Das Kind verweigert die Brust – und nun?

von Patricia Hatherly

 

Ein 15 Monate altes Mädchen wird von ihrer Mutter mit einem Infekt der oberen Atemwege in meine Praxis gebracht. Sie ist wegen ihrer multiplen Nahrungsmittelunverträglichkeiten und einer vermutlichen Fruktose-Intoleranz seit ihrer Geburt bei mir in Behandlung. Ihr Konstitutionsmittel ist Natrium carbonicum, die Mutter und das Mädchen folgen einer strengen Ausschlussdiät.

 

Am Nachmittag zuvor war die Kleine mit Fieber und hochrotem Gesicht erkrankt und hatte von der Mutter bereits Belladonna und anschließend Pulsatilla bekommen. Pulsatilla wurde gegeben, weil das Mädchen abends sehr anhänglich wurde und vor Kurzen zum ersten Mal Butter gegessen hatte.

 

Am folgenden Morgen bekommt das Mädchen Atemprobleme, sie kann nur schlecht Luft holen und atmet flach und schnell. Sie verweigert feste Speisen, trinkt aber viel und nimmt Suppe zu sich. In der Tat hat sie großen Durst. Ihre Mutter berichtet, dass sie sich „heiser“ anhöre und der Stuhl dunkel und schleimig sei. Sie äußert den Verdacht, dass der Appetitverlust ihrer Tochter auf Übelkeit zurückzuführen sein könne, weil sich durch den Diätfehler zu viel Schleim im Magen bildet.

 

Das Mädchen ist eher schüchtern und dreht auch heute ihren Kopf zur Seite als ich sie anspreche. Ihr Konstitutionsmittel Nat-c. ist in allen wichtigen Rubriken vertreten, wenn auch nicht in den hohen Wertigkeiten, und die Ursache des akuten Infekts ist möglicherweise in einem Diätfehler zu finden. Ich beschließe, ihr Nat-c. zu geben, in der LM2 Potenz, normalerweise bekommt sie eine C30.

 

 

Die Reaktion der kleinen Patientin auf die Mittelgabe ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung und bringt uns die Rubrik ‚Abneigung, bestimmte Menschen, gegen‘ auf ganz unerwartete Art und Weise näher: das Mädchen verweigert von nun an die Brust! Zuerst nimmt sie noch die Brustwarze in den Mund, will dann aber nicht trinken, lässt die Brustwarze wieder los, nur um den Kopf wegzudrehen und zu weinen. Ihre Mutter versucht wirklich alles, um ihre Tochter wieder an die Brust zu bekommen: Sie singt ihr vor, nimmt ein warmes Bad mit ihr um sie spielerisch wieder zum Trinken zu bewegen, legt sich neben das schlafende Kind um sie im Schlaf stillen zu können, aber nichts hilft. Auch als die Mutter ihr im Schlaf sanft mit den Fingerspitzen über die Lippen streicht, um sie doch noch zum Saugen zu bewegen, dreht das Mädchen sich sofort weg. Innerhalb von 24 Stunden dreht die kleine Patientin den Kopf, sobald sie nur die Brust der Mutter sieht. Die Mutter beschließt, ihre Milch abzupumpen, was das Kind gerne annimmt. Auch Wasser und Suppe nimmt sie ohne Probleme zu sich, feste Nahrung verweigert sie weiterhin. Ich beschließe zusammen mit der Mutter, dass ihr einige Tage ohne ‚richtiges‘ Essen nicht schaden werden, schließlich ist sie ein recht properes Mädchen. Für die Mutter bedeutet das allerdings mehr Stress, weil sie ständig Milch abpumpen und außerdem noch ältere Geschwister versorgen muss, die auch noch zu Hause unterrichtet werden.

 

Während das Mädchen die Brust verweigert geht auch das Fieber zurück, jetzt melden sich aber beide Trommelfelle, die gerötet sind und der Patientin offensichtlich Unbehagen bereiten – sie reibt sich oft an den Ohren. Sie ist nicht mehr so heiser, hechelt aber beim Atmen noch sehr. Sie macht allgemein einen sehr ‚schlappen‘ Eindruck, schläft jedoch schlecht und jammert sehr viel. Gleichzeitig kommt keine richtige ‚Routine‘ zustande. Ihr Stuhl ist mittlerweile schaumig geworden.

 

Nat-c. wird abgesetzt. Ich überarbeite den Fall und studiere noch einmal die Mittel, die in meiner Repertorisation einen hohen Rang einnahmen. Ich beschließe, der kleinen Patientin zur Linderung der Ohrenschmerzen Cham. C30 zu geben – das launische Verhalten, die flache Atmung und die allgemeine Schwäche geben mir wichtige Hinweise.

