Ein Kaninchen mit Augenverletzung: ein Physostigma Fall

Von Anne Verkinderen

Snout ist das viel geliebte männliche Zwergkaninchen einer Familie. Es hatte sich einen unbeobachteten Moment zunutze gemacht, war in den Garten entwischt und wurde erst nach zwei Tagen wieder gefunden. Da hatte es eine Verletzung am rechten Auge, die von einem Stück alten Stacheldraht oder einem anderen Tier stammen konnte. Sein Besitzer desinfizierte das Auge mit einer Salbe und beobachtete das Kaninchen einen Tag lang, bevor er es in die Klinik brachte. Snouts Auge war infiziert und eiterte. Das Kaninchen war sehr ruhig und wollte nicht fressen, die Familie machte sich große Sorgen. Als Snout in die Sprechstunde gebracht wurde, hatte er ein Geschwür an der Hornhaut des rechten Auges, einen Riss in der vorderen Augenkammer, ein Glaukom und weißen Eiter, der aus dem Auge sickerte. Das Auge war enorm geschwollen, bis zum Scheitelpunkt seines Kopfes. Snout konnte das rechte Auge nicht schließen, das linke Ohr hing nach unten. Eine solche Schwellung ist sehr schmerzhaft, es war also kein Wunder, dass er ‚ein bisschen sehr ruhig‘ war.

 

Könnte man ein solches Auge überhaupt noch retten? Oder sollte man es auf der Stelle entfernen? Oder das Kaninchen gar einschläfern lassen? Normalerweise würde man in einem solchen Fall das Auge entweder entfernen oder das Tier einschläfern lassen. Die Besitzer entschieden sich gegen diese Eingriffe. Sie wollten das viele Geld für eine Operation nicht ausgeben und für alles andere wollten sie ein paar Tage abwarten bis ihre Kinder im Feriencamp waren. Sie hofften, ihnen damit den Kummer um ein todkrankes Kaninchen ersparen zu können. Sie baten mich um Schmerzmittel für ihr Kaninchen. Diesem Wunsch konnte ich nicht entsprechen, weil Kaninchen keine Schmerzmittel vertragen. Sie sind zu giftig. Es blieb also nur noch die Homöopathie übrig.

Während der Repertorisation fand ich eine wichtige Unterrubrik: AUGE – Glaukom – Verletzungen; nach, mit nur einem Mittel, nämlich Physostigma. Clarke schreibt in seiner Enzyklopädie: „Bei Glaukom wurde es mit außergewöhnlichem Erfolg dazu eingesetzt, um die intraokulare Spannung zu verringern, und ganz besonders wenn das Glaukom durch Verletzung entstanden war.“

Phatak schreibt: „Glaukom, insbesondere nach Verletzung.“ Ein weiteres Studium der Materia Medica gibt uns folgende Informationen über Physostigma: „ Gestörte Akkomodation, Zusammenziehungsgefühl der Lider, kann die Lider nicht schließen. Anhaltende Schmerzen am Scheitelpunkt des Kopfes.“ (Danach können wir in diesem Fall natürlich nicht fragen). Auch „Schmerzen oberhalb der Augen“ und „Zusammenziehung der Pupillen und des Akkommodationsmuskels.“ Zusätzlich schaute ich mir die großen Rubriken in Bezug auf Verletzungen des Auges näher an: AUGE – Verletzung, nach; AUGE – Glaukom – Verletzung, nach. Die folgenden Mittel kamen hier in Frage: Aconitum, Arnica und Physostigma, von denen Physostigma das angezeigte Mittel zu sein schien.

Verschreibung: Physostigma C30

Anmerkung: Heutzutage verschreibe ich eher niedrige Potenzen, nicht höher als C6 oder 12, damit ich die Mittel öfter wiederholen kann.

Follow ups

Am nächsten Tag: Snout frisst wieder und bewegt sich mehr; er sitzt nicht mehr nur reglos in der Ecke. Die Schwellung am Kopf ist zurückgegangen. Das Auge ist immer noch trüb, geschwollen und sondert einen weißen Eiter ab. Physostigma C30 wird wiederholt.

Einen Tag später: Das Auge ist weniger geschwollen, es sieht jetzt aus wie eine mit wässrigem Gelee gefüllte Tasche. Die Schwellung am Scheitelpunkt des Kopfes ist weg. Physostigma C30 wird wiederholt. Das Auge wird weiterhin besser: Die Schwellung lässt nach, das Kaninchen ist lebhafter geworden. Das Auge ist immer noch trüb.

In den folgenden Tagen geht das Glaukom zurück. Snout ist weiterhin lebhaft und frisst gut, der Gedanke, ihn einschläfern zu lassen, wird verworfen. Ein neues Mittel soll die noch bestehenden Beschwerden heilen, dazu werden folgende Rubriken hinzugezogen: AUGE – Geschwüre – Hornhaut; AUGE – Geschwüre – Hornhaut – tief; AUGE – Geschwüre – Hornhaut – Narben, durch. Diese letzte Rubrik beinhaltet folgende Mittel: Cadm-s, Euphr., Sil.

