Unbeeindruckt von kleinen Störungen: ein Viola tricolor - Fall

von Roma Buchimensky

Ein einundzwanzigjähriger Student kommt im August 2010 wegen rezidivierender Mandelentzündung mit weißen Pusteln, unter der er mehrmals im Jahr (nicht nur im Winter) leidet. Das Schlucken ist dann sehr schmerzhaft, und der Zustand dauert jeweils 1-2 Wochen an. Vor 18 Monaten hatte er nach dem Geschlechtsverkehr anfallsweise eine Exsudation aus der Harnröhre mit Reizung der Eichel.

Weitere Beschwerden: Kopfschmerzen, reißende Schmerzen, schlimmer durch Lärm. Er versäumte sechs Monate lang die Vorlesungen. Er macht gerade seinen Master-Abschluss in Physik und will Wissenschaftler werden.

Patient (P): „Mein Immunsystem müsste gestärkt werden. Ich habe ständig das Gefühl, dass ich krank werde.

Ich habe zwei Schwestern. Zu Hause ist die Atmosphäre angespannt: meine Großmutter ist sehr reizbar, und das nervt die anderen; es gibt häufig Streit. Ich werde bald im Ausland studieren, und ich bin etwas besorgt; ich habe keine Schmetterlinge, sondern Skorpione im Bauch. Ich bekomme Durchfall, wenn ich aufgeregt bin, vor Prüfungen oder vor einem Date mit einem Mädchen. In letzter Zeit versuche ich zu lernen, meine Gefühle besser zu kontrollieren und mich selbst zu lehren, ruhig zu bleiben.

Im letzten halben Jahr habe ich mit einem Freund zusammen gelebt, aber ich hatte keine Ecke für mich allein, und das ist sehr wichtig für mich. Ich bin ein introvertierter Mensch und finde es schwer zu arbeiten, wenn viele Leute um mich herum sind. Ich bin gern allein. Ich gehe gern wandern und ins Theater. Ich habe nur wenige Freunde, nur ein paar ganz enge; „drei Musketiere ... drei Kameraden“ [1 ]. Ich bin altmodisch in meinen Beziehungen. Ich bin ein Gentleman und brauche beides: Freundinnen und Freunde. Ich bin sensibel und fühle mich leicht verletzt. In meiner Freizeit spiele ich Gitarre und höre klassische Musik. Ich bin gern draußen in der Natur. Ich bin sehr emotional und versuche, das zu überwinden. Einmal sagte mein Arzt, dass ich einen Leistenbruch bekäme; daraufhin fiel ich in Ohnmacht. Ich finde es schwierig, Freistil zu schwimmen, weil mir dann Wasser in die Ohren kommt.

Meine Geburt begann, als die Schwester meiner Mutter den Blutdruck gemessen hatte und sie mit aufgeblasenem Stauschlauch allein liegen ließ. Mein Nabel wurde falsch abgenabelt. Als Kind lief ich auf Zehenspitzen und begann erst spät zu sprechen.

Ich bin jähzornig. In letzter Zeit habe ich wenig Geduld für Dinge, die ich nicht will, sowohl mit anderen Menschen, als auch mit der Gesellschaft, oder wenn ich gezwungen werde, etwas gegen meinen Willen zu tun. Ich will nicht mit Leuten sprechen, die ich nicht mag. Die Meinung von Leuten, die ich nicht kenne, ist mir egal. Ich kümmere mich nur um meinen engsten Freundeskreis. Die Vereinigten Staaten mag ich immer weniger: Die Menschen hier sind scheinheilig und wie Roboter. Ich mag auch das hiesige Bildungs- und Gesundheitssystem nicht. Ich brauche ich meine eigene Ecke.“

RB: „Erzählen Sie mir von Ihrer Ecke?“

P: Niemand darf mich  hier stören(Handbewegung: zitternde Hand), sonst kann ich mich nicht auf meine Sachen konzentrieren und werde gereizt: ein Blitzen im Kopf, die Augen weit offen, ich muss tief Atem holen, ein Gefühl von einer kleinen Explosion im Kopf, als ob etwas zerstört worden sei; die Konzentration ist weg, und ich bin wütend. Ich warte, dass es vorbei geht, ich kann mich nicht weiter auf meinen Gedankengang konzentrieren und fühle mich enttäuscht; Schwäche in der Brust, in Armen und Beinen, Hilflosigkeit ... Ich habe die Situation nicht mehr unter Kontrolle. Ich möchte mich distanzieren, kann aber nicht. Ich habe meine Mission nicht erfüllt. Bin besorgt, gereizt und schwankend; ich will zurück.“

RB: „Erinnert Sie das an etwas?“ 

P: „An den Wind oder an eine Geige (spontan). Ein Kindheitstraum: Wellen, ein Punkt, der sich ausdehnt und zusammenzieht; es ereignet sich gleichzeitig in drei von meinen Sinnen (Sehen, Hören, Fühlen).“


Er fühlt sich abhängig von seinem Gesundheitsdienst, und hat Angst um seine Gesundheit.

