Gelüste und Sucht – nicht mit Chelidonium und Co.

von Joette Calabrese

Die Homöopathie kann in der Behandlung von Lebensmittelunverträglichkeiten, Suchtverhalten und Heißhungeranfällen eine wichtige Rolle spielen, auch wenn sie nicht im Vordergrund steht. Bei mir hat es dreißig Jahre gedauert, bis ich endlich gelernt hatte, was mir guttut und was nicht. Ich glaube, dass es vielen anderen Menschen genauso geht. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, diese Zeitspanne für alle zu verkürzen, die bereit sind zuzuhören.

In meiner Praxis habe ich festgestellt, dass eine Ernährungsumstellung bei Lebensmittelunverträglichkeiten und Suchtverhalten die Beschwerden oft nicht vollständig verschwinden lässt, selbst wenn eine strikte Diät eingehalten wird. Ich nenne das die lästigen 40 Prozent. Das soll heißen, dass obwohl die meisten Menschen ihre Beschwerden durch Ernährungsumstellung, Verzicht und ausgewählte Superfoods erfolgreich in den Griff bekommen können, sich bei anderen Menschen nur eine Besserung von 60 Prozent einstellt, egal, wie sehr sie sich auch bemühen.

Die Banerji-Protokolle

Inzwischen fahre ich jedes Jahr nach Indien, um an der Prasanta Homeopathic Research Foundation in Kalkutta zu hospitieren. Dort habe ich eine wichtige Erfahrung gemacht. Die hochqualifizierten Ärzte, die dort arbeiten, tun dies ausschließlich homöopathisch. Jeden Tag behandeln sie Tausende von Patienten, darunter auch viele mit den gleichen allergischen Reaktionen und Sensibilitäten wie in meiner Praxis zuhause. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie keine Ernährungsberatung anbieten. Der einzige Rat, den diese Ärzte ihren Patienten mitgeben, ist, traditionelle und für die Region typische Kost zu essen. Nun ist Indien ein wahrer Schmelztiegel verschiedenster Religionen mit sehr unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten. Die meisten Menschen dort nehmen dreimal täglich Weizen zu sich. Der Begriff „für die Region typisch“ hat hier eine andere Bedeutung als das, was Dr. Price aus anderen Teilen der Welt berichtet. Als großer Fan der Weston A. Price Foundation war dies für mich besonders interessant, da es bemerkenswert ist, wie dort sehr gute Ergebnisse ausschließlich mit Homöopathie erzielt werden können.

Da es sich bei der Homöopathie um eine medizinische Heilmethode handelt, setzen wir sie im Allgemeinen ausschließlich in Krankheitsfällen ein. Das bedeutet aber auch, dass wir in der Regel auf eine homöopathische Behandlung verzichten, solange es nichts zu korrigieren gibt. Also der Patient sich nicht krank fühlt oder keine Krankheit diagnostiziert wurde. Nehmen wir aber einfach einmal an, dass jemand ein auffälliges Verlangen – oder Gelüste – nach Süßigkeiten hat. Der Patient hat zwar noch kein Diabetes, aber es liegt auf der Hand, dass sich etwas zusammenbraut. Oder jemand übertreibt es sehr mit Kaffeekonsum und Schokolade. Das ist ein guter Hinwies dafür, dass sich ein Problem anbahnt. Was kann man in diesen Fällen tun?

Bruno und das Fast FoodHandbuch der homöopathischen Arzneimittellehre - William Boericke

Nehmen wir Bruno als Beispiel. Bruno ist sieben Jahre alt und tut nichts lieber als essen: Makkaroni mit Käse, Pizza und eine Auswahl an Snacks wie Popcorn, Kekse und anderen Leckereien. Alles andere verweigert er. Es ist völlig egal, wie viel Mühe sich seine Mutter gibt, um für ihn die besten Mahlzeiten zuzubereiten – er will nichts außer Kohlenhydrate essen. Auch sein Verhalten ist ein wenig unausgeglichen, denn er kann sich schlecht konzentrieren, besonders, wenn es um Überleitungen geht. Ansonsten ist Bruno recht gesund. Fast als Nebengedanke erwähnt seine Mutter, dass er sehr viel Energie hat (Ich würde sagen, er ist hyperaktiv). Seine Lehrerin beklagt sich darüber, dass er nicht lange genug stillsitzt, um Anweisungen befolgen zu können. Sein Vater schimpft, er sei ein schwieriges Kind. Nur seine Mutter glaubt, dass andere Menschen nicht sehen können, dass ihr Junge einfach temperamentvoll und lebhaft ist. Ohne komplexe Tests durchführen zu müssen, ist es ziemlich deutlich, dass Brunos Verdauungstrakt und wahrscheinlich auch sein Blutzucker einen sanften homöopathischen Impuls gut gebrauchen können. Denn Probleme in diesem Bereich wirken sich auch auf das Verhalten aus.

