSARZNEIEN
DIAGNOSE: 
BORRELIOSE
24
lung jedoch keineswegs im Wege steht. Borrelien besitzen die-
se besondere Eigenschaft, sich in einem Wirtsorganismus zu
verstecken, um sich, bei einer Destabilisierung der Abwehrkräf-
te, über konstitutionelle, miasmatische Schwachstellen erneut
zu erkennen zu geben. Dabei entstehen Krankheitssymptome
und Symptomenkomplexe unterschiedlichster Konstellationen
als Ausdruck einer individuellen Immunreaktion eines Organis-
mus, welche als solche unter herkömmlicher Betrachtungswei-
se nur schwer einzuordnen sind. Homöopathie erweist sich
demnach als eine bewährte Behandlungsmethode, erkennt sie
doch das individuelle, besondere Symptom als zentralen Aus-
druck einer generalisierten Störung, welches im Grunde ge-
nommen durch den Erreger Borrelia burgdorferi nur verstärkt
wird, also eine Erhöhung in seiner Wertigkeit erfährt.
Über und durch Borrelien gibt es noch vieles zu erfahren und
erkennen. Sie entziehen sich einer herkömmlichen Erfassung
von Erregereigenschaften und verlangen nach neuen, moder-
neren Betrachtungsweisen, die ihren besonderen Gesetzmä-
ßigkeiten entsprechen und gerecht werden.
FALLBEISPIEL 1: Mädchen, 8 Jahre, Erythema migrans,
Borreliose
Tamara kommt spontan in meine Ordination, ohne Anmeldung
und in Begleitung ihrer Mutter, am Tag, nachdem der rote
kreisförmige Fleck auf ihrer rechten Pobacke erschienen war.
Nach Angaben der Mutter war das Mädchen in ihrem Allge-
meinbefinden leicht beeinträchtigt, müder und lustloser als
sonst üblich.
Akutbehandlung:
Antibiotische Therapie wurde seitens der
Mutter vehement abgelehnt, was ich mir in Anwesenheit mei-
ner Assistentin wiederholt bestätigen ließ und schriftlich doku-
mentierte. Das Mädchen war bisher noch nie in meiner Be-
handlung, für eine ausführliche Anamnese war keine Zeit, es
bestand akuter Handlungsbedarf.
Verschreibung:
1x5 Globuli Borrelia C 200, weiterhin Ledum
C 30 in ¼ l Wasser gelöst, schluckweise über 3 Tage, täglich
neu gelöst.
Nach drei Tagen ließ sich noch keine wesentliche Veränderung des
Lokalbefundes erkennen. Die Kleine war jedoch wohlauf und
machte im Allgemeinen einen lebhafteren Eindruck. Ich wieder-
holte eine Gabe Borrelia C 200 und ließ Ledumweiter einnehmen.
Einige Tage danach berichtete mir Tamaras Mutter am Telefon,
dass der Kreis nun kontinuierlich zu wachsen begonnen hatte. Ich
ordnete die Wiederholung von Borrelia C 200 an, jeweils eine
Gabe, falls es zu einem Stillstand des Wachstums der Röte kom-
men sollte. Ledum sollte sie weiterhin aufgelöst einnehmen.
Verlauf und ausführliche Fallaufnahme:
Einen Monat nach
Auftreten des Erythems sah ich Tamara zur eingehenden Ana-
mnese wieder. Der Kreis hatte sich inzwischen fast über das
gesamte Gesäß ausgebreitet und imponierte etwas blasser als
zu Beginn. Obwohl die initiale Behandlung mit der Nosode und
Ledum eine gute Dynamik in den Ablauf des Krankengesche-
hens gebracht hatte, durch den das Mädchen in seinem Befin-
den keinesfalls beeinträchtigt war, gab es gute Gründe für eine
genauere Exploration. Die Bereitschaft, an einem Erreger zu
erkranken, hat prinzipiell eine Ursache.
ANAMNESE
Tamaras Situation:
Seit einer Übersiedelung von Niederöster-
reich ins Burgenland vor einem Jahr gab es bei Tamara ver-
mehrt Auffälligkeiten. Sie vermisste vor allem das alte Haus,
denn es war viel schöner gewesen, und auch die Großmutter,
die dort zurückgeblieben war. Sie zog sich mehr und mehr in
sich zurück und hatte auffallend weniger Appetit. In Folge be-
kam sie eine Dellwarze am Hals sowie ein Ekzem zwischen den
Fingern der linken Hand, welches jedoch nach kurzer Zeit spon-
tan wieder verschwand.
Familienanamnese:
Tamara hat zwei ältere Schwestern, ge-
meinsam sind sie ein gutes Team. Obwohl kein Wunschkind,
gestaltete sich die Schwangerschaft komplikationslos. Kurz vor
der Geburt erkrankte die Mutter an Grippe mit hohem Fieber.
Bei der Entbindung war sie total erschöpft und geschwächt, es
kam zur Plazentaretention mit anschließender Curettage. Der
Vater der Mutter starb fünf Wochen nach der Geburt völlig
unerwartet infolge der Grippe. Tamaras Mutter erholte sich nur
langsam aus dieser Schwäche.
Tamara wurde 1,5 Jahre gestillt und entwickelte sich gut und
rasch. Sie krabbelte kaum und lernte bereits mit 10 Monaten
laufen. Sie konnte früh sprechen und das Lernen fiel ihr leicht.
Sie wirkte eher ernsthaft und war tatsächlich recht vernünftig
und besonnen bei allem, was sie tat, keinesfalls risikofreudig.
Sie konnte eigensinnig sein, alles besser wissen, sich mal gern
vor einer Arbeit drücken, doch im Allgemeinen war sie sozial.
Sie neigte zum traurig Sein, war schnell angerührt, weinte
leicht und litt an Heimweh. Ängstlich und schreckhaft, wollte
sie als Kleinkind nicht hochgehalten werden und mochte auch
keine Hochschaubahn. Es bestand Angst vor Dunkelheit, vorm
Alleinsein und vor Albträumen.
Tamara wurde nie geimpft. Eine Varizellen-Infektion war sehr heftig.
Die Mutter von Tamara war fürsorglich und achtsam. Die müt-
terliche Großmutter hatte ein Alkoholproblem. Der Vater war
ein sogenanntes „blaues Baby“ und in Folge infektanfällig und
kränklich. Nach einer Herzmuskelentzündung und einer EBV-
Infektion litt er an chronischem Rheuma, Allergien und Asth-
ma. Der Großvater väterlicherseits starb an Krebs.
Status der Patientin:
Sie ist ein zartes, blasses, dunkelhaariges
Mädchen mit großen Augen. Schweiß im Halsbereich kann zu
Hautirritationen führen. Die Löcher der Ohrringe entzünden
sich häufig. Sie ist kälteempfindlich und vermehrt infektanfäl-
lig. Trotz Kopfbedeckung entzünden sich die Ohren leicht, es
kommt zu Halsschmerzen und Verschleimung mit morgendli-
cher Verschlimmerung. Aphthen im Mund sind nicht selten,
schlimmer nach Essen von Käse. Sie isst wenig und ist sehr hei-
kel. Süßes liebt sie, auch Erdbeeren und Tomaten. Es besteht
eine Abneigung gegen Bohnen und Kraut. Sie hat täglich Stuhl,
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15
Powered by FlippingBook