Analyse

Das wesentliche Thema Falles ist sein Wunsch, allein zu sein und seine Sensibilität gegenüber Störungen. Dies entspricht direkt der Vitalempfindung der Violales-Ordnung nach Rajan Sankaran [2], einschließlich der Abneigung gegen Störungen und dem Meiden von anderen Menschen, seine Verdrießlichkeit, und auf der physischen Ebene die scharfen, stechenden, reißenden Kopfschmerzen. Die allgemeine Überempfindlichkeit und die zweigleisigen Empfindungen (Störung und Vermeidung derselben) unterstützen die Zuordnung des Falles zum Pflanzenreich.

Die Zahl „drei“ ist in diesem Fall ein starkes Thema: drei Geschwister, drei Musketiere, drei Kameraden, drei Sinne.

Im Hinblick auf die bekannten Symptome des Mittels [3] beobachten wir seine introspektive, verdrießliche Art und seine Abneigung zu reden, seine Trauer über die häuslichen Beziehungen, seine Hypochondrie und körperlich eine Affinität zu den Harnorganen (Schwellung der Vorhaut mit Juckreiz). Die typische Gleichgültigkeit des Mittels scheint sich hier auf die Außenwelt statt auf die Freunde zu richten.
Während der „Passiven Fallaufnahme“ [4], kam das Thema seines Bedürfnisses nach seiner eigenen Ecke wiederholt auf. Wir so begann die „Aktiv-Passiv“ -Phase der Anamnese mit der Frage nach seinen Erfahrungen mit seiner eigenen Ecke.

In seiner Antwort verwies er ohne Aufforderung auf seine Kopfschmerzen. Zur gleichen Zeit begannen seine Aussagen unzusammenhängender zu werden; er sagte, dass er nicht in der Lage sei, seine Mission zu erfüllen und erwähnte die Empfindung von Schwanken, die seine Handgesten widerspiegelten. Insgesamt zeigte dies, dass er sich nun in der Sprache der Quelle ausdrückte – in der Sprache seines Mittels. Schließlich verwies er in der „Aktiv-Aktiv“-Phase auf die Geige und erzählte spontan einen Kindheitstraum, in dem das Thema „drei“ zum  letzten Mal aufkam.

Ein mögliches zentrales Thema des Mittels ist die Welle [5]: das Mittel zeigt verschiedene wellenartige Empfindungen (Schwanken, Taumeln), z.B.:

Kopf; schwankendes Gefühl (89)
Herz und Kreislauf; schwankend, wellenartig, Herz (8)
Herz und Kreislauf; Herzklopfen, wellenartig (1)
Allgemeines; wellenartige Empfindung (163)
Allgemeines; Schmerz; wellenartig, schwankend (86)

Dies könnte im Zusammenhang mit dem Traum von einer Welle einen Aspekt des Mittels zeigen, von dem sich herausstellen könnte, dass er recht zentral ist.

Nach Michal Yakirs Tabelle der Pflanzensystematik [6] erkennen wir folgende Charakteristika: Die Ordnung der Violales gehört zum fünften Stadium der Tabelle, das die Spaltung zwischen den weiblichen und männlichen evolutionären Impulsen, besonders zwischen den grenzenlosen Emotionen und dem Geist, der sie zu kontrollieren versucht, darstellt (z. B. das Viola odorata Symptom: das Gefühl wird durch den Intellekt dominiert). Dies bezieht sich auf die mentale Reaktion der Patienten auf ihre Hypersensibilität allen äußeren Reizen gegenüber.

Die Betreffenden haben oft wissenschaftliche Interessen oder beschäftigen sich zwanghaft mit nebensächlichen Details, zeigen eine gewisse Starrheit und halten sich gern an Regeln, entgegen ihren Wunsch nach individueller Entwicklung und Erfüllung ihrer persönlichen, einzigartigen Berufung.