Molly und die Schokolade

Dann ist da noch Molly, Mutter von drei Teenagern. Sie führt ein kleines Unternehmen, das Werbe-Apps für die Modeindustrie entwickelt. Die Woche hat nicht annähernd genug Stunden, damit Molly all ihren familiären und beruflichen Verpflichtungen nachkommen kann. Molly hat eine Achillesferse und das ist Schokolade. Schon als kleines Mädchen und später auch als junge Frau litt sie unter einem chronischen Ekzem. Der behandelnde Dermatologe klärte sie darüber auf, dass Schokolade nicht gut für ihr Ekzem sei. (Erlauben Sie mir eine Zwischenbemerkung: Da bin ich absolut auf seiner Seite. Auch in meiner Praxis habe ich festgestellt, dass selbst die reinste Schokolade aus biologisch angebautem und fermentiertem Kakao ein chronisches Ekzem schlimmer macht.) Molly isst einen Schokoladenriegel pro Tag. Sobald sie mehr isst, kann sie nicht mehr schlafen; isst sie weniger, wird sie reizbar, besonders vor der Mens.

Ohne Kaffee geht es nicht

Sam ist ein selbsterklärter Kaffee-Süchtiger. Seine Arbeitskollegen und seine Frau wussten es schon lange, bevor es ihm klar wurde. Woher sie das wussten? Sie wurden Zeugen seiner seiner „Reizbarkeit“, wenn er am Steuer seines Autos saß. Würde man x-beliebige Fremde zu seiner Verkehrstauglichkeit befragen, wäre die Liste mit Beschwerden über seine Rücksichtslosigkeit und Unhöflichkeit im Straßenverkehr sehr, sehr lang. War er vollgetankt mit Kaffee, bemerkten nicht wenige, dass er beim Gehen leicht schwankte. Es war so als hätte er Stahlfedern unter den Füßen, die ihn bei jedem Schritt in die Luft katapultierten. Selbst im Sitzen sah er aus, als wäre er an eine vibrierende Fitnessmaschine aus den 1940er Jahren angeschlossen. Aber für Sam gab es kein Halten, wie mit allem anderem in seinem Leben auch. Er wollte wirklich nicht auf den Kaffee verzichten. Außerdem hatte Sam Schmerzen in der Lebergegend. Es war wie ein Wundschmerz und er musste sich ständig an der bestreffenden Stelle reiben. Sams Verlangen nach Kaffee könnte man schon eher als Sucht bezeichnen als Brunos Vorliebe für Kohlenhydrate. Deshalb ist zu wünschen, dass Sam dies erkennt und sich bemüht, diese Sucht zu überwinden. Ohne die damit verbundenen Anstrengungen ist es zwar immer noch möglich, allein mit Homöopathie Erfolge zu erzielen, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass seine schlechten Angewohnheiten in Zukunft wieder die Oberhand gewinnen werden. Der Wille zur Veränderung muss da sein.

In jedem dieser Beispielfälle spielt Sucht eine Rolle, obwohl diese Begriffswahl womöglich zu harsch ist; „innerer Drang“ beschreibt es vielleicht besser. Und obwohl ich der Meinung bin, dass die Abhängigkeit von illegalen Substanzen in den meisten Fällen selbst gewählt ist und deswegen nur mit Willenskraft und Entschlossenheit bewältigt werden kann, ist das Bild bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten sehr viel komplexer. Wir müssen also ein Arzneimittel finden, das sich in der Praxis für die Behandlung solcher Beschwerden bewährt hat.

Kaffeesucht behandelnIm Reich der hungrigen Geister - Dr. Gabor Maté

Ein guter Anfang für Sam war Camphora 200. Es wird nur an einem Tag eingenommen und unterstützt andere homöopathische Arzneimittel in ihrer Wirkung. Chelidonium wurde gegen die Schmerzen in der Lebergegend empfohlen zusammen mit Nux vomica als Mittel gegen die eigentliche Kaffeesucht. Nux vomica ist nicht immer die perfekt passende Arznei, aber in der Regel ein sehr guter Ausgangspunkt. Es überrascht nicht, dass Sam auch an Verstopfung litt. Der Stuhlgang war hier trocken, oft unvollständig und der Stuhl schwer abzusetzen.