 

 

Die in diesem Fall auffällige Überreiztheit und gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen und bestimmten Nahrungsmitteln ist ein großes Thema in der Familie, das mehrere Generationen zurückreicht. Wir haben es hier mit einer aktiven Sykose zu tun. Allerdings deuten die allgemeine Schwäche, die mangelnde Funktionsfähigkeit auf mehreren Ebenen und der Verlust des ureigenen Instinktes der Säugetiere – das Saugen an der Brust – auf ein psorisches Geschehen hin. Als Folgemittel zu Chamomilla gebe ich Morgan pure C30 um den Fall zu sortieren und mir ein klareres Bild verschaffen zu können.

Die entzündeten Atemwege und die Ohren beruhigen sich etwas, auch die Atmung wird ein wenig besser. Dafür wird die Kleine zunehmend verschleimt und will nun nicht mehr trinken. Sie scheint so viel Schleim im Verdauungstrakt zu haben, dass ihr schlecht davon wird und sie nichts mehr zu sich nehmen will. Die Mutter berichtet, dass sie buchstäblich hören kann, wie ihre Tochter den Schleim verschluckt und äußert den Gedanken, dass es vielleicht besser sei, wenn sie ihn erbrechen würde. Obgleich die Patientin keine Anzeichen eines Flüssigkeitsmangels erkennen lässt, scheidet sie weniger Harn aus als sonst. Das macht uns Sorgen.

 

Die Verschleimung tritt jetzt in den Vordergrund und wird zum wichtigen Symptom. Ant-t. ist in beiden Repertorisationen vertreten und als ich in meiner Materia Medica nachlese, finde ich zu meiner Freude folgendes Symptom: „Säuglinge lassen die Brustwarzen los und weinen, als seien sie außer Atem.“ Jetzt kann ich verstehen, warum ein zufriedenes Brustkind von heute auf morgen die Brust bestreikt. Ich repertorisiere ein weiteres Mal und verschreibe Ant-t. C30.

Zum ersten Mal seit einer Woche schläft die Patientin wieder durch. Als sie am Morgen aufwacht hat sie Hunger und nimmt die angebotene Brust mit sichtlichem Vergnügen an, was natürlich alle Beteiligten sehr glücklich macht.

Das Kind verweigert die Brust – und nun?

von Patricia Hatherly

 

Ein 15 Monate altes Mädchen wird von ihrer Mutter mit einem Infekt der oberen Atemwege in meine Praxis gebracht. Sie ist wegen ihrer multiplen Nahrungsmittelunverträglichkeiten und einer vermutlichen Fruktose-Intoleranz seit ihrer Geburt bei mir in Behandlung. Ihr Konstitutionsmittel ist Natrium carbonicum, die Mutter und das Mädchen folgen einer strengen Ausschlussdiät.

 

Am Nachmittag zuvor war die Kleine mit Fieber und hochrotem Gesicht erkrankt und hatte von der Mutter bereits Belladonna und anschließend Pulsatilla bekommen. Pulsatilla wurde gegeben, weil das Mädchen abends sehr anhänglich wurde und vor Kurzen zum ersten Mal Butter gegessen hatte.

 

Am folgenden Morgen bekommt das Mädchen Atemprobleme, sie kann nur schlecht Luft holen und atmet flach und schnell. Sie verweigert feste Speisen, trinkt aber viel und nimmt Suppe zu sich. In der Tat hat sie großen Durst. Ihre Mutter berichtet, dass sie sich „heiser“ anhöre und der Stuhl dunkel und schleimig sei. Sie äußert den Verdacht, dass der Appetitverlust ihrer Tochter auf Übelkeit zurückzuführen sein könne, weil sich durch den Diätfehler zu viel Schleim im Magen bildet.

 

Das Mädchen ist eher schüchtern und dreht auch heute ihren Kopf zur Seite als ich sie anspreche. Ihr Konstitutionsmittel Nat-c. ist in allen wichtigen Rubriken vertreten, wenn auch nicht in den hohen Wertigkeiten, und die Ursache des akuten Infekts ist möglicherweise in einem Diätfehler zu finden. Ich beschließe, ihr Nat-c. zu geben, in der LM2 Potenz, normalerweise bekommt sie eine C30.