T.S. Hoyne schreibt in seinem Buch ‚Praxis der homöopathischen Heilkunst‘ über Euphrasia: „Trübung der Hornhaut nach Verletzungen am Auge. Der Patient klagt oft nach Verletzungen am Auge über Hornhauttrübungen. Im Falle von Euphrasia handelt es sich um eine entzündungsbedingte Konjunktivitis und geht einher mit wundfressenden und eitrigen Absonderungen, während Arnica ein gutes Mittel ist für Konjunktivitis in Folge einer Verletzung und meist eine Empfindung hervorruft wie gequetscht.“

Ein paar Tage später gab ich zwei Mittel im Wechsel: zwei Tage lang Euphrasia, dann Mercurius corrosivus, immer im Wechsel unter Berücksichtigung der Rubrik AUGE – Geschwüre – Hornhaut – tief: ars, euphr, Kali-bi, Merc-c; merc-i-f, merc-i-r, sil. Die Reaktion war sehr gut. Die Absonderungen wurden weniger, Wundschorf bildete sich über der Wunde und Snout konnte das Auge endlich wieder schließen.

Um die Pupille herum bildete sich ein roter Ring aus kleinen Kapillaren, ein Zeichen, dass das Gewebe wieder durchblutet wurde und der Heilungsprozess in die richtige Richtung verlief.

Snout war auf dem Weg der Besserung, aber das Ohr hing immer noch herab. Nach ein paar Wochen, in denen Euphrasia und Mercurius corrosivus im Wechsel gegeben wurden, stellten sich beide Ohren wieder auf. Das Geschwür war deutlich kleiner geworden und immer noch von Kapillaren umringt. Das Auge war jetzt blau.

Einen Monat später war das Geschwür komplett verschwunden, einige Kapillaren aber immer noch zu sehen. Mehrere Wochen später waren die Augen aber vollständig ausgeheilt. Der Pupillenreflex war wieder da, was anzeigte, dass er mit diesem Auge auch wieder sehen konnte. Ein super glückliches Kaninchen!

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Foto
Shutterstock: lion head rabbit; Viorel Sima

Kategorie: Fälle

Schlüsselwörter: Augenverletzung, kann die Lider nicht schließen, Schwellung am Scheitelpunkt des Kopfes, ruhig, frisst nicht.

Copyright: Interhomeopathy

Ein Kaninchen mit Augenverletzung: ein Physostigma Fall

Von Anne Verkinderen

Snout ist das viel geliebte männliche Zwergkaninchen einer Familie. Es hatte sich einen unbeobachteten Moment zunutze gemacht, war in den Garten entwischt und wurde erst nach zwei Tagen wieder gefunden. Da hatte es eine Verletzung am rechten Auge, die von einem Stück alten Stacheldraht oder einem anderen Tier stammen konnte. Sein Besitzer desinfizierte das Auge mit einer Salbe und beobachtete das Kaninchen einen Tag lang, bevor er es in die Klinik brachte. Snouts Auge war infiziert und eiterte. Das Kaninchen war sehr ruhig und wollte nicht fressen, die Familie machte sich große Sorgen. Als Snout in die Sprechstunde gebracht wurde, hatte er ein Geschwür an der Hornhaut des rechten Auges, einen Riss in der vorderen Augenkammer, ein Glaukom und weißen Eiter, der aus dem Auge sickerte. Das Auge war enorm geschwollen, bis zum Scheitelpunkt seines Kopfes. Snout konnte das rechte Auge nicht schließen, das linke Ohr hing nach unten. Eine solche Schwellung ist sehr schmerzhaft, es war also kein Wunder, dass er ‚ein bisschen sehr ruhig‘ war.

 

Könnte man ein solches Auge überhaupt noch retten? Oder sollte man es auf der Stelle entfernen? Oder das Kaninchen gar einschläfern lassen? Normalerweise würde man in einem solchen Fall das Auge entweder entfernen oder das Tier einschläfern lassen. Die Besitzer entschieden sich gegen diese Eingriffe. Sie wollten das viele Geld für eine Operation nicht ausgeben und für alles andere wollten sie ein paar Tage abwarten bis ihre Kinder im Feriencamp waren. Sie hofften, ihnen damit den Kummer um ein todkrankes Kaninchen ersparen zu können. Sie baten mich um Schmerzmittel für ihr Kaninchen. Diesem Wunsch konnte ich nicht entsprechen, weil Kaninchen keine Schmerzmittel vertragen. Sie sind zu giftig. Es blieb also nur noch die Homöopathie übrig.

