Flipbook Leseprobe - page 15

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LAMIACEAE ¦ PIPERACEAE
ANGELIKA BOLTE, JÖRG WICHMANN ¦
 PIPER METHYSTICUM: PIPER NIGRUM: TEUCRIUM SCORODONIUM
SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
Welt, mit den Piperaceen ist es dem Wechselspiel von äußerer
Anregung und ihrem Mangel ausgesetzt, mit den Ranuncula-
ceen begegnet es der überwältigenden Kraft von emotionaler
Erregung, mit den Berberitzen der ständigen Veränderung der
Außenwelt und mit den Papaveraceen der fürchterlichen Bedro-
hung durch körperlichen Schmerz. – Die Gegenreaktion in allen
diesen Familien besteht in Rückzug und Betäubung (Suche/Sucht
nach Wiederverschmelzung mit der Einheit/Ganzheit). Dies ent-
spricht der oben beobachteten Abkapselung aller Intensität in
das kleine Pfefferkorn. Das Ich, das in der Pubertät die Aufgabe
hat, sich hinaus in die Welt zu wenden, schreckt davor zurück
und zieht sich statt dessen zurück in den frühkindlichen Zustand
des Wartens auf äußere Anregung.
Wo die Pfeffergewächse zu weit drinnen bleiben, sind die Lip-
penblütler zu weit draußen. Ein bereits voll ausdifferenziertes Ich
(6. Spalte in der Tafel) zeigt sich der Aufgabe nicht gewachsen,
seine Grenzen zu wahren, und verfällt völlig den äußeren Reizen.
Stets nach Oscar Wildes Ausspruch handelnd, dass man eine
Versuchung am besten dadurch los wird, dass man ihr nachgibt,
verlieren die Lamiaceen-Patienten sich in der Außenwelt. Hoch
differenziert und ich-stark, wie sie sind, erreichen sie dabei eine
große Kreativität und können viel leisten. Ihre Sucht dient nicht
dem Rückzug in uterine Zustände, wie bei den frühen Entwick-
lungsstadien, sondern dem Noch-Mehr, dem immer größeren
Kick. Doch davon werden der Körper, das Gefühlsleben und
die menschlichen Beziehungen überlastet, und Krankheit tritt
auf. Vieles ähnelt dem, was wir im Mineralreich als phosphor-
krank kennen, ein Element, das als aromatische Verbindung in
den ätherischen Ölen der Lamiaceen wichtig ist. Ähnlich wie
bei Phosphor ist die Aufgabe des Stadiums der Lamiaceae, die
Individualität während und trotz eines intensiven und kreativen
Austausches mit der Außenwelt zu erhalten. Dies zeigt sich
auf der physischen Ebene in der Integrität der Schleimhäute
und persönlich in einer Stabilität gegenüber den faszinierenden
Reizen und sinnlichen Verlockungen dieser Welt.
Kommentar:
Die Gegenüberstellung beider Pflanzenfamilien
anhand ihrer evolutiven Position verhilft uns zwar nicht unmit-
telbar zu einer homöopathischen Verschreibung, aber sie vertieft
unser Verständnis der Vitalempfindungen der einzelnen Familien
und bringt eine Ordnung in das bisher so unübersichtliche Pflan-
zenreich. Und mit der nötigen Erfahrung, nachdem wir für viele
PatientInnen gefunden haben, wo sich ihre Beschwerdebilder in
der Pflanzenentwicklung wiederfinden lassen, fangen wir an,
eine Wachheit dafür zu bilden, was das Typische in der Erschei-
nung der Arzneimittel in den Unterklassen und Familien ist. Eine
Synthese der Empfindungsmethode und der Evolutionstafeln
von Michal Yakir bringt uns da einen großen Schritt weiter.
LITERATUR
Bresinsky, Andreas, Körner, Christian, et al.: Strasburger
– Lehrbuch der Botanik; Spektrum Akademischer Verlag,
Heidelberg 2008 (36. Auflage).
Documenta Homoeopathica, Hrsg. ÖGHM, Franz Swoboda,
Band 26, 2006. S.143-252 über Lamiaceen.
Documenta Homoeopathica, Hrsg. ÖGHM, Franz Swoboda,
Band 27, 2008. S.125-138 über Piperaceen.
Pelikan, Wilhelm: Heilpflanzenkunde II, Dornach 1982, Verlag
am Goetheanum.
Sankaran, Rajan: An Insight into Plants, Mumbai 2002–07,
Vol.1–3
Vital Quest, Computerprogramm.
Wichmann, Jörg:
Yakir, Michal: Wondrous Order, The Table of Plants, Narayana
Verlag, Kandern, 2015
Yakir, Michal: Tabelle der Pflanzensystematik mit Begleitheft,
5. Aufl., Narayana Verlag, 2015
JÖRG WICHMANN
betreibt im Bergischen Land in der
Nähe von Köln eine homöopathische
Heilpraxis, schreibt, hält Seminare und
unterrichtet in der Bergischen Homöo-
pathie-Schule. Autor diverser Bücher
und Urheber der Internet-Datenbank
für homöopathische Systematik, Be-
nennung, Arzneimittelprüfungen, Hersteller.
Kontakt:
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DR. MED. ANGELIKA BOLTE
Nach der Facharztausbildung zur Kinderärztin und Jahren in
der Uni-Klinik Essen seit Anfang der 90er-Jahre homöopathi-
sche Privatpraxis. Dozentin an der Bergischen Homöopathie-
Schule. Methodischer Schwerpunkt ist seit 10 Jahren die
Sensation-Methode.
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