Flipbook Leseprobe - page 13

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LAMIACEAE ¦ PIPERACEAE
ANGELIKA BOLTE, JÖRG WICHMANN ¦
 PIPER METHYSTICUM: PIPER NIGRUM: TEUCRIUM SCORODONIUM
SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
Lamiaceae:
Die Mittelfamilie, die diese Vitalempfindung be-
schreibt, sind die Labiatae oder Lamiaceae, die Lippenblütler,
eine große Pflanzenfamilie voll von bekannten Gewürz- und
Heilpflanzen (3.200 Spezies in 200 Gattungen). Zu diesen
gehören Thymian, Minze, Basilikum, Oregano, Majoran, Ros-
marin und Melisse. Ihre Vitalempfindungen bewegen sich in
der Polarität von intensiver, vibrierender Erregung, Heiterkeit,
Ideenzustrom, Redseligkeit, Lebhaftigkeit, Singen, Genuss und
andererseits Mangel an Erregbarkeit, fehlender Reaktion auf
Eindrücke, Benommenheit. Dabei geht es nicht um mentale
Stimulation und geistige Vorstellungen wie bei den Rubiaceen,
sondern um bis ins Körperliche oder aus dem Körperlichen he-
raus empfundene Reize, um Genuss im eigentlichen Sinne, ein
Hochgefühl.
Verschreibung
: Teucrium scorodonium
Follow-up:
Als Miasma ergab sich für Andreas mit seinem
Drang, ständig von einer Situation in die nächste zu flüchten,
seiner permanenten inneren Unruhe, das tuberkulinische, wo-
raus sich als verordnetes Mittel Teucrium scorodonium ergibt.
Dieses verhalf ihm im Verlaufe eines Jahres und mit einigen Mit-
telwiederholungen dazu, sich vom Drogenmissbrauch gänzlich
zu befreien und die Sinnenfreude in Bereichen auszuleben, die
weniger destruktiv für ihn sind. Daraus hat sich ein kontinu-
ierlicheres Arbeitsverhalten ergeben, mit dem resultierenden
größeren Erfolg, sodass auch weniger Frustrationen und finan-
zielle Sorgen auftreten, aus denen er in Exzesse flüchten musste
– eine sich wechselseitig begünstigende Verhaltensänderung.
Zu der Gesundung seiner Lage insgesamt gehört auch, dass die
ekzematösen Reizzustände seiner Haut kaum noch auftreten
und er weit weniger Verspannungsschmerzen in seinem Bewe-
gungsapparat erdulden muss.
Lamiacae, Piperaceae und Rubiaceae und ihre Unterschiede
Lamiacae
Verlangen nach Erregung (körperlich)
Stumpfheit, Benommenheit
Piperaceae
Verlangen nach Unterhaltung (emotional)
Langeweile
Rubiaceae
Verlangen nach Stimulation (mental)
Stumpfheit, Überreizung
Die anthroposophische Perspektive:
Besonders interessant ist,
die beiden Familien der Piperaceae und der Lamiaceae gegen-
überzustellen und ihre – trotz offensichtlicher Gemeinsamkeiten
der homöopathisch beschriebenen Vitalempfindung – funda-
mentale Verschiedenheit zu verstehen. Beide, Piperaceen und
Lamiaceen, sind Gewürzpflanzen, die ganz im Wärmeprinzip zu
Hause sind, also Einfluss auf unsere Wärmeregulation nehmen,
jedoch auf sehr unterschiedliche und gegensätzliche Weise.
Gemäß der anthroposophischen Weltanschauung stützt sich
unsere Ichbildung hauptsächlich auf den Wärmeorganismus,
weshalb die Gewürzpflanzen, die auf diesen einwirken, eine
enge Beziehung zur Ich-Organisation haben. So wenden sich
die Piperaceen an ein Ich, das sich immer wieder ins Keimhafte,
in die kugelige Einheit zurückzieht, und wecken es auf mit ihrer
heißen konzentrierten Schärfe. Im ältesten und sprichwörtli-
chen Gewürz, dem Pfefferkorn, wird die würzige Schärfe in
eine kleine harte Kugel zusammengezogen, die nach außen
ganz unwirksam erscheint, nicht riecht und nicht schmeckt.
Erst gemahlen entfaltet sie ihren Reichtum.
Die Labiaten hingegen verströmen ihren Wärmeorganismus
frei in die Umgebung: Ätherische Öle lösen sich förmlich in
der Wärme auf, sind selbst schnell brennbar, lösen aber im
Kontakt mit unseren Sinnen eher Kältegefühle aus. Homöo-
pathisch gesehen helfen sie in einem Zustand, in welchem zu
stark die sinnliche Erregung gesucht wird, zur Sucht wird, wo
das Ich sich an die Reize verliert. Wer einmal bildlich erfahren
möchte, wie sich Lebewesen ohne steuernde Ich-Ebene völlig
an Reize verlieren können, kann sich auf youtube anschauen,
wie Katzen auf Gamander reagieren. Die heiß-kühle Würze der
Labiaten wirkt besonders auf die Schleimhäute, auf die Bereiche,
wo der Übergang zwischen Außen- und Innenwelt stattfindet,
wo Menschen schon mal „die Nase voll“ haben, wenn es der
Reize zu viele sind.
Entwicklungslogik der Pflanzen:
Die Frage ergibt sich, warum
dieser Unterschied auf die beschriebene Weise besteht. Können
wir eine Logik oder Struktur oder gar Entwicklung innerhalb der
Empfindungen in den Pflanzenfamilien verstehen? Die Emp-
findungsmethode als solche gibt uns dazu keinen Hinweis. Im
Gegensatz zu den Mineralen und Tieren, deren Entwicklungs-
logik wesentlicher Teil unseres Verständnisses ist, werden die
Pflanzenfamilien in der Empfindungsmethode bisher einfach
aufgelistet und die dazu gehörenden Vitalempfindungen ohne
erkennbaren Zusammenhang nebeneinandergestellt. Abhilfe
schafft hier ein Blick auf die Evolution der Pflanzen, die uns
gewöhnlich nicht so bewusst ist, weil sie nicht so auf der Hand
liegt wie die unterschiedliche Organisationshöhe der Tiere. Dass
ein Farn und ein Thymian entwicklungsgeschichtlich ebenso
weit voneinander entfernt sind wie ein Frosch und ein Pferd,
kann uns noch einleuchten, aber dass auch eine Ringelblume
evolutiv so weit von der Magnolie entfernt ist wie ein Affe von
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