Ich weiß nicht, wer ich bin: ein Fall von Tricyrtis hirta

Von Martin Jakob

Die 25-jährige Patientin kommt wegen eines Burnouts in die Sprechstunde. Zu ihrem Beschwerdebild gehören Schwindel, Angst vor Krankheiten, ein rezidivierender Candida-Befall des Genitalbereichs und eine bakteriell bedingte Vaginitis.

Mit kranken Menschen kann sie nicht umgehen, weil sie sich vor ihnen fürchtet. Sie hat große Angst, sich anzustecken, es fühlt sich an, als würde etwas von ihr Besitz ergreifen. Manchmal leidet sie unter plötzlichen Schwindelanfällen, z.B. beim Autofahren. Es scheint als würde sie den Boden unter den Füßen oder ihr Gleichgewicht verlieren.

Ihre Schwester starb nach langer Krankheit, als sie selbst noch ein Kind war. Daraufhin musste sie erwachsen werden. Über den Tod der Schwester wurde in der Familie nicht mehr gesprochen, die ganze Aufmerksamkeit der Eltern galt nun ihr. Noch heute fühlt sich die Patientin ihren Eltern sehr verbunden. Als ihre Schwester noch lebte, hatte diese wegen ihrer Krankheit immer im Mittelpunkt gestanden.

Die Patientin lebt in keiner festen Beziehung und fühlt sich deswegen sehr einsam. Sie arbeitet in der Werbebranche, hatte aber vor kurzem einen Burnout und musste krankgeschrieben werden, da sie von ihren Vorgesetzten gemobbt wurde. Sie fühlt sich zu Unrecht angegriffen und leidet unter dem hohen Arbeitsdruck in der Firma. Aufgrund der chronischen Erschöpfung und des Schwindels befürchtet sie, ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können. Ihr Hausarzt führt den Schwindel auf Eisenmangel zurück. Nach ihrer Krankschreibung konnte die Patientin nicht an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren, da er weitervergeben wurde. Es macht sie krank, weil sie „keinen Platz mehr“ hat.

Sie denkt oft darüber nach, was im Leben eigentlich machen möchte und überlegt, noch einmal etwas Neues anzufangen. Von ihren Freunden lässt sie sich leicht beeinflussen. Sie fragt sich oft, wer sie ist und wo sie hingehört. Sie äußert das Gefühl, ständig ihre eigene, innere Stimme zu verlieren, weil so viele Leute ihr etwas vorschreiben wollen und sie nicht wirklich weiß, was sie will. Es ist, als würde sie nur den Stimmen von außen folgen, wie ein Kind, das von seinen Eltern gesagt bekommt, was es anziehen soll. Mit ihrer Figur und ihrem äußeren Erscheinungsbild ist sie nicht zufrieden, sie empfindet sich als wenig attraktiv, dabei sieht sie jünger aus, als sie ist. Sie stellt ihre Beziehung zu ihrem jetzigen Partner in Frage und überlegt, ob er Affären mit anderen Frauen hat. Beziehungen sind oft ein großes „Hin und Her“ – manchmal klappt es und manchmal nicht. Die Beziehung zu ihrem Freund empfindet sie nur als halbe Beziehung. Einmal hatte sie einen jüngeren Partner gehabt und wurde von dessen Freundeskreis ausgeschlossen, weil sie „zu alt“ für ihn gewesen sei. In ihrer jetzigen Beziehung fühlt sie sich oft fehl am Platz, verunsichert und nachgiebig. Die erste feste Beziehung der Patientin war sehr plötzlich in die Brüche gegangen, noch kurze Zeit vor der Trennung hatte das Paar über Kinder und einen gemeinsamen Haushalt gesprochen. Anschließend war ihr Freund allein verreist, kam zurück und erklärte die Beziehung für beendet. Es dauerte lange, bis die Patientin darüber hinweg war.

Speisen: Abneigung: Käse, Milch; < Knoblauch

Weibliche Genitalien: schmerzhafte, klumpige Regelblutungen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen vor den Menses

Wetter: < Sonne, Kopfschmerzen; Sonnenbrille amel.

