Ich hasse das, was aus meinem Mund kommt:
ein Fall von Corvus corvax

von Helen Beaumont


Die 54-jährige Patientin wurde wegen Wechseljahresbeschwerden und Hitzewallungen von ihrem Hausarzt an das homöopathische Krankenhaus in Bristol überwiesen. Sie ist gänzlich in Schwarz gekleidet und eine sehr beeindruckende Erscheinung.

Patientin (P): Ich habe Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen. Ich kann sehr, sehr wütend werden – und ich meine richtig wütend. Es ist diese Anspannung, mit der ich nicht zurechtkomme. Man gewöhnt sich daran, wenn man noch die Regelblutungen hat, aber wenn diese erst einmal aufhören, versteht man gar nicht mehr, was los ist. Es ist schrecklich, sehr schwierig, eine echte Herausforderung.
Ich bin Lehrerin und unterrichte 16/18-Jährige. Mein Gott, ich habe schon oft darüber nachgedacht, meinen Beruf aufzugeben. Ich gehöre zu den wenigen Lehrern, die schlechtes Betragen und Unverschämtheit nicht tolerieren. Der Druck ist groß. Wenn der Notendurchschnitt zu schlecht ist, gibt es keine Finanzierung, also strengt man sich an, den Jugendlichen Englisch und Mathe beizubringen – es ist eine Flucht-oder-Kampf-Situation.

Ich bin diese Arbeit leid, aber ich habe wirklich keine Wahl, ich muss arbeiten. Ich unterrichte auch die 19-Jährigen, das bringt noch mal ganz andere Probleme mit sich. Da sind viele alleinerziehende junge Mütter dabei. Ein Lehrer sollte allen Kindern helfen, auch den sozial benachteiligten. Ich habe getan, was ich konnte. Ich musste hart sein. Es geht nicht nur um meine Arbeit, es gibt auch noch andere Probleme.

 

Probleme mit der Familie

P: Vor vier Jahren habe ich meine Mutter verloren. Es ist immer noch schwer für mich. Es ist verrückt, wir wussten ja alle, dass es sehr schwer sein würde für mich - sehr emotional, aber ich habe das Gefühl, nicht weiterleben zu können. Ich versuche, mich mit der Tatsache abzufinden, keine Mutter mehr zu haben. Ich muss jetzt erwachsen sein. Ich konnte immer mit meinen Problemen zu ihr gehen und über alles reden. Ich habe sie mit meinen Problemen belastet.

Ihr Tod hat die Familie auseinandergerissen – ich glaube, das liegt auch an mir. Meine Schwester ist sehr temperamentvoll – raten Sie mal, wie rechthaberisch sie sein kann – und mein Bruder ist auch Lehrer. Mit meinem Mann bin ich seit 15 Jahren zusammen. Meine Eltern wurden geschieden, als ich 13 Jahre alt war. Meine Mutter war das Bindeglied zwischen uns allen, sie hat uns verbunden und das fehlt, seit sie nicht mehr da ist.


Rechthaberei

P: Ich bin schon immer sehr eigensinnig gewesen und will meistens Recht behalten. Das hat mich schon oft in Schwierigkeiten gebracht. Ich nenne die Dinge gerne beim Namen, vielleicht sollte ich mich besser zurückhalten.
Ich habe eine Tochter, sie ist ein wunderbarer Mensch, aber zahlt keinen Penny und hat keinerlei Respekt. Sie stand meiner Mutter sehr nahe, die beiden haben sich super verstanden. Meiner Tochter ging es gut, bis meine Mutter starb und plötzlich hat sie alles aufgegeben. Sie hat die Schule abgebrochen, ihr Examen nicht gemacht. Sie hat sich einen Vollzeitjob gesucht und versucht, das durchzuhalten. Sie hat es nicht geschafft. Sie ist einfach faul, dabei habe ich sie mit richtig viel Geld unterstützt.


Suizidgedanken

Flucht oder Kampf

P: Ich habe einen wunderbaren Ehemann, er ist sehr verständnisvoll und unterstützt mich in allem. Manchmal kann ich gar nicht verstehen, dass er so gut zu mir ist, ich weiß nicht, was ich ohne ihn machen würde. Ich habe Selbstmordgedanken, weil ich allen zur Last falle. Meine Tochter ist erst 21 und hat einen Berg von Schulden. Das ist kein guter Start ins Leben.