 

 

Die Reaktion der kleinen Patientin auf die Mittelgabe ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung und bringt uns die Rubrik ‚Abneigung, bestimmte Menschen, gegen‘ auf ganz unerwartete Art und Weise näher: das Mädchen verweigert von nun an die Brust! Zuerst nimmt sie noch die Brustwarze in den Mund, will dann aber nicht trinken, lässt die Brustwarze wieder los, nur um den Kopf wegzudrehen und zu weinen. Ihre Mutter versucht wirklich alles, um ihre Tochter wieder an die Brust zu bekommen: Sie singt ihr vor, nimmt ein warmes Bad mit ihr um sie spielerisch wieder zum Trinken zu bewegen, legt sich neben das schlafende Kind um sie im Schlaf stillen zu können, aber nichts hilft. Auch als die Mutter ihr im Schlaf sanft mit den Fingerspitzen über die Lippen streicht, um sie doch noch zum Saugen zu bewegen, dreht das Mädchen sich sofort weg. Innerhalb von 24 Stunden dreht die kleine Patientin den Kopf, sobald sie nur die Brust der Mutter sieht. Die Mutter beschließt, ihre Milch abzupumpen, was das Kind gerne annimmt. Auch Wasser und Suppe nimmt sie ohne Probleme zu sich, feste Nahrung verweigert sie weiterhin. Ich beschließe zusammen mit der Mutter, dass ihr einige Tage ohne ‚richtiges‘ Essen nicht schaden werden, schließlich ist sie ein recht properes Mädchen. Für die Mutter bedeutet das allerdings mehr Stress, weil sie ständig Milch abpumpen und außerdem noch ältere Geschwister versorgen muss, die auch noch zu Hause unterrichtet werden.

 

Während das Mädchen die Brust verweigert geht auch das Fieber zurück, jetzt melden sich aber beide Trommelfelle, die gerötet sind und der Patientin offensichtlich Unbehagen bereiten – sie reibt sich oft an den Ohren. Sie ist nicht mehr so heiser, hechelt aber beim Atmen noch sehr. Sie macht allgemein einen sehr ‚schlappen‘ Eindruck, schläft jedoch schlecht und jammert sehr viel. Gleichzeitig kommt keine richtige ‚Routine‘ zustande. Ihr Stuhl ist mittlerweile schaumig geworden.

 

Nat-c. wird abgesetzt. Ich überarbeite den Fall und studiere noch einmal die Mittel, die in meiner Repertorisation einen hohen Rang einnahmen. Ich beschließe, der kleinen Patientin zur Linderung der Ohrenschmerzen Cham. C30 zu geben – das launische Verhalten, die flache Atmung und die allgemeine Schwäche geben mir wichtige Hinweise.

 

 

Die in diesem Fall auffällige Überreiztheit und gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen und bestimmten Nahrungsmitteln ist ein großes Thema in der Familie, das mehrere Generationen zurückreicht. Wir haben es hier mit einer aktiven Sykose zu tun. Allerdings deuten die allgemeine Schwäche, die mangelnde Funktionsfähigkeit auf mehreren Ebenen und der Verlust des ureigenen Instinktes der Säugetiere – das Saugen an der Brust – auf ein psorisches Geschehen hin. Als Folgemittel zu Chamomilla gebe ich Morgan pure C30 um den Fall zu sortieren und mir ein klareres Bild verschaffen zu können.

Die entzündeten Atemwege und die Ohren beruhigen sich etwas, auch die Atmung wird ein wenig besser. Dafür wird die Kleine zunehmend verschleimt und will nun nicht mehr trinken. Sie scheint so viel Schleim im Verdauungstrakt zu haben, dass ihr schlecht davon wird und sie nichts mehr zu sich nehmen will. Die Mutter berichtet, dass sie buchstäblich hören kann, wie ihre Tochter den Schleim verschluckt und äußert den Gedanken, dass es vielleicht besser sei, wenn sie ihn erbrechen würde. Obgleich die Patientin keine Anzeichen eines Flüssigkeitsmangels erkennen lässt, scheidet sie weniger Harn aus als sonst. Das macht uns Sorgen.

 

Die Verschleimung tritt jetzt in den Vordergrund und wird zum wichtigen Symptom. Ant-t. ist in beiden Repertorisationen vertreten und als ich in meiner Materia Medica nachlese, finde ich zu meiner Freude folgendes Symptom: „Säuglinge lassen die Brustwarzen los und weinen, als seien sie außer Atem.“ Jetzt kann ich verstehen, warum ein zufriedenes Brustkind von heute auf morgen die Brust bestreikt. Ich repertorisiere ein weiteres Mal und verschreibe Ant-t. C30.

Zum ersten Mal seit einer Woche schläft die Patientin wieder durch. Als sie am Morgen aufwacht hat sie Hunger und nimmt die angebotene Brust mit sichtlichem Vergnügen an, was natürlich alle Beteiligten sehr glücklich macht.





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