Zeit: 12.00 Uhr mittags.

< Karussel, Achterbahn.

Analyse

Kohlenstoffserie: Tod der Schwester, Furcht vor Krankheit, in der Familie wird nicht viel geredet.

Liliidae: fühlt sich einsam, ohne feste Beziehung, Beziehungsprobleme, sieht jünger aus, als sie ist; Infekte im Genitalbereich.

Phase 6 (Liliales): plötzliches Ende einer Beziehung, ohne Begründung, der Partner hat eine andere Frau; sie fühlt sich fehl am Platz, sie wird gemobbt und verliert ihren Arbeitsplatz an jemand anderen; die Schwester bekam viel Aufmerksamkeit, sie war vom Freundskreis ausgeschlossen; sie ist unzufrieden mit ihrer Figur, fühlt sich wenig attraktiv.

Subphase 3: Schwindel, < Karussel, Achterbahn; Beziehungs-‚Hin und Her‘, halbe Beziehung; lässt sich von ihren Freunden leicht beeinflussen, etwas nimmt von ihr Besitz, keinen festen Boden unter den Füßen (DD Bor), sie stellt Dinge in Frage (man könnte sie als ‚verwirrt‘ bezeichnen); sie kann nicht auf ihre innere Stimme hören, weil zu viele Leute etwas von ihr wollen; sie selbst weiß nicht, was sie will; sie ist sehr loyal.

Stadium 3: fragt sich, wie sie weitermachen soll, was sie wirklich will; ob sie etwas ganz Neues anfangen soll; fragt sich, wer sie wirklich ist (DD Bor), Dreiecksbeziehung.

Verschreibung: Tricyrtis hirta

Follow-up

Die Patientin war schon seit Jahren bei mir in Behandlung und ich hatte ihr viele Mittel gegeben: Bor, Borax, Alumina, Aluminium sulfuricum, Scandium, Aristolochia clematis, Agraphisnutans etc. Nichts hatte tiefgehende Veränderungen herbeigeführt. Mit Tricyrtis hirta trat eine Wende ein: Die Patientin erzählt, dass sie mit jeder Gabe an Selbstvertrauen gewinnt. Sie fühlt sich stark und glücklich. Sie hat gelernt, authentisch zu sein und passt sich nicht mehr um jeden Preis an. Sie hat sich selbst besser kennengelernt und weiß jetzt, wer sie ist und was sie will. Sie weiß, wo sie hingehört und welchen Weg sie gehen möchte. Das trifft auch auf ihre Beziehungen zu Männern und Freunden zu. Ihre Ängste, der Schwindel und die vielen Infekte im Genitalbereich sind fast vollständig verschwunden.

Kommentar

Das Interessante an diesem Fall war, dass ich ein mir völlig unbekanntes Mittel erfolgreich verschreiben konnte. Die Themen aus Stadium 3 waren bei dieser Patientin sehr deutlich zu erkennen und ich hatte schon einige Mittel aus diesem Stadium verschrieben. Auch mit Oxygenium und anderen Sauerstoffverbindungen hatte ich es probiert, aber keinen richtigen Erfolg gehabt. Die Themen der einzelnen Mittel waren jedoch klar vorhanden. Die Pflanze Tricyrtis hirta mit der Nummer 633.63.03 deckt die Gesamtheit der Symptome ab: 6 = Angiospermen,3 = Siliziumserie (Familie, Beziehung), 3 = Betonung der Siliziumserie (zweifache Beziehungs- und Familienthemen), dann Phase 6 = Sauerstoff-Qualitäten,  Subphase 3 (DD Bor) und schließlich Stadium 3 = zeigt, wie die Patientin mit der Situation umgeht. In sehr komplexen Fällen lohnt es sich oft, ein Pflanzenmittel in Betracht zu ziehen.


Foto: © Laura Bartlett shutterstock.com
Kategorie: Fälle
Schlüsselwörter: Burnout, Furcht vor Krankheit, Candida im Genitalbereich, Beziehungsprobleme, ausgeschlossen sein.
Mittel: Tricyrtis hirta.