Die Angst vor Prüfungen bezieht sich auf die ersten Stadien (Serien in der Pflanzen-Tabelle), auf den Ehrgeiz hinsichtlich des Erfolgs in der Welt, der charakteristisch für das fünfte Stadium ist; Stadium vier zeigt vor allem eine Durchlässigkeit infolge von Unreife und im Hinblick auf persönliche Grenzen, was als Reaktion Rückzug und Trennung hervorruft.

Schließlich kann der Zustand der Außenwelt eindringen, und indem der starre Geist - mit der Saite eines Musikinstruments vergleichbar - dem Widerstand leistet, das, wenn es durch eine externe Kraft gestört wird, diese Störung als Vibration in Form einer Tonwelle wieder gibt. In diesem Sinne ist die Welle einerseits Ausdruck der Störung und andererseits gleichzeitig ihre Auflösung (vgl. die Ablehnung von Geigenspiel bei Viola odorata); so prägt das Thema „Welle“ und das Gefühl des Schwankens die gesamte Violaceae-Familie.



Verordnung: Viola tricolor C 9 einmal täglich

Follow-ups

Sechs Wochen später: Kopfschmerzen bei Semesterbeginn an der Universität. Gelegentliche Müdigkeit: „Ich bin viel fleißiger als vorher!“ Zweimal hatte er eine  beginnende Mandelentzündung, aber es kam nicht zum voll ausgeprägten Krankheitsbild.

„Ich komme besser mit den Menschen in meiner Umgebung aus.“

Verordnung: weiter mit Viola tricolor C 9 einmal täglich.

Elf Wochen später: er hatte einen Angina-Anafall, aber nicht so schlimm wie sonst.

RB: „Was ist Ihre Lieblingsmusik?“

„Bachs Chaconne in der Gitarren-Version von Andrés Segovia.“

Verordnung: Erhöhung der Potenz von Viola tricolor auf C 12 einmal täglich.

Sechzehn Wochen später: „Keine Mandelentzündung mehr, abgesehen von einem gelegentlichen dumpfen Schmerz an der Innenseite des Mundes auf der linken Seite, aber es entwickelt sich nichts weiter. Ich kann viel besser mit Stress umgehen, und emotional geht es mir viel besser. Ich mache mir weniger Sorgen und kann das Leben mehr genießen. Ich habe viel Freude an meinem Studium.“

RB: „Was ist Ihr Spezialgebiet in der Physik?“

„Ich studiere Zustände, die unbeeinflussbar durch kleine Störungen sind.“

Verordnung: Erhöhung der Frequenz: Viola tricolor C 12 zweimal täglich. 

Entwicklung des Falles innerhalb der nächsten zweieinhalb Jahre:

Energie, Stimmung und Appetit gut. Praktisch keine akuten Erkrankungen mehr, jede Spur davon spricht sofort auf das Mittel an.

„Ich habe mehr Selbstvertrauen.“ (von einer Freundin notiert) .

Das Mittel wurde zunächst täglich, dann zweimal täglich in allmählich ansteigender Potenz gegeben. Früher war er ängstlich und sehr fixiert auf seine Gesundheit gewesen, jetzt ist er viel unabhängiger. Er hat sich entschieden, die Behandlung zu beenden.

Ich danke Dr. David Nortman für seine Unterstützung bei der Darstellung dieses Falles.


Dieser Artikel wurde auf www.interhomeopathy.org publiziert.

 
Fotos

Tall waves on the surface of the ocean; © shutterstock.com - Anatoli Styf
Viola tricolor © Jürgen Weiland

Literaturhinweise

[1] Die drei Musketiere ist ein Roman von Alexandre Dumas; Drei Kameraden ist ein Roman von Erich Maria Remarque .

[2] R. Sankaran Schema , Version 2007 , S.23

[3] Hauptsächlich aus Allens Enzyklopädie

[4] D. Chauhan, D.: The Scientifically Intuitive Case Witnessing Process: The Journey of Three Steps

[5] R. van Zandvoort Complete Repertory 2013

[6] Yakir, M., Wunderbare Ordnung - Tabelle der Pflanzensystematik in der Homöopathie (Wondrous Order: Systematic Table of Homeopathic Plant Remedies)

Kategorie: Fälle
Stichwörter: Kontrolle der Gefühle, Abneigung gegen Störungen, jähzornig, Wellen, Violine, Verlangen nach Alleinsein
Mittel: Viola tricolor 

 

Unbeeindruckt von kleinen Störungen: ein Viola tricolor - Fall

von Roma Buchimensky

Ein einundzwanzigjähriger Student kommt im August 2010 wegen rezidivierender Mandelentzündung mit weißen Pusteln, unter der er mehrmals im Jahr (nicht nur im Winter) leidet. Das Schlucken ist dann sehr schmerzhaft, und der Zustand dauert jeweils 1-2 Wochen an. Vor 18 Monaten hatte er nach dem Geschlechtsverkehr anfallsweise eine Exsudation aus der Harnröhre mit Reizung der Eichel.