Während der Repertorisation fand ich eine wichtige Unterrubrik: AUGE – Glaukom – Verletzungen; nach, mit nur einem Mittel, nämlich Physostigma. Clarke schreibt in seiner Enzyklopädie: „Bei Glaukom wurde es mit außergewöhnlichem Erfolg dazu eingesetzt, um die intraokulare Spannung zu verringern, und ganz besonders wenn das Glaukom durch Verletzung entstanden war.“

Phatak schreibt: „Glaukom, insbesondere nach Verletzung.“ Ein weiteres Studium der Materia Medica gibt uns folgende Informationen über Physostigma: „ Gestörte Akkomodation, Zusammenziehungsgefühl der Lider, kann die Lider nicht schließen. Anhaltende Schmerzen am Scheitelpunkt des Kopfes.“ (Danach können wir in diesem Fall natürlich nicht fragen). Auch „Schmerzen oberhalb der Augen“ und „Zusammenziehung der Pupillen und des Akkommodationsmuskels.“ Zusätzlich schaute ich mir die großen Rubriken in Bezug auf Verletzungen des Auges näher an: AUGE – Verletzung, nach; AUGE – Glaukom – Verletzung, nach. Die folgenden Mittel kamen hier in Frage: Aconitum, Arnica und Physostigma, von denen Physostigma das angezeigte Mittel zu sein schien.

Verschreibung: Physostigma C30

Anmerkung: Heutzutage verschreibe ich eher niedrige Potenzen, nicht höher als C6 oder 12, damit ich die Mittel öfter wiederholen kann.

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Am nächsten Tag: Snout frisst wieder und bewegt sich mehr; er sitzt nicht mehr nur reglos in der Ecke. Die Schwellung am Kopf ist zurückgegangen. Das Auge ist immer noch trüb, geschwollen und sondert einen weißen Eiter ab. Physostigma C30 wird wiederholt.

Einen Tag später: Das Auge ist weniger geschwollen, es sieht jetzt aus wie eine mit wässrigem Gelee gefüllte Tasche. Die Schwellung am Scheitelpunkt des Kopfes ist weg. Physostigma C30 wird wiederholt. Das Auge wird weiterhin besser: Die Schwellung lässt nach, das Kaninchen ist lebhafter geworden. Das Auge ist immer noch trüb.

In den folgenden Tagen geht das Glaukom zurück. Snout ist weiterhin lebhaft und frisst gut, der Gedanke, ihn einschläfern zu lassen, wird verworfen. Ein neues Mittel soll die noch bestehenden Beschwerden heilen, dazu werden folgende Rubriken hinzugezogen: AUGE – Geschwüre – Hornhaut; AUGE – Geschwüre – Hornhaut – tief; AUGE – Geschwüre – Hornhaut – Narben, durch. Diese letzte Rubrik beinhaltet folgende Mittel: Cadm-s, Euphr., Sil.

T.S. Hoyne schreibt in seinem Buch ‚Praxis der homöopathischen Heilkunst‘ über Euphrasia: „Trübung der Hornhaut nach Verletzungen am Auge. Der Patient klagt oft nach Verletzungen am Auge über Hornhauttrübungen. Im Falle von Euphrasia handelt es sich um eine entzündungsbedingte Konjunktivitis und geht einher mit wundfressenden und eitrigen Absonderungen, während Arnica ein gutes Mittel ist für Konjunktivitis in Folge einer Verletzung und meist eine Empfindung hervorruft wie gequetscht.“

Ein paar Tage später gab ich zwei Mittel im Wechsel: zwei Tage lang Euphrasia, dann Mercurius corrosivus, immer im Wechsel unter Berücksichtigung der Rubrik AUGE – Geschwüre – Hornhaut – tief: ars, euphr, Kali-bi, Merc-c; merc-i-f, merc-i-r, sil. Die Reaktion war sehr gut. Die Absonderungen wurden weniger, Wundschorf bildete sich über der Wunde und Snout konnte das Auge endlich wieder schließen.

Um die Pupille herum bildete sich ein roter Ring aus kleinen Kapillaren, ein Zeichen, dass das Gewebe wieder durchblutet wurde und der Heilungsprozess in die richtige Richtung verlief.

Snout war auf dem Weg der Besserung, aber das Ohr hing immer noch herab. Nach ein paar Wochen, in denen Euphrasia und Mercurius corrosivus im Wechsel gegeben wurden, stellten sich beide Ohren wieder auf. Das Geschwür war deutlich kleiner geworden und immer noch von Kapillaren umringt. Das Auge war jetzt blau.

Einen Monat später war das Geschwür komplett verschwunden, einige Kapillaren aber immer noch zu sehen. Mehrere Wochen später waren die Augen aber vollständig ausgeheilt. Der Pupillenreflex war wieder da, was anzeigte, dass er mit diesem Auge auch wieder sehen konnte. Ein super glückliches Kaninchen!

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Shutterstock: lion head rabbit; Viorel Sima

Kategorie: Fälle

Schlüsselwörter: Augenverletzung, kann die Lider nicht schließen, Schwellung am Scheitelpunkt des Kopfes, ruhig, frisst nicht.

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