Zu meinen Geschwistern habe ich keinen Kontakt mehr. Es ist nicht richtig, wir sind schließlich verwandt, aber wir verstehen uns einfach nicht. Ich habe es versucht, aber mein Mann hat seine Stelle verloren, er ist arbeitslos und wir haben kein Geld. Aber wir können doch kein Geld von der Familie annehmen, wenn wir mal etwas für sie erledigen. Ich mache mir die ganze Zeit Vorwürfe.

Energisch

Helene Beaumont (HB): Erzählen Sie mir bitte etwas über die Vorwürfe.

P: Ich hasse mich selbst dafür und für das, was aus meinem Mund kommt. Es ist, als wäre ich zwei Personen. Ich hasse mich, aber wem muss ich das sagen? Auf der Arbeit ist es mittlerweile ein „Witz“ geworden – Witz in Anführungszeichen.
Es ist, als hätte ich das Tourette-Syndrom – es ist wie ein Zwang. Ich muss immer das sagen, was sowieso alle denken. Jeder teilt meine Meinung, aber ich bin diejenige, die es ausspricht.
Mein ehemaliger Chef hat mich für meine Kompetenzen als Lehrerin sehr geschätzt, aber ich bin wie ein Maschinengewehr, sie laden mich, zielen und ich feure die Patronen ab. Entweder, es läuft so, wie ich das gerne hätte, oder tschüss. Ich halte mich an die Regeln, bin aber sehr energisch.


Schwarz und Weiß

P: Im Unterricht hatte ich diesen Schüler, dessen Mutter Alkoholikerin war. Er konnte sich nicht an die Regeln halten. Ich habe wirklich versucht, einen Zugang zu ihm zu finden. Er mochte schwarzafrikanische Musik. Mein Mann hat einen guten Draht zu Kindern und hat ihm Musik von schwarzafrikanischen Künstlern vorgespielt. Ich habe ihm sogar ein Praktikum bei einem Frisör besorgt, der sich auch auf afrikanische Frisuren spezialisierte, also schwarze und weiße Frisuren macht. Ich bin in der Stadt ja gut vernetzt. Der Junge meinte aber, er wolle nicht mit Schwarzen zusammenarbeiten und ich habe mich darüber aufgeregt. Er behauptete dann, ich hätte ihn als Rassist beschimpft. Er kam dann regelmäßig zu spät in den Unterricht, was mich sehr aufgeregt hat. Zum Schluss habe ich ihn angeschrien und gesagt, dass er nicht ständig hier alle Regeln brechen könne. Er ist ausgerastet und hat mich angeschrien, er ist richtig ausfallend geworden und mir gedroht ins Gesicht zu schlagen. Ich habe ihn dann rausgeschmissen.


Die Wahrheit ist wichtiger als alles andere


P. Der Junge wurde vom Unterricht ausgeschlossen und anschließend gab es eine Anhörung, ich musste Stellung beziehen. Der Junge erzählte damals nicht die Wahrheit und durfte wieder in meinen Unterricht. Ich wurde komplett übergangen. Inoffiziell wurde mir gesagt, dass ich Recht hatte, aber den Jungen zu sehr eingeschüchtert hätte. Ich habe einfach zu viel erzählt, die Gewerkschaft hatte überhaupt keinen Einfluss auf die Sache. Ich muss mich besser schützen, mein Bedürfnis, die Wahrheit zu sagen, ist größer als alles andere, aber ich mache mich damit auch verletzlich. Ich bin wehrlos und biete eine gute Angriffsfläche für andere.


Schulden

P: Ich würde meine Arbeitsstelle gern aufgeben, kann es mir aber nicht leisten. Wir haben Schulden und das ist meine Schuld. Mein Mann hat innerhalb von 6 Jahren vier Mal seinen Arbeitsplatz verloren. Wir haben einen Schuldenabbauplan, aber das dauert Jahre, bis wir davon wieder runterkommen. Ich will meiner Tochter nichts davon erzählen, sie würde mich vielleicht für Abschaum halten – vielleicht bin ich das ja auch?