So sah Sams homöopathischer Behandlungsplan aus:

  1. Camphora 200, um die Sache zu bereinigen
  2. Chelidonium 6, zweimal täglich (für die Leber)
  3. Nux vomica 200, einmal täglich (gegen die Kaffeesucht)
  4. Lycopodium 200, gemischt mit Plumbum met. 200 (trockener, unvollständiger Stuhlgang, schwer abzusetzen)

Was tun, wenn Sie von Kohlenhydraten abhängig sind?

Bei einem Kind wie Bruno würden wir noch nicht von Sucht sprechen, weil die Lebensmittel, nach denen er verlangt, keine Drogen sind (obwohl sein Verhalten etwas anderes vermuten lässt). Stattdessen gehen wir davon aus, dass seine Blutzuckerwerte eingestellt werden müssen. Über acht Wochen hinweg würden wir deshalb zwei verschiedene homöopathische Arzneimittel geben und in diesem Zeitraum Brunos Reaktion beobachten und den Verlauf beurteilen. Wenn Brunos Verhalten dann weniger auffällig, sein Essverhalten abwechslungsreicher und die ungesunden Gelüste weniger aufdringlich werden, er in der Schule und zu Hause aber verträglicher wird, können wir davon ausgehen, dass die Arzneimittel Wirkung zeigen.

Zu Beginn geben wir – wie in Sams Fall auch – Camphora 200, um die Sache ins Reine zu bringen; dann zweimal täglich Chelidonium 6, weil wir davon ausgehen, dass sein Blutzucker nicht in Ordnung ist. Auch wenn er keine klinischen Symptome hat, wird dieses Arzneimittel oft bei Diabetes Typ 2 verabreicht. Und weil Bruno hyperaktiv ist, wird noch Hyoscyamus 6 in das Behandlungsprotokoll aufgenommen.

Interessanterweise fällt beim näheren Hinschauen auf, dass Bruno schon viele Mittelohr- und Mandelentzündungen hatte, die oft mit Antibiotika behandelt werden mussten. Brunos Mutter bestätigte dann auch, dass der seltsame Stuhlgang – abwechselnd hart und weich – erstmals nach einer Antibiose aufgetreten war. Die Hyperaktivität und das ungewöhnliche Essverhalten folgten kurze Zeit später. Mit diesen zusätzlichen Informationen wurde ein neues Protokoll ausgearbeitet:

  1. Camphora 200, um die Folgen der Antibiose zu beseitigen
  2. Chelidonium 6, zweimal täglich (für den Blutzucker)
  3. Nux vomica 30, zweimal täglich (Darmbeschwerden, die speziell von Antibiotika herrühren)
  4. Hyoscyamus 6, zweimal täglich (Hyperaktivität)

Acht Wochen nach dem ersten Termin (und nach Verabreichung der oben genannten Arzneimittel), berichtete Brunos Mutter, dass er keine Probleme mit dem Stuhlgang mehr habe. Sein Stuhlgang war nun regelmäßig und der Stuhl unauffällig, keine Wechselhaftigkeit. Er war immer noch ein ziemlich aufgeweckter Junge, aber man konnte ihn nun gut um sich haben. Was die sehr eingeschränkte Ernährung mit Kohlenhydraten und Süßigkeiten betraf, aß Bruno nun auch mal ein Schweinekotelett, Eier und Hamburger. Seine Mutter konnte ihn sogar dazu überreden, ihren selbstgemachten Kefir zu trinken.

Kurz nach diesem Termin setzte die Mutter Brunos homöopathische Arzneien ab, weil sie der Meinung war, er benötige sie nicht mehr. Es ging ihm weiterhin gut, bis er einige Monate später eine Halsentzündung hatte und wieder ein Antibiotikum einnehmen musste. Nicht sehr überraschend kehrten auch seine alten Symptome wieder zurück. Am letzten Tag der Antibiotikaeinnahme begann Brunos Mutter wieder mit dem oben beschriebenen Protokoll und innerhalb weniger Monate (dieses Mal dauerte es länger) war er wieder dort, wo er vor der Antibiose aufgehört hatte.

Seitdem hat seine Mutter gelernt, bei den ersten Anzeichen einer Halsentzündung Hepar sulph 200 zu geben, alle sechs Stunden eine Dosis. Das wird die Antibiose überflüssig machen. Bei vielen Menschen sorgt dieses Mittel dafür, dass die Infektion gar nicht erst fortschreitet und ganz ohne Nebenwirkungen wieder abklingt. Zu denen gehören auch zukünftige Essstörungen und Schäden an der Darmschleimhaut.