Weitere Beschwerden: Kopfschmerzen, reißende Schmerzen, schlimmer durch Lärm. Er versäumte sechs Monate lang die Vorlesungen. Er macht gerade seinen Master-Abschluss in Physik und will Wissenschaftler werden.

Patient (P): „Mein Immunsystem müsste gestärkt werden. Ich habe ständig das Gefühl, dass ich krank werde.

Ich habe zwei Schwestern. Zu Hause ist die Atmosphäre angespannt: meine Großmutter ist sehr reizbar, und das nervt die anderen; es gibt häufig Streit. Ich werde bald im Ausland studieren, und ich bin etwas besorgt; ich habe keine Schmetterlinge, sondern Skorpione im Bauch. Ich bekomme Durchfall, wenn ich aufgeregt bin, vor Prüfungen oder vor einem Date mit einem Mädchen. In letzter Zeit versuche ich zu lernen, meine Gefühle besser zu kontrollieren und mich selbst zu lehren, ruhig zu bleiben.

Im letzten halben Jahr habe ich mit einem Freund zusammen gelebt, aber ich hatte keine Ecke für mich allein, und das ist sehr wichtig für mich. Ich bin ein introvertierter Mensch und finde es schwer zu arbeiten, wenn viele Leute um mich herum sind. Ich bin gern allein. Ich gehe gern wandern und ins Theater. Ich habe nur wenige Freunde, nur ein paar ganz enge; „drei Musketiere ... drei Kameraden“ [1 ]. Ich bin altmodisch in meinen Beziehungen. Ich bin ein Gentleman und brauche beides: Freundinnen und Freunde. Ich bin sensibel und fühle mich leicht verletzt. In meiner Freizeit spiele ich Gitarre und höre klassische Musik. Ich bin gern draußen in der Natur. Ich bin sehr emotional und versuche, das zu überwinden. Einmal sagte mein Arzt, dass ich einen Leistenbruch bekäme; daraufhin fiel ich in Ohnmacht. Ich finde es schwierig, Freistil zu schwimmen, weil mir dann Wasser in die Ohren kommt.

Meine Geburt begann, als die Schwester meiner Mutter den Blutdruck gemessen hatte und sie mit aufgeblasenem Stauschlauch allein liegen ließ. Mein Nabel wurde falsch abgenabelt. Als Kind lief ich auf Zehenspitzen und begann erst spät zu sprechen.

Ich bin jähzornig. In letzter Zeit habe ich wenig Geduld für Dinge, die ich nicht will, sowohl mit anderen Menschen, als auch mit der Gesellschaft, oder wenn ich gezwungen werde, etwas gegen meinen Willen zu tun. Ich will nicht mit Leuten sprechen, die ich nicht mag. Die Meinung von Leuten, die ich nicht kenne, ist mir egal. Ich kümmere mich nur um meinen engsten Freundeskreis. Die Vereinigten Staaten mag ich immer weniger: Die Menschen hier sind scheinheilig und wie Roboter. Ich mag auch das hiesige Bildungs- und Gesundheitssystem nicht. Ich brauche ich meine eigene Ecke.“

RB: „Erzählen Sie mir von Ihrer Ecke?“

P: Niemand darf mich  hier stören(Handbewegung: zitternde Hand), sonst kann ich mich nicht auf meine Sachen konzentrieren und werde gereizt: ein Blitzen im Kopf, die Augen weit offen, ich muss tief Atem holen, ein Gefühl von einer kleinen Explosion im Kopf, als ob etwas zerstört worden sei; die Konzentration ist weg, und ich bin wütend. Ich warte, dass es vorbei geht, ich kann mich nicht weiter auf meinen Gedankengang konzentrieren und fühle mich enttäuscht; Schwäche in der Brust, in Armen und Beinen, Hilflosigkeit ... Ich habe die Situation nicht mehr unter Kontrolle. Ich möchte mich distanzieren, kann aber nicht. Ich habe meine Mission nicht erfüllt. Bin besorgt, gereizt und schwankend; ich will zurück.“

RB: „Erinnert Sie das an etwas?“ 

P: „An den Wind oder an eine Geige (spontan). Ein Kindheitstraum: Wellen, ein Punkt, der sich ausdehnt und zusammenzieht; es ereignet sich gleichzeitig in drei von meinen Sinnen (Sehen, Hören, Fühlen).“


Er fühlt sich abhängig von seinem Gesundheitsdienst, und hat Angst um seine Gesundheit.