Die Dreckarbeit machen

P:
Ich hatte eine schreckliche Chefin. Alle haben mich davor gewarnt, mich mit ihr anzulegen. Aber es musste einfach sein. Wir haben uns richtig in die Haare gekriegt, ich habe direkt in ein Wespennest gestochen. Ich habe eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie erwirkt, weil sie mich gemobbt hatte. Ich musste immer spät abends arbeiten, mein Stundenplan war furchtbar. Aber jetzt höre ich nur, dass man überall Angst vor mir hat und ich deswegen nirgendwo anders arbeiten kann. Es gab eine Anhörung – niemand hatte es vorher gewagt, dieser Frau die Stirn zu bieten – die Gewerkschaft muss doch endlich mal etwas gegen diese Frau unternehmen. Es wurde dann eine richtige Hexenjagd daraus und niemand wollte anschließend mit mir reden. Es war fast, als hätte ich die Drecksarbeit machen müssen, obwohl alle Angst hatten vor dieser Frau.

Ich fühle mich arm und schäme mich

HB: Erzählen Sie bitte etwas mehr über die Hitzewallungen.

P: Mir wird heiß und dann drehe ich durch. Ich kann nicht wirklich sagen, dass mir heiß ist, und warum ich mich so idiotisch benehme. Es passiert einfach so - immer wenn ich glaube, das Zepter in der Hand zu haben, wenn ich meine, dass ich etwas besser kann als andere. Ich könnte mich zum Beispiel nur über dämliche Lieferwagenfahrer aufregen. Ich werde sehr gereizt und fange an zu schreien. Es tut mir wirklich sehr Leid, dass ich so bin, es gibt keine Entschuldigung dafür, ich finde es selbst widerlich.

Ich muss die Dinge aussprechen, wie sie sind. Alle erwarten das von mir. Es ist eine Last, niemand sonst wird es aussprechen. Mein Mann ist da diplomatischer. Gestern bin ich nach Hause gekommen und wurde plötzlich SO wütend. Uns sind die Hände gebunden, das Haus ist nur halbfertig und wir können nichts dagegen tun. Ich fühle mich arm und schäme mich so dafür.

HB: Was heißt es, arm zu sein?

P: Ich schäme mich so, es ist demütigend, man wird von der Familie verstoßen. Ich muss lernen, mit weniger Geld auszukommen. Ich  muss lernen, das Geld nicht nur auszugeben, sondern auch damit umzugehen.


Sich ungeliebt fühlen


P: ich bin gerne mit meinem Mann zusammen, ich fühle mich gut mit ihm. Er hat mich schon einmal betrogen, ich habe mir Sorgen gemacht deswegen, aber wir haben es hinter uns gelassen.
Männer sind so, wie sie sind. Männer sind schwach, Frauen nicht. Meiner Mutter ist das Gleiche passiert. Mein Mann hat an sich gearbeitet, er weiß, dass es ein Fehler war, aber es ist nur schwer unter Kontrolle zu bringen. Nach einem langen Urlaub in Amerika haben wir wieder zueinander gefunden.
Mit seiner Arbeit hatte er bislang nur Pech. Er ist sehr clever und begabt, ist aber manchmal ein richtiger Mistkerl – das ist seine Schwäche. Ich bin fest entschlossen, das mit meinem Mann durchzustehen, für ihn zu kämpfen. Ich habe keine Angst davor, es auszusprechen, wir haben schon zusammen geweint.

Ob ich ihm verzeihen kann? Niemand ist perfekt, ich habe ihn dafür bezahlen lassen, aber wir müssen nach vorne schauen. Ich kann ihm vergeben, aber nicht vergessen. Ich mache mir Sorgen, wenn wir mal vier Tage lang keinen Sex haben. Er hat mir geschworen, dass er es seit damals nicht wieder getan hat, aber er ist im Internet in Chat Rooms unterwegs. Eigentlich müsste man mit ihm Mitleid haben, nicht mit mir.
Manchmal frage ich ihn „Was ist LOS mit dir?“, aber er sagt nur, er fühle sich nicht geliebt von mir, weil ich so launisch bin. Niemand ist perfekt, ich habe wirklich Glück, diesen Mann zu haben, diese Verbindung zu ihm, diese tiefe Beziehung, aber wir haben natürlich unsere Macken. Er hat mich betrogen und ich es nicht wirklich vergessen. Ich bin unberechenbar, er weiß nie, in welcher Laune er mich vorfinden wird. Mein Vater hat das Gleiche mit meiner Mutter gemacht.