Ich weiß nicht, wer ich bin: ein Fall von Tricyrtis hirta

Von Martin Jakob

Die 25-jährige Patientin kommt wegen eines Burnouts in die Sprechstunde. Zu ihrem Beschwerdebild gehören Schwindel, Angst vor Krankheiten, ein rezidivierender Candida-Befall des Genitalbereichs und eine bakteriell bedingte Vaginitis.

Mit kranken Menschen kann sie nicht umgehen, weil sie sich vor ihnen fürchtet. Sie hat große Angst, sich anzustecken, es fühlt sich an, als würde etwas von ihr Besitz ergreifen. Manchmal leidet sie unter plötzlichen Schwindelanfällen, z.B. beim Autofahren. Es scheint als würde sie den Boden unter den Füßen oder ihr Gleichgewicht verlieren.

Ihre Schwester starb nach langer Krankheit, als sie selbst noch ein Kind war. Daraufhin musste sie erwachsen werden. Über den Tod der Schwester wurde in der Familie nicht mehr gesprochen, die ganze Aufmerksamkeit der Eltern galt nun ihr. Noch heute fühlt sich die Patientin ihren Eltern sehr verbunden. Als ihre Schwester noch lebte, hatte diese wegen ihrer Krankheit immer im Mittelpunkt gestanden.

Die Patientin lebt in keiner festen Beziehung und fühlt sich deswegen sehr einsam. Sie arbeitet in der Werbebranche, hatte aber vor kurzem einen Burnout und musste krankgeschrieben werden, da sie von ihren Vorgesetzten gemobbt wurde. Sie fühlt sich zu Unrecht angegriffen und leidet unter dem hohen Arbeitsdruck in der Firma. Aufgrund der chronischen Erschöpfung und des Schwindels befürchtet sie, ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können. Ihr Hausarzt führt den Schwindel auf Eisenmangel zurück. Nach ihrer Krankschreibung konnte die Patientin nicht an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren, da er weitervergeben wurde. Es macht sie krank, weil sie „keinen Platz mehr“ hat.

Sie denkt oft darüber nach, was im Leben eigentlich machen möchte und überlegt, noch einmal etwas Neues anzufangen. Von ihren Freunden lässt sie sich leicht beeinflussen. Sie fragt sich oft, wer sie ist und wo sie hingehört. Sie äußert das Gefühl, ständig ihre eigene, innere Stimme zu verlieren, weil so viele Leute ihr etwas vorschreiben wollen und sie nicht wirklich weiß, was sie will. Es ist, als würde sie nur den Stimmen von außen folgen, wie ein Kind, das von seinen Eltern gesagt bekommt, was es anziehen soll. Mit ihrer Figur und ihrem äußeren Erscheinungsbild ist sie nicht zufrieden, sie empfindet sich als wenig attraktiv, dabei sieht sie jünger aus, als sie ist. Sie stellt ihre Beziehung zu ihrem jetzigen Partner in Frage und überlegt, ob er Affären mit anderen Frauen hat. Beziehungen sind oft ein großes „Hin und Her“ – manchmal klappt es und manchmal nicht. Die Beziehung zu ihrem Freund empfindet sie nur als halbe Beziehung. Einmal hatte sie einen jüngeren Partner gehabt und wurde von dessen Freundeskreis ausgeschlossen, weil sie „zu alt“ für ihn gewesen sei. In ihrer jetzigen Beziehung fühlt sie sich oft fehl am Platz, verunsichert und nachgiebig. Die erste feste Beziehung der Patientin war sehr plötzlich in die Brüche gegangen, noch kurze Zeit vor der Trennung hatte das Paar über Kinder und einen gemeinsamen Haushalt gesprochen. Anschließend war ihr Freund allein verreist, kam zurück und erklärte die Beziehung für beendet. Es dauerte lange, bis die Patientin darüber hinweg war.

Speisen: Abneigung: Käse, Milch; < Knoblauch

Weibliche Genitalien: schmerzhafte, klumpige Regelblutungen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen vor den Menses

Wetter: < Sonne, Kopfschmerzen; Sonnenbrille amel.

Zeit: 12.00 Uhr mittags.