Was tun bei Schokoladensucht?Spektrum Homöopathie - Sucht

Auch Molly hatte im Leben schon viele Antibiotika eingenommen, was aber in ihrem Fall nicht so gravierend war wie ihr Hormonhaushalt. Schließlich müssen fast alle Kinder irgendwann einmal Antibiotika einnehmen. Aber Molly kannte die Gefahren dieser toxischen Medikamente und hatte vor vielen Jahren begonnen, regelmäßig fermentiertes Gemüse zu essen und Knochenbrühe und Kombucha zu trinken. Sie war sich ziemlich sicher, dass ihr Darm in Ordnung war, nicht zuletzt, weil sie seit Jahren keine Verstopfung mehr hatte und sich in dieser Hinsicht sehr wohl fühlte. Bei ihren Hormonen hatte Molly aber ein anderes Gefühl. Sie war in den Wechseljahren, ihre Libido war im Keller und sie konnte nicht gut schlafen. Außerdem hatte sie Herzrasen. Cremige Milchschokolade half und war ein Ausweg.

War es ihre Schilddrüse, die das Herzrasen verursachte, oder ihr Heißhunger auf Schokolade? Molly hatte keine anderen Symptome, die auf eine Schilddrüsenunterfunktion deuteten, also gab ich ihr homöopathische Arzneimittel, die spezifisch auf ihre Beschwerden zugeschnitten waren. Das folgende Protokoll habe ich für sie zusammengestellt, um Mollys Verlangen nach Schokolade (und damit auch nach Zucker) begleitet von Schlafstörungen und Herzrasen zu behandeln:

  1. Camphora 200, um die Sache zu bereinigen
  2. Chelidonium 6, zweimal täglich (süchtig nach Zucker)
  3. Ammonium carbonicum 200, alle zwei Tage einzunehmen (hormonelle Umstellungen in den Wechseljahren)
  4. Coffea 200, zweimal täglich (Schlaflosigkeit, Herzrasen, Verlangen nach Zucker)

Muss Molly nun gänzlich auf Schokolade verzichten, damit es ihr wieder besser gehen kann? Nicht unbedingt. Meine Philosophie ist, dass jeder bei McDonalds essen können sollte, wenn er das möchte. Ich will niemanden dazu ermutigen, sich von Fast Food und Fertiggerichten zu ernähren, aber wenn es die aktuelle Situation eines Menschen nicht zulässt, sich von hochwertiger Hausmannskost zu ernähren, dann will ich erreichen, dass er oder sie gesund genug ist, um die eine oder andere Fast Food-Mahlzeit problemlos zu vertragen. Nichtsdestotrotz wäre es gut, wenn Molly eine Zeit lang ganz auf Schokolade verzichtet und ihrem Körper eine Pause davon gönnt. Nur so kann sich eine rasche Besserung einstellen. (Ich weiß, dass das manchmal leichter gesagt ist als getan.) In der Zwischenzeit haben die homöopathischen Arzneien die Möglichkeit, die zugrundeliegende Störung – das ungesunde Verlangen nach Schokolade und Zucker – zu korrigieren und das Wohlbefinden wiederherzustellen.

In unserer Welt des proaktiven Handelns ist es durchaus klug und umsichtig, Ernährungsfehlern gegenzusteuern. In manchen Fällen muss man für eine ganze Zeit lang auf bestimmte Nahrungsmittel verzichten, damit eine Heilung stattfinden kann. In anderen Fällen, wie zum Beispiel bei Bruno, kann das homöopathische Mittel Hand in Hand mit dem Lebensstil des Patienten arbeiten und unabhängig von der Ernährung viel bewirken. Es gibt jedoch bestimmte Umstände, unter denen dies weder wünschenswert noch möglich ist. Die Homöopathie ist die medizinische Therapie, die Nahrungsmittelunverträglichkeiten und deren Begleiterkrankungen an der Wurzel packt und dauerhaft heilt. Bitte vergessen Sie nicht, dass die Homöopathie personenspezifisch (über das individuelle Symptombild des Patienten) und krankheitsspezifisch wirkt. Drei unterschiedliche Formen der Sucht. Drei verschiedene Menschen. Ein homöopathisches Arzneimittel haben sie gemeinsam: Chelidonium 6. Wer weiß? Vielleicht ist Chelidonium 6 genau das richtige Arzneimittel für Sie oder jemanden, den Sie kennen.

Weiterführende Informationen zu Dosierung und Potenzierung der homöopathischen Arzneien finden Sie hier.