Analyse

Das wesentliche Thema Falles ist sein Wunsch, allein zu sein und seine Sensibilität gegenüber Störungen. Dies entspricht direkt der Vitalempfindung der Violales-Ordnung nach Rajan Sankaran [2], einschließlich der Abneigung gegen Störungen und dem Meiden von anderen Menschen, seine Verdrießlichkeit, und auf der physischen Ebene die scharfen, stechenden, reißenden Kopfschmerzen. Die allgemeine Überempfindlichkeit und die zweigleisigen Empfindungen (Störung und Vermeidung derselben) unterstützen die Zuordnung des Falles zum Pflanzenreich.

Die Zahl „drei“ ist in diesem Fall ein starkes Thema: drei Geschwister, drei Musketiere, drei Kameraden, drei Sinne.

Im Hinblick auf die bekannten Symptome des Mittels [3] beobachten wir seine introspektive, verdrießliche Art und seine Abneigung zu reden, seine Trauer über die häuslichen Beziehungen, seine Hypochondrie und körperlich eine Affinität zu den Harnorganen (Schwellung der Vorhaut mit Juckreiz). Die typische Gleichgültigkeit des Mittels scheint sich hier auf die Außenwelt statt auf die Freunde zu richten.
Während der „Passiven Fallaufnahme“ [4], kam das Thema seines Bedürfnisses nach seiner eigenen Ecke wiederholt auf. Wir so begann die „Aktiv-Passiv“ -Phase der Anamnese mit der Frage nach seinen Erfahrungen mit seiner eigenen Ecke.

In seiner Antwort verwies er ohne Aufforderung auf seine Kopfschmerzen. Zur gleichen Zeit begannen seine Aussagen unzusammenhängender zu werden; er sagte, dass er nicht in der Lage sei, seine Mission zu erfüllen und erwähnte die Empfindung von Schwanken, die seine Handgesten widerspiegelten. Insgesamt zeigte dies, dass er sich nun in der Sprache der Quelle ausdrückte – in der Sprache seines Mittels. Schließlich verwies er in der „Aktiv-Aktiv“-Phase auf die Geige und erzählte spontan einen Kindheitstraum, in dem das Thema „drei“ zum  letzten Mal aufkam.

Ein mögliches zentrales Thema des Mittels ist die Welle [5]: das Mittel zeigt verschiedene wellenartige Empfindungen (Schwanken, Taumeln), z.B.:

Kopf; schwankendes Gefühl (89)
Herz und Kreislauf; schwankend, wellenartig, Herz (8)
Herz und Kreislauf; Herzklopfen, wellenartig (1)
Allgemeines; wellenartige Empfindung (163)
Allgemeines; Schmerz; wellenartig, schwankend (86)

Dies könnte im Zusammenhang mit dem Traum von einer Welle einen Aspekt des Mittels zeigen, von dem sich herausstellen könnte, dass er recht zentral ist.

Nach Michal Yakirs Tabelle der Pflanzensystematik [6] erkennen wir folgende Charakteristika: Die Ordnung der Violales gehört zum fünften Stadium der Tabelle, das die Spaltung zwischen den weiblichen und männlichen evolutionären Impulsen, besonders zwischen den grenzenlosen Emotionen und dem Geist, der sie zu kontrollieren versucht, darstellt (z. B. das Viola odorata Symptom: das Gefühl wird durch den Intellekt dominiert). Dies bezieht sich auf die mentale Reaktion der Patienten auf ihre Hypersensibilität allen äußeren Reizen gegenüber.

Die Betreffenden haben oft wissenschaftliche Interessen oder beschäftigen sich zwanghaft mit nebensächlichen Details, zeigen eine gewisse Starrheit und halten sich gern an Regeln, entgegen ihren Wunsch nach individueller Entwicklung und Erfüllung ihrer persönlichen, einzigartigen Berufung.