Umweltbewusstsein

HB: Womit fühlen Sie sich besonders verbunden?

P: Mit der Erde – was hier passiert, macht mir wirklich Angst. Ich habe Angst um unseren Planeten, um die Umwelt. Es ist verrückt, uns gehen die Ressourcen aus, das Wasser steht uns bis zum Hals und dann stirbt man und hat nichts getan, nichts bewirkt. Ich würde gern auf dem Land leben, Pferde halten und reiten.


Wertlos, Diebstahl


P: Es gibt Leute, auf die ich sehr eifersüchtig bin. Meine Mutter hat ihr ganzes Geld ihrem neuen Mann vermacht, er hat mich sogar als Flittchen beschimpft.
Ich finde das alles sehr verwirrend. Ich kann meinem eigenen Urteilsvermögen nicht mehr trauen. War das jetzt echt, oder war es nur meine Einbildung?
Ich fühle mich nicht wertgeschätzt. Ich habe mich um Mutter gekümmert und habe dafür keinen Respekt bekommen.
Ich habe eine Scheiß-Tochter, im Job läuft es nicht gut und mein Mann ist Scheiße. Ich weiß überhaupt nicht mehr, wer ich bin. Ich bin nur Frau und Mutter. Die machen mit mir, was sie wollen.


Furcht vor flatternden Vögeln

HB: Haben Sie Ängste?
P: Vögel – ich hasse Vögel, sie machen mich wahnsinnig. Seemöwen sind so riesig und werden durch den ganzen McDonalds-Kram immer größer. Es ist unglaublich, was in der Luft alles los ist, es treibt mich zum Wahnsinn.


Eingesperrt und gequält


P: Große Lastwagen machen mich panisch. Ich habe Angst, zerquetscht zu werden, zu ersticken. Ich habe von etwas geträumt, dass größer ist als ich.
Ich werde eingesperrt sein, ich werde gefoltert. Gibt es einen Ausweg? Ich kann nicht atmen und kann nichts sehen.
Ich habe es verdient, es ist alles meine Schuld. Manchmal glaube ich, ich werde verrückt. Ich greife an, ich kratze, ich kämpfe, dann breche ich in Tränen aus.

Reue

P. Keine Woche vergeht, ohne dass ich geweint habe. Alleine. Etwas passiert und es tut mir so leid. Ich habe ständig ein schlechtes Gewissen. Ich entschuldige mich natürlich, dafür bin ich bekannt. Ich entschuldige mich auch bei meinem Mann für meine Stimmungsschwankungen.

Einsamkeit im Gegensatz zu Nähe

P: Aber wenn man missverstanden wird, dann ist das eine echte Herausforderung. Wie reagiert man darauf? Ich habe so oft jemanden verletzt, es hat Wunden hinterlassen, aber ich könnte nie gemein zu jemandem sein.

Ich fühle mich wie eine Einzelgängerin; kein Mensch ist von Natur aus eine Insel, aber meine ist hausgemacht. Typische Mädchen-Sachen mache ich nicht, dieses Mädchenhafte geht mir auf die Nerven. Ich habe eine gute Freundin, wir verstehen uns sehr gut, sie kennt meine weichen Seiten. Sie raucht sehr viel und wenn ich mit ihr zusammen bin, rauche ich eine Zigarette mit, auch wenn mir gerade nicht danach ist. Es beruhigt mich. Das Rauchen ist bei mir schon zur Sucht geworden. Seit dem Tod meiner Mutter mache ich Sport und habe 15 Kilogramm abgenommen. Es war wie eine Familienhochzeit und wir haben alle eine Show hingelegt.