 


Quelle: https://www.westonaprice.org/health-topics/homeopathy/hey-cravings-meet-homeopathic-chelidonium-friends/


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Gelüste und Sucht – nicht mit Chelidonium und Co.

von Joette Calabrese

Die Homöopathie kann in der Behandlung von Lebensmittelunverträglichkeiten, Suchtverhalten und Heißhungeranfällen eine wichtige Rolle spielen, auch wenn sie nicht im Vordergrund steht. Bei mir hat es dreißig Jahre gedauert, bis ich endlich gelernt hatte, was mir guttut und was nicht. Ich glaube, dass es vielen anderen Menschen genauso geht. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, diese Zeitspanne für alle zu verkürzen, die bereit sind zuzuhören.

In meiner Praxis habe ich festgestellt, dass eine Ernährungsumstellung bei Lebensmittelunverträglichkeiten und Suchtverhalten die Beschwerden oft nicht vollständig verschwinden lässt, selbst wenn eine strikte Diät eingehalten wird. Ich nenne das die lästigen 40 Prozent. Das soll heißen, dass obwohl die meisten Menschen ihre Beschwerden durch Ernährungsumstellung, Verzicht und ausgewählte Superfoods erfolgreich in den Griff bekommen können, sich bei anderen Menschen nur eine Besserung von 60 Prozent einstellt, egal, wie sehr sie sich auch bemühen.

Die Banerji-Protokolle

Inzwischen fahre ich jedes Jahr nach Indien, um an der Prasanta Homeopathic Research Foundation in Kalkutta zu hospitieren. Dort habe ich eine wichtige Erfahrung gemacht. Die hochqualifizierten Ärzte, die dort arbeiten, tun dies ausschließlich homöopathisch. Jeden Tag behandeln sie Tausende von Patienten, darunter auch viele mit den gleichen allergischen Reaktionen und Sensibilitäten wie in meiner Praxis zuhause. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie keine Ernährungsberatung anbieten. Der einzige Rat, den diese Ärzte ihren Patienten mitgeben, ist, traditionelle und für die Region typische Kost zu essen. Nun ist Indien ein wahrer Schmelztiegel verschiedenster Religionen mit sehr unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten. Die meisten Menschen dort nehmen dreimal täglich Weizen zu sich. Der Begriff „für die Region typisch“ hat hier eine andere Bedeutung als das, was Dr. Price aus anderen Teilen der Welt berichtet. Als großer Fan der Weston A. Price Foundation war dies für mich besonders interessant, da es bemerkenswert ist, wie dort sehr gute Ergebnisse ausschließlich mit Homöopathie erzielt werden können.

Da es sich bei der Homöopathie um eine medizinische Heilmethode handelt, setzen wir sie im Allgemeinen ausschließlich in Krankheitsfällen ein. Das bedeutet aber auch, dass wir in der Regel auf eine homöopathische Behandlung verzichten, solange es nichts zu korrigieren gibt. Also der Patient sich nicht krank fühlt oder keine Krankheit diagnostiziert wurde. Nehmen wir aber einfach einmal an, dass jemand ein auffälliges Verlangen – oder Gelüste – nach Süßigkeiten hat. Der Patient hat zwar noch kein Diabetes, aber es liegt auf der Hand, dass sich etwas zusammenbraut. Oder jemand übertreibt es sehr mit Kaffeekonsum und Schokolade. Das ist ein guter Hinwies dafür, dass sich ein Problem anbahnt. Was kann man in diesen Fällen tun?

Bruno und das Fast FoodHandbuch der homöopathischen Arzneimittellehre - William Boericke

Nehmen wir Bruno als Beispiel. Bruno ist sieben Jahre alt und tut nichts lieber als essen: Makkaroni mit Käse, Pizza und eine Auswahl an Snacks wie Popcorn, Kekse und anderen Leckereien. Alles andere verweigert er. Es ist völlig egal, wie viel Mühe sich seine Mutter gibt, um für ihn die besten Mahlzeiten zuzubereiten – er will nichts außer Kohlenhydrate essen. Auch sein Verhalten ist ein wenig unausgeglichen, denn er kann sich schlecht konzentrieren, besonders, wenn es um Überleitungen geht. Ansonsten ist Bruno recht gesund. Fast als Nebengedanke erwähnt seine Mutter, dass er sehr viel Energie hat (Ich würde sagen, er ist hyperaktiv). Seine Lehrerin beklagt sich darüber, dass er nicht lange genug stillsitzt, um Anweisungen befolgen zu können. Sein Vater schimpft, er sei ein schwieriges Kind. Nur seine Mutter glaubt, dass andere Menschen nicht sehen können, dass ihr Junge einfach temperamentvoll und lebhaft ist. Ohne komplexe Tests durchführen zu müssen, ist es ziemlich deutlich, dass Brunos Verdauungstrakt und wahrscheinlich auch sein Blutzucker einen sanften homöopathischen Impuls gut gebrauchen können. Denn Probleme in diesem Bereich wirken sich auch auf das Verhalten aus.