< Karussel, Achterbahn.

Analyse

Kohlenstoffserie: Tod der Schwester, Furcht vor Krankheit, in der Familie wird nicht viel geredet.

Liliidae: fühlt sich einsam, ohne feste Beziehung, Beziehungsprobleme, sieht jünger aus, als sie ist; Infekte im Genitalbereich.

Phase 6 (Liliales): plötzliches Ende einer Beziehung, ohne Begründung, der Partner hat eine andere Frau; sie fühlt sich fehl am Platz, sie wird gemobbt und verliert ihren Arbeitsplatz an jemand anderen; die Schwester bekam viel Aufmerksamkeit, sie war vom Freundskreis ausgeschlossen; sie ist unzufrieden mit ihrer Figur, fühlt sich wenig attraktiv.

Subphase 3: Schwindel, < Karussel, Achterbahn; Beziehungs-‚Hin und Her‘, halbe Beziehung; lässt sich von ihren Freunden leicht beeinflussen, etwas nimmt von ihr Besitz, keinen festen Boden unter den Füßen (DD Bor), sie stellt Dinge in Frage (man könnte sie als ‚verwirrt‘ bezeichnen); sie kann nicht auf ihre innere Stimme hören, weil zu viele Leute etwas von ihr wollen; sie selbst weiß nicht, was sie will; sie ist sehr loyal.

Stadium 3: fragt sich, wie sie weitermachen soll, was sie wirklich will; ob sie etwas ganz Neues anfangen soll; fragt sich, wer sie wirklich ist (DD Bor), Dreiecksbeziehung.

Verschreibung: Tricyrtis hirta

Follow-up

Die Patientin war schon seit Jahren bei mir in Behandlung und ich hatte ihr viele Mittel gegeben: Bor, Borax, Alumina, Aluminium sulfuricum, Scandium, Aristolochia clematis, Agraphisnutans etc. Nichts hatte tiefgehende Veränderungen herbeigeführt. Mit Tricyrtis hirta trat eine Wende ein: Die Patientin erzählt, dass sie mit jeder Gabe an Selbstvertrauen gewinnt. Sie fühlt sich stark und glücklich. Sie hat gelernt, authentisch zu sein und passt sich nicht mehr um jeden Preis an. Sie hat sich selbst besser kennengelernt und weiß jetzt, wer sie ist und was sie will. Sie weiß, wo sie hingehört und welchen Weg sie gehen möchte. Das trifft auch auf ihre Beziehungen zu Männern und Freunden zu. Ihre Ängste, der Schwindel und die vielen Infekte im Genitalbereich sind fast vollständig verschwunden.

Kommentar

Das Interessante an diesem Fall war, dass ich ein mir völlig unbekanntes Mittel erfolgreich verschreiben konnte. Die Themen aus Stadium 3 waren bei dieser Patientin sehr deutlich zu erkennen und ich hatte schon einige Mittel aus diesem Stadium verschrieben. Auch mit Oxygenium und anderen Sauerstoffverbindungen hatte ich es probiert, aber keinen richtigen Erfolg gehabt. Die Themen der einzelnen Mittel waren jedoch klar vorhanden. Die Pflanze Tricyrtis hirta mit der Nummer 633.63.03 deckt die Gesamtheit der Symptome ab: 6 = Angiospermen,3 = Siliziumserie (Familie, Beziehung), 3 = Betonung der Siliziumserie (zweifache Beziehungs- und Familienthemen), dann Phase 6 = Sauerstoff-Qualitäten,  Subphase 3 (DD Bor) und schließlich Stadium 3 = zeigt, wie die Patientin mit der Situation umgeht. In sehr komplexen Fällen lohnt es sich oft, ein Pflanzenmittel in Betracht zu ziehen.


Foto: © Laura Bartlett shutterstock.com
Kategorie: Fälle
Schlüsselwörter: Burnout, Furcht vor Krankheit, Candida im Genitalbereich, Beziehungsprobleme, ausgeschlossen sein.
Mittel: Tricyrtis hirta.





Kommentare







Aktuelle Artikel aus der Homöopathie

zurück zurück zur Übersicht