Nicht beachtet

P:
Ich fühle mich großartig, aber mit 54 bewegt man sich auf einer anderen Ebene. Ich setze mich mit Problemen auseinander und schließe Frieden mit mir selbst.

Ich sitze in einer Falle, man beachtet mich nicht, als wäre ich auf einem völlig anderen Planeten. Aber ich weiß, dass ich Recht habe.

Manchmal breche ich sogar im Klassenraum in Tränen aus – brauche ich das alles? Dann fange ich an zu schreien. Diese Hitzewallungen holen mich dann mit aller Macht wieder ein.

Analyse

Tierreich

Die Patientin hatte bereits Lachesis bekommen, aber nicht darauf angesprochen.
Es gibt viele Konflikte und Auseinandersetzungen, vor allem bei den Dienstaufsichtsbeschwerden und Anhörungen geht es um „mich oder die anderen“. „Ich bin schutzlos und biete eine Angriffsfläche für andere“.
Außerdem geht es um Eifersucht und Unsicherheit auf der sexuellen Ebene. Der Fall ist im Tierreich angesiedelt.

Um welches Tier handelt es sich hier?

Die Patientin arbeitet viel und hat Angst vor Armut; ihre Sorgen um die hohe Verschuldung zeugen von Überlebensängsten. Sie fühlt sich gemobbt und am Arbeitsplatz nicht anerkannt. Das könnte ein Insekten-Thema sein.

Vogelthemen


Die Patientin erzählt von ihren Reisen, sie fühlt sich eingeengt und hat das Gefühl zu ersticken. Ihre Probleme drehen sich aber nicht hauptsächlich um das tuberkulinische Miasma, sondern eher um die Zurückweisung durch ihre Familie und ihre Arbeitskollegen. Sie fühlt sich so „erniedrigt, ausgeschlossen von meiner Familie. Ich schäme mich.“ „Ich finde mich selbst widerlich“. Das sind die Aussagen eines Tiermittels aus dem Lepra-Miasma.
Sie spricht offen über ihre Probleme und über das, was aus ihrem Mund kommt, auch, wenn es sie in Schwierigkeiten bringt. Es gibt keinerlei Hinterhältigkeit, ist also kein Schlangenmittel. Kommunikation, auch Tratsch und Klatsch, sind zentrale Merkmale der Vögel. Sorgen um die Familie und den Zustand unserer Erde ebenfalls.

Empörung

Neben der Furcht vor Vögeln gibt es in diesem Fall viele andere Ängste, die gut zu repertorisieren sind. „Man wird mich einsperren und quälen, wie kann ich dem entkommen? Ich kann nicht atmen, ich kann nichts sehen…“ Furcht vor dem Eingesperrt-sein und vor Folter sind die zentralen Themen von Falco peregrinus. Allerdings ist Falco peregrinus das einzige Vogelmittel, das im Repertorium adäquat erwähnt wird und wir können nicht ausschließen, dass es sich bei der Patientin um ein anderes Vogelmittel handelt.

Das Hauptthema der Patientin ist nicht die Furcht vor dem Eingesperrt-sein, vor der Folter, wie wir es von den Falken her kennen. Die Patientin empört sich über Konflikte, über unfaire Disziplinarverfahren und verbale Angriffe. Sie fühlt sich gedemütigt. Jonathan Shore schreibt in seinem Buch ‚Vögel – Homöopathische Bücher aus dem Vogelreich‘ über Corvus corvax. Er zeigt auf, dass Corvus-Patienten ebenfalls vom Eingesperrt-sein träumen, ihre sichtbare Reaktion darauf aber als Empörung und Konfrontationsbereitschaft zum Tragen kommt. „Ich habe es verdient, es ist alles meine Schuld. Manchmal glaube ich, ich werde verrückt. Ich greife an, ich kratze, ich kämpfe, dann breche ich in Tränen aus.“
In seinem Buch ‚Vögel in der Homöopathie – Freiheit in den Lüften‘ differenziert Peter Fraser zwischen Corvus splendens (Krähe) und Corvus corax (Rabe). Er beschreibt die Gattung Corvus als sehr reizbar und jähzornig, die kleinste Provokation führt zum Wutausbruch; „sie schießen andere Leute mit ihren Worten ab“. Trotzdem findet man bei Corvus das Verlangen, anderen Menschen zu helfen; sie haben aber auch das Gefühl, zu Unrecht beschuldigt zu werden, sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Corvus ist materialistisch und greift zu drastischen Mitteln (Diebstahl) um sich zu bereichern.