Molly und die Schokolade

Dann ist da noch Molly, Mutter von drei Teenagern. Sie führt ein kleines Unternehmen, das Werbe-Apps für die Modeindustrie entwickelt. Die Woche hat nicht annähernd genug Stunden, damit Molly all ihren familiären und beruflichen Verpflichtungen nachkommen kann. Molly hat eine Achillesferse und das ist Schokolade. Schon als kleines Mädchen und später auch als junge Frau litt sie unter einem chronischen Ekzem. Der behandelnde Dermatologe klärte sie darüber auf, dass Schokolade nicht gut für ihr Ekzem sei. (Erlauben Sie mir eine Zwischenbemerkung: Da bin ich absolut auf seiner Seite. Auch in meiner Praxis habe ich festgestellt, dass selbst die reinste Schokolade aus biologisch angebautem und fermentiertem Kakao ein chronisches Ekzem schlimmer macht.) Molly isst einen Schokoladenriegel pro Tag. Sobald sie mehr isst, kann sie nicht mehr schlafen; isst sie weniger, wird sie reizbar, besonders vor der Mens.

Ohne Kaffee geht es nicht

Sam ist ein selbsterklärter Kaffee-Süchtiger. Seine Arbeitskollegen und seine Frau wussten es schon lange, bevor es ihm klar wurde. Woher sie das wussten? Sie wurden Zeugen seiner seiner „Reizbarkeit“, wenn er am Steuer seines Autos saß. Würde man x-beliebige Fremde zu seiner Verkehrstauglichkeit befragen, wäre die Liste mit Beschwerden über seine Rücksichtslosigkeit und Unhöflichkeit im Straßenverkehr sehr, sehr lang. War er vollgetankt mit Kaffee, bemerkten nicht wenige, dass er beim Gehen leicht schwankte. Es war so als hätte er Stahlfedern unter den Füßen, die ihn bei jedem Schritt in die Luft katapultierten. Selbst im Sitzen sah er aus, als wäre er an eine vibrierende Fitnessmaschine aus den 1940er Jahren angeschlossen. Aber für Sam gab es kein Halten, wie mit allem anderem in seinem Leben auch. Er wollte wirklich nicht auf den Kaffee verzichten. Außerdem hatte Sam Schmerzen in der Lebergegend. Es war wie ein Wundschmerz und er musste sich ständig an der bestreffenden Stelle reiben. Sams Verlangen nach Kaffee könnte man schon eher als Sucht bezeichnen als Brunos Vorliebe für Kohlenhydrate. Deshalb ist zu wünschen, dass Sam dies erkennt und sich bemüht, diese Sucht zu überwinden. Ohne die damit verbundenen Anstrengungen ist es zwar immer noch möglich, allein mit Homöopathie Erfolge zu erzielen, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass seine schlechten Angewohnheiten in Zukunft wieder die Oberhand gewinnen werden. Der Wille zur Veränderung muss da sein.

In jedem dieser Beispielfälle spielt Sucht eine Rolle, obwohl diese Begriffswahl womöglich zu harsch ist; „innerer Drang“ beschreibt es vielleicht besser. Und obwohl ich der Meinung bin, dass die Abhängigkeit von illegalen Substanzen in den meisten Fällen selbst gewählt ist und deswegen nur mit Willenskraft und Entschlossenheit bewältigt werden kann, ist das Bild bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten sehr viel komplexer. Wir müssen also ein Arzneimittel finden, das sich in der Praxis für die Behandlung solcher Beschwerden bewährt hat.

Kaffeesucht behandelnIm Reich der hungrigen Geister - Dr. Gabor Maté

Ein guter Anfang für Sam war Camphora 200. Es wird nur an einem Tag eingenommen und unterstützt andere homöopathische Arzneimittel in ihrer Wirkung. Chelidonium wurde gegen die Schmerzen in der Lebergegend empfohlen zusammen mit Nux vomica als Mittel gegen die eigentliche Kaffeesucht. Nux vomica ist nicht immer die perfekt passende Arznei, aber in der Regel ein sehr guter Ausgangspunkt. Es überrascht nicht, dass Sam auch an Verstopfung litt. Der Stuhlgang war hier trocken, oft unvollständig und der Stuhl schwer abzusetzen.

