Flipbook Leseprobe - page 12

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LAMIACEAE ¦ PIPERACEAE
SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
ANGELIKA BOLTE, JÖRG WICHMANN ¦
 PIPER METHYSTICUM: PIPER NIGRUM: TEUCRIUM SCORODONIUM
bewegen, auch wenn sie der Umgebung möglicherweise auf die
Nerven gehen. Obwohl die Pflanzengattung Piper 1.200 Spezies
umfasst und die Familie der Piperaceen fast 2.000, verwenden
wir nur vier von diesen homöopathisch. Interessante andere
Pflanzen aus der Familie wie z. B. Betel (Piper betle) werden
bisher noch nicht eingesetzt. Neben der stimmungsaufhellen-
den und stimulierenden oder beruhigenden Wirkung sind die
Pfeffergewächse vor allem als Aphrodisiaka bekannt, z. B. Piper
longum (Langer Pfeffer) und Matico.
PFEFFERGEWÄCHSE UND MIASMA
Piper nigrum (Pip-n)
Sykose-Miasma Schwarzer
Pfeffer;
Black Pepper
Piper angustifolium (Mati)
Sykose-Miasma
Matico;
Matico
Piper methysticum (Pip-m) Krebs-Miasma Rauschpfeffer;
Kava-Kava
Piper cubeba/Cubeba (Cub) Lepra-Miasma Kubebenpfeffer;
Cubebs Pepper
Bevor wir uns mit der Gegenüberstellung zweier Familien be-
schäftigen, hier zunächst noch ein weiterer interessanter Fall.
Fallbeispiel 3: Patient, 40 Jahre alt, Suchtproblematik,
innere Unruhe, Kondylome, Ekzeme im
Gesicht, Herpes, Kopfschmerzen, mit dem
Kernsatz: „Das Beste ist die Erwartung!“
Fallaufnahme:
Andreas ist Anfang 40 und Eventmanager, ein
sehr lebhafter, intensiver Mann, der viel redet und lacht und
mit Worten und Gesten ständig offensiv flirtet. Er kommt schon
lange wegen seiner Suchtproblematik und inneren Unruhe und
leidet auch unter Kondylomen, Ekzemen im Gesicht, Herpes und
Kopfschmerzen. Hier Auszüge aus mehreren Anamnesen, die
seine Art sich auszudrücken zeigen.
Aussagen des Patienten, zusammengefasst:
„Da ist ein Bro-
deln unter der Haut, es juckte, zog unter der Haut her, an Armen
und Gesicht. Es bewegt sich und pocht, > kühlen. Unter der
Haut wuselt was. Da bin ich ganz träge und lichtempfindlich.
Es geht mir auf den Sack, bin müde und gereizt. Es krabbelt
unter der Haut und ich vertrage keine Berührung, ein Pochen,
eine Wellenbewegung. Dieses Juckgefühl unter der Haut zieht
sich nach oben. Ich möchte wach werden und es ist nicht mehr
da. Es brennt, ist heiß, eine Wallung, viel < in der Sonne. Eine
Wallung, eine Beklemmung, es drückt wie unter Wasser. Bes-
ser geht es beim Arbeiten mit einem Ziel und in Bewegung.
Ich brauche drei Tage zum Entgiften, bin ganz aufgedreht und
setze da ganz viel Energie frei. Ich habe oft Suchtgefühle in
mir, total getrieben, wie ein Schwungrad. Mein Kopf ist voller
Getöse, Gedankenflucht. Ich habe wieder zugenommen, bin
eine Fettqualle. Habe mit Süßigkeiten kompensiert. Mit Gras
werde ich ganz kreativ. Bin dann ein Schauspieler.“
ANALYSE
Andreas erzählt, dass er in Rauschzuständen extrem kreative
Phasen hat und ganze Kneipen stundenlang unterhalten kann
mit Musik, Geschichten, Witzen. Da verliert er alle Hemmun-
gen und kann ganze Nächte durchmachen. In seinen Exzessen
braucht er unterschiedliche Drogen, immer Alkohol und viel Sex,
wovon er gern und detailliert erzählt. Nach all diesen Reizen ist
er süchtig und hält sich während der notwendigen Arbeitspha-
sen damit aufrecht, dass er sich auf den nächsten Exzess freuen
kann. Immer wieder landet er aber auch im Gegenpol, wenn
die Droge nicht den erwarteten Kick bringt oder die Stimmung
in die Antriebslosigkeit kippt. Noch einmal seine Worte:
Patientenbericht:
„Vorfreude ist so geil, habe dann schlag-
artig gute Laune. Das Beste ist die Erwartung. (…) Mit Koks
dann eher Rückzug, am Rechner, bin dann in meinen Gedanken
gefangen, sexuellen. Es ist aber nicht geil. Bin froh, wenn es
vorbei ist. Das wird zum Mittelpunkt des Lebens. Ich dränge das
Suchtgefühl zurück, aber das ist so anstrengend. Habe keine
Lust auf Leute, bin auf den Job fixiert, muss deshalb nicht zu
Freunden flüchten. Treffe mich selten mit denen. Alkohol war
oft der Schlüssel ins Außen. Es war das Besaufen. Habe jetzt
keine große Freude in mir, kriege den A. nicht hoch. So viele
Jahren mit Drogen. Koche jetzt total gern – bin dann im Flow.
Mache Musik und habe Textideen. Ich bin gedrückt von allen
Seiten. Habe keinen Antrieb. Mache dann einfach Liegestütze,
bin so ein Macher. Bei Koks immer große Vorfreude, Drogen
sind eine Belohnung. Beim Kochen jetzt die kleine Entspannung,
lasse mich da fallen. Wie Vorfreude auf Weihnachten. Ich mag
Reize, springe auf jeden Gedanken. Eine große Unruhe in mir.
Fokussiere mich durch Arbeit, dann wird der Kopf ruhig. Es ist in
mir zerfallen, eine innere Anarchie. Stehe sehr unter Spannung.
Würde mich gern auf was freuen, das wäre so schön, aber die
Reize kommen nicht rein. Ich bin nicht da. Hatte als Kind schon
solche Zustände. Ich habe große Angst vor Enge, engen Räumen
und engen Verhältnissen, brauche viel Freiheit.“
Kommentar und Verschreibung:
Es ließen sich noch viele
Seiten mit den Beschreibungen seiner Zustände, Ideen, Emp-
findungen und Beschwerden füllen, stets mit großer Intensität
vorgetragen und jedes Mal anders. Mühelos lässt sich aus die-
ser Fülle eine ganze Reihe von Mitteln jeweils überzeugend
begründen. Fälle mit einer übergroßen Fülle können zuweilen
schwieriger zu klären sein als die ganz kargen. Was ist hier
das Wesentliche? Jahrelang hat er – neben einer Reihe von
Fehlverschreibungen – immer wieder Medorrhinum, verschie-
dene Drogenmittel und Cantharis bekommen, was ihm situativ
immer wieder geholfen hat, aber seine Grundproblematik blieb
bestehen. Schließlich wurde deutlich, dass nicht das Was seines
Erlebens den Schlüssel zum Mittel bildete, sondern die Sucht
nach all diesen Reizen selbst. Und der gemeinsame Nenner
der Reize ist, dass sie intensiv sinnlich erlebt werden wollen:
Saufen, Sex, Kochen, zuweilen auch Sport, diverse Drogen, im
Flow sein, exzessiv arbeiten. Egal was, Hauptsache intensiv und
sinnlich als Lust erfahren.
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