Raben-Patienten glauben häufig, in Erbschaftsangelegenheiten übergangen worden zu sein, in finanziellen Angelegenheiten fühlen sie sich allgemein oft als Opfer. Sie fühlen sich gedemütigt und missbraucht und sind es leid, sich ständig gegen Angriffe von außen schützen zu müssen. Patienten, die dieses Mittel brauchen, fühlen sich nicht wertgeschätzt, nicht anerkannt oder respektiert für das, was sie sagen oder tun. Sie fühlen sich in ihrer Person nicht anerkannt. Das treibt sie zum Wahnsinn, sie schreien förmlich gegen die Ungerechtigkeit an. Sie sind rasend vor Wut, schreien und brechen in Tränen aus.

Unter Umständen wird auch ein verzerrter Realitätssinn thematisiert, sie wissen nicht mehr, was echt ist und was nicht. Ihre eigene Realität und Wahrheit wird von der Außenwelt geleugnet, was zu Schamgefühlen und Minderwertigkeitskomplexen führt. Jonathan Shore hebt das Engagement dieser Menschen für ihre Umwelt hervor. Auch schreibt er, dass Raben zu Schwarzweißmalerei neigen. Während der Prüfung war eine suizidale Stimmung zu spüren.

Im vorliegenden Fall können wir die metaphysischen, übernatürlichen Aspekte des Raben als Vorbote des Todes und Bote zwischen den Welten nicht erkennen.

Die Wahl zwischen Krähe und Rabe fällt schwer.

Verschreibung: Corvus corax, LM3 täglich.

Follow-up

P: Mir geht es gut, ich fühle mich sehr viel vernünftiger. Die Arbeit beschäftigt mich nicht mehr so sehr. Ich bin positiver geworden. Einiges hat sich geändert, ich überlege zurzeit, einen kleinen Laden zu eröffnen.
In den letzten Monaten habe ich viel gelernt; ich weiß jetzt, dass ich mir Ziele setzen kann.
Ich hatte vergessen zu erwähnen, dass ich früher oft Herpes hatte. Die Bläschen sind ewig lange nicht abgeheilt. Nachdem ich das Mittel genommen hatte, hatte ich wieder einen Herpes, der aber sehr schnell abheilte. Ich mache jetzt Aerobic, ich liebe es.

Meiner Familie geht es gut; mit meiner Tochter verstehe ich mich besser. Ich bin vernünftig geworden und weine nicht mehr so oft. Ich habe auch wieder Kontakt mit meinem Bruder und meinem Vater aufgenommen. Ich muss die Tropfen jetzt nicht mehr so oft einnehmen, nur wenn ich das Gefühl habe, sie wieder zu brauchen.

HB: Was ist mit Ihren Hitzewallungen?

P: Hitzewallungen – welche Hitzewallungen? (Patientin lacht)

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Fotos: Monkey Business Images

Kategorie: Fälle
Schlüsselwörter: Hitzewallungen, Wut, energisch, fluchen, missverstanden, nicht respektiert, nicht wertgeschätzt, betrogen, gefangen, nicht real.
Mittel: Corvus corax

Ich hasse das, was aus meinem Mund kommt:
ein Fall von Corvus corvax

von Helen Beaumont


Die 54-jährige Patientin wurde wegen Wechseljahresbeschwerden und Hitzewallungen von ihrem Hausarzt an das homöopathische Krankenhaus in Bristol überwiesen. Sie ist gänzlich in Schwarz gekleidet und eine sehr beeindruckende Erscheinung.