So sah Sams homöopathischer Behandlungsplan aus:

  1. Camphora 200, um die Sache zu bereinigen
  2. Chelidonium 6, zweimal täglich (für die Leber)
  3. Nux vomica 200, einmal täglich (gegen die Kaffeesucht)
  4. Lycopodium 200, gemischt mit Plumbum met. 200 (trockener, unvollständiger Stuhlgang, schwer abzusetzen)

Was tun, wenn Sie von Kohlenhydraten abhängig sind?

Bei einem Kind wie Bruno würden wir noch nicht von Sucht sprechen, weil die Lebensmittel, nach denen er verlangt, keine Drogen sind (obwohl sein Verhalten etwas anderes vermuten lässt). Stattdessen gehen wir davon aus, dass seine Blutzuckerwerte eingestellt werden müssen. Über acht Wochen hinweg würden wir deshalb zwei verschiedene homöopathische Arzneimittel geben und in diesem Zeitraum Brunos Reaktion beobachten und den Verlauf beurteilen. Wenn Brunos Verhalten dann weniger auffällig, sein Essverhalten abwechslungsreicher und die ungesunden Gelüste weniger aufdringlich werden, er in der Schule und zu Hause aber verträglicher wird, können wir davon ausgehen, dass die Arzneimittel Wirkung zeigen.

Zu Beginn geben wir – wie in Sams Fall auch – Camphora 200, um die Sache ins Reine zu bringen; dann zweimal täglich Chelidonium 6, weil wir davon ausgehen, dass sein Blutzucker nicht in Ordnung ist. Auch wenn er keine klinischen Symptome hat, wird dieses Arzneimittel oft bei Diabetes Typ 2 verabreicht. Und weil Bruno hyperaktiv ist, wird noch Hyoscyamus 6 in das Behandlungsprotokoll aufgenommen.

Interessanterweise fällt beim näheren Hinschauen auf, dass Bruno schon viele Mittelohr- und Mandelentzündungen hatte, die oft mit Antibiotika behandelt werden mussten. Brunos Mutter bestätigte dann auch, dass der seltsame Stuhlgang – abwechselnd hart und weich – erstmals nach einer Antibiose aufgetreten war. Die Hyperaktivität und das ungewöhnliche Essverhalten folgten kurze Zeit später. Mit diesen zusätzlichen Informationen wurde ein neues Protokoll ausgearbeitet:

  1. Camphora 200, um die Folgen der Antibiose zu beseitigen
  2. Chelidonium 6, zweimal täglich (für den Blutzucker)
  3. Nux vomica 30, zweimal täglich (Darmbeschwerden, die speziell von Antibiotika herrühren)
  4. Hyoscyamus 6, zweimal täglich (Hyperaktivität)

Acht Wochen nach dem ersten Termin (und nach Verabreichung der oben genannten Arzneimittel), berichtete Brunos Mutter, dass er keine Probleme mit dem Stuhlgang mehr habe. Sein Stuhlgang war nun regelmäßig und der Stuhl unauffällig, keine Wechselhaftigkeit. Er war immer noch ein ziemlich aufgeweckter Junge, aber man konnte ihn nun gut um sich haben. Was die sehr eingeschränkte Ernährung mit Kohlenhydraten und Süßigkeiten betraf, aß Bruno nun auch mal ein Schweinekotelett, Eier und Hamburger. Seine Mutter konnte ihn sogar dazu überreden, ihren selbstgemachten Kefir zu trinken.

Kurz nach diesem Termin setzte die Mutter Brunos homöopathische Arzneien ab, weil sie der Meinung war, er benötige sie nicht mehr. Es ging ihm weiterhin gut, bis er einige Monate später eine Halsentzündung hatte und wieder ein Antibiotikum einnehmen musste. Nicht sehr überraschend kehrten auch seine alten Symptome wieder zurück. Am letzten Tag der Antibiotikaeinnahme begann Brunos Mutter wieder mit dem oben beschriebenen Protokoll und innerhalb weniger Monate (dieses Mal dauerte es länger) war er wieder dort, wo er vor der Antibiose aufgehört hatte.

Seitdem hat seine Mutter gelernt, bei den ersten Anzeichen einer Halsentzündung Hepar sulph 200 zu geben, alle sechs Stunden eine Dosis. Das wird die Antibiose überflüssig machen. Bei vielen Menschen sorgt dieses Mittel dafür, dass die Infektion gar nicht erst fortschreitet und ganz ohne Nebenwirkungen wieder abklingt. Zu denen gehören auch zukünftige Essstörungen und Schäden an der Darmschleimhaut.