Die Angst vor Prüfungen bezieht sich auf die ersten Stadien (Serien in der Pflanzen-Tabelle), auf den Ehrgeiz hinsichtlich des Erfolgs in der Welt, der charakteristisch für das fünfte Stadium ist; Stadium vier zeigt vor allem eine Durchlässigkeit infolge von Unreife und im Hinblick auf persönliche Grenzen, was als Reaktion Rückzug und Trennung hervorruft.

Schließlich kann der Zustand der Außenwelt eindringen, und indem der starre Geist - mit der Saite eines Musikinstruments vergleichbar - dem Widerstand leistet, das, wenn es durch eine externe Kraft gestört wird, diese Störung als Vibration in Form einer Tonwelle wieder gibt. In diesem Sinne ist die Welle einerseits Ausdruck der Störung und andererseits gleichzeitig ihre Auflösung (vgl. die Ablehnung von Geigenspiel bei Viola odorata); so prägt das Thema „Welle“ und das Gefühl des Schwankens die gesamte Violaceae-Familie.



Verordnung: Viola tricolor C 9 einmal täglich

Follow-ups

Sechs Wochen später: Kopfschmerzen bei Semesterbeginn an der Universität. Gelegentliche Müdigkeit: „Ich bin viel fleißiger als vorher!“ Zweimal hatte er eine  beginnende Mandelentzündung, aber es kam nicht zum voll ausgeprägten Krankheitsbild.

„Ich komme besser mit den Menschen in meiner Umgebung aus.“

Verordnung: weiter mit Viola tricolor C 9 einmal täglich.

Elf Wochen später: er hatte einen Angina-Anafall, aber nicht so schlimm wie sonst.

RB: „Was ist Ihre Lieblingsmusik?“

„Bachs Chaconne in der Gitarren-Version von Andrés Segovia.“

Verordnung: Erhöhung der Potenz von Viola tricolor auf C 12 einmal täglich.

Sechzehn Wochen später: „Keine Mandelentzündung mehr, abgesehen von einem gelegentlichen dumpfen Schmerz an der Innenseite des Mundes auf der linken Seite, aber es entwickelt sich nichts weiter. Ich kann viel besser mit Stress umgehen, und emotional geht es mir viel besser. Ich mache mir weniger Sorgen und kann das Leben mehr genießen. Ich habe viel Freude an meinem Studium.“

RB: „Was ist Ihr Spezialgebiet in der Physik?“

„Ich studiere Zustände, die unbeeinflussbar durch kleine Störungen sind.“

Verordnung: Erhöhung der Frequenz: Viola tricolor C 12 zweimal täglich. 

Entwicklung des Falles innerhalb der nächsten zweieinhalb Jahre:

Energie, Stimmung und Appetit gut. Praktisch keine akuten Erkrankungen mehr, jede Spur davon spricht sofort auf das Mittel an.

„Ich habe mehr Selbstvertrauen.“ (von einer Freundin notiert) .

Das Mittel wurde zunächst täglich, dann zweimal täglich in allmählich ansteigender Potenz gegeben. Früher war er ängstlich und sehr fixiert auf seine Gesundheit gewesen, jetzt ist er viel unabhängiger. Er hat sich entschieden, die Behandlung zu beenden.

Ich danke Dr. David Nortman für seine Unterstützung bei der Darstellung dieses Falles.


Dieser Artikel wurde auf www.interhomeopathy.org publiziert.

 
Fotos

Tall waves on the surface of the ocean; © shutterstock.com - Anatoli Styf
Viola tricolor © Jürgen Weiland

Literaturhinweise

[1] Die drei Musketiere ist ein Roman von Alexandre Dumas; Drei Kameraden ist ein Roman von Erich Maria Remarque .

[2] R. Sankaran Schema , Version 2007 , S.23

[3] Hauptsächlich aus Allens Enzyklopädie

[4] D. Chauhan, D.: The Scientifically Intuitive Case Witnessing Process: The Journey of Three Steps

[5] R. van Zandvoort Complete Repertory 2013

[6] Yakir, M., Wunderbare Ordnung - Tabelle der Pflanzensystematik in der Homöopathie (Wondrous Order: Systematic Table of Homeopathic Plant Remedies)

Kategorie: Fälle
Stichwörter: Kontrolle der Gefühle, Abneigung gegen Störungen, jähzornig, Wellen, Violine, Verlangen nach Alleinsein
Mittel: Viola tricolor 

 





Kommentare







Aktuelle Artikel aus der Homöopathie

zurück zurück zur Übersicht