Was tun bei Schokoladensucht?Spektrum Homöopathie - Sucht

Auch Molly hatte im Leben schon viele Antibiotika eingenommen, was aber in ihrem Fall nicht so gravierend war wie ihr Hormonhaushalt. Schließlich müssen fast alle Kinder irgendwann einmal Antibiotika einnehmen. Aber Molly kannte die Gefahren dieser toxischen Medikamente und hatte vor vielen Jahren begonnen, regelmäßig fermentiertes Gemüse zu essen und Knochenbrühe und Kombucha zu trinken. Sie war sich ziemlich sicher, dass ihr Darm in Ordnung war, nicht zuletzt, weil sie seit Jahren keine Verstopfung mehr hatte und sich in dieser Hinsicht sehr wohl fühlte. Bei ihren Hormonen hatte Molly aber ein anderes Gefühl. Sie war in den Wechseljahren, ihre Libido war im Keller und sie konnte nicht gut schlafen. Außerdem hatte sie Herzrasen. Cremige Milchschokolade half und war ein Ausweg.

War es ihre Schilddrüse, die das Herzrasen verursachte, oder ihr Heißhunger auf Schokolade? Molly hatte keine anderen Symptome, die auf eine Schilddrüsenunterfunktion deuteten, also gab ich ihr homöopathische Arzneimittel, die spezifisch auf ihre Beschwerden zugeschnitten waren. Das folgende Protokoll habe ich für sie zusammengestellt, um Mollys Verlangen nach Schokolade (und damit auch nach Zucker) begleitet von Schlafstörungen und Herzrasen zu behandeln:

  1. Camphora 200, um die Sache zu bereinigen
  2. Chelidonium 6, zweimal täglich (süchtig nach Zucker)
  3. Ammonium carbonicum 200, alle zwei Tage einzunehmen (hormonelle Umstellungen in den Wechseljahren)
  4. Coffea 200, zweimal täglich (Schlaflosigkeit, Herzrasen, Verlangen nach Zucker)

Muss Molly nun gänzlich auf Schokolade verzichten, damit es ihr wieder besser gehen kann? Nicht unbedingt. Meine Philosophie ist, dass jeder bei McDonalds essen können sollte, wenn er das möchte. Ich will niemanden dazu ermutigen, sich von Fast Food und Fertiggerichten zu ernähren, aber wenn es die aktuelle Situation eines Menschen nicht zulässt, sich von hochwertiger Hausmannskost zu ernähren, dann will ich erreichen, dass er oder sie gesund genug ist, um die eine oder andere Fast Food-Mahlzeit problemlos zu vertragen. Nichtsdestotrotz wäre es gut, wenn Molly eine Zeit lang ganz auf Schokolade verzichtet und ihrem Körper eine Pause davon gönnt. Nur so kann sich eine rasche Besserung einstellen. (Ich weiß, dass das manchmal leichter gesagt ist als getan.) In der Zwischenzeit haben die homöopathischen Arzneien die Möglichkeit, die zugrundeliegende Störung – das ungesunde Verlangen nach Schokolade und Zucker – zu korrigieren und das Wohlbefinden wiederherzustellen.

In unserer Welt des proaktiven Handelns ist es durchaus klug und umsichtig, Ernährungsfehlern gegenzusteuern. In manchen Fällen muss man für eine ganze Zeit lang auf bestimmte Nahrungsmittel verzichten, damit eine Heilung stattfinden kann. In anderen Fällen, wie zum Beispiel bei Bruno, kann das homöopathische Mittel Hand in Hand mit dem Lebensstil des Patienten arbeiten und unabhängig von der Ernährung viel bewirken. Es gibt jedoch bestimmte Umstände, unter denen dies weder wünschenswert noch möglich ist. Die Homöopathie ist die medizinische Therapie, die Nahrungsmittelunverträglichkeiten und deren Begleiterkrankungen an der Wurzel packt und dauerhaft heilt. Bitte vergessen Sie nicht, dass die Homöopathie personenspezifisch (über das individuelle Symptombild des Patienten) und krankheitsspezifisch wirkt. Drei unterschiedliche Formen der Sucht. Drei verschiedene Menschen. Ein homöopathisches Arzneimittel haben sie gemeinsam: Chelidonium 6. Wer weiß? Vielleicht ist Chelidonium 6 genau das richtige Arzneimittel für Sie oder jemanden, den Sie kennen.

Weiterführende Informationen zu Dosierung und Potenzierung der homöopathischen Arzneien finden Sie hier.

 


Quelle: https://www.westonaprice.org/health-topics/homeopathy/hey-cravings-meet-homeopathic-chelidonium-friends/


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