Patientin (P): Ich habe Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen. Ich kann sehr, sehr wütend werden – und ich meine richtig wütend. Es ist diese Anspannung, mit der ich nicht zurechtkomme. Man gewöhnt sich daran, wenn man noch die Regelblutungen hat, aber wenn diese erst einmal aufhören, versteht man gar nicht mehr, was los ist. Es ist schrecklich, sehr schwierig, eine echte Herausforderung.
Ich bin Lehrerin und unterrichte 16/18-Jährige. Mein Gott, ich habe schon oft darüber nachgedacht, meinen Beruf aufzugeben. Ich gehöre zu den wenigen Lehrern, die schlechtes Betragen und Unverschämtheit nicht tolerieren. Der Druck ist groß. Wenn der Notendurchschnitt zu schlecht ist, gibt es keine Finanzierung, also strengt man sich an, den Jugendlichen Englisch und Mathe beizubringen – es ist eine Flucht-oder-Kampf-Situation.

Ich bin diese Arbeit leid, aber ich habe wirklich keine Wahl, ich muss arbeiten. Ich unterrichte auch die 19-Jährigen, das bringt noch mal ganz andere Probleme mit sich. Da sind viele alleinerziehende junge Mütter dabei. Ein Lehrer sollte allen Kindern helfen, auch den sozial benachteiligten. Ich habe getan, was ich konnte. Ich musste hart sein. Es geht nicht nur um meine Arbeit, es gibt auch noch andere Probleme.

 

Probleme mit der Familie

P: Vor vier Jahren habe ich meine Mutter verloren. Es ist immer noch schwer für mich. Es ist verrückt, wir wussten ja alle, dass es sehr schwer sein würde für mich - sehr emotional, aber ich habe das Gefühl, nicht weiterleben zu können. Ich versuche, mich mit der Tatsache abzufinden, keine Mutter mehr zu haben. Ich muss jetzt erwachsen sein. Ich konnte immer mit meinen Problemen zu ihr gehen und über alles reden. Ich habe sie mit meinen Problemen belastet.

Ihr Tod hat die Familie auseinandergerissen – ich glaube, das liegt auch an mir. Meine Schwester ist sehr temperamentvoll – raten Sie mal, wie rechthaberisch sie sein kann – und mein Bruder ist auch Lehrer. Mit meinem Mann bin ich seit 15 Jahren zusammen. Meine Eltern wurden geschieden, als ich 13 Jahre alt war. Meine Mutter war das Bindeglied zwischen uns allen, sie hat uns verbunden und das fehlt, seit sie nicht mehr da ist.


Rechthaberei

P: Ich bin schon immer sehr eigensinnig gewesen und will meistens Recht behalten. Das hat mich schon oft in Schwierigkeiten gebracht. Ich nenne die Dinge gerne beim Namen, vielleicht sollte ich mich besser zurückhalten.
Ich habe eine Tochter, sie ist ein wunderbarer Mensch, aber zahlt keinen Penny und hat keinerlei Respekt. Sie stand meiner Mutter sehr nahe, die beiden haben sich super verstanden. Meiner Tochter ging es gut, bis meine Mutter starb und plötzlich hat sie alles aufgegeben. Sie hat die Schule abgebrochen, ihr Examen nicht gemacht. Sie hat sich einen Vollzeitjob gesucht und versucht, das durchzuhalten. Sie hat es nicht geschafft. Sie ist einfach faul, dabei habe ich sie mit richtig viel Geld unterstützt.


Suizidgedanken

Flucht oder Kampf

P: Ich habe einen wunderbaren Ehemann, er ist sehr verständnisvoll und unterstützt mich in allem. Manchmal kann ich gar nicht verstehen, dass er so gut zu mir ist, ich weiß nicht, was ich ohne ihn machen würde. Ich habe Selbstmordgedanken, weil ich allen zur Last falle. Meine Tochter ist erst 21 und hat einen Berg von Schulden. Das ist kein guter Start ins Leben.

Zu meinen Geschwistern habe ich keinen Kontakt mehr. Es ist nicht richtig, wir sind schließlich verwandt, aber wir verstehen uns einfach nicht. Ich habe es versucht, aber mein Mann hat seine Stelle verloren, er ist arbeitslos und wir haben kein Geld. Aber wir können doch kein Geld von der Familie annehmen, wenn wir mal etwas für sie erledigen. Ich mache mir die ganze Zeit Vorwürfe.

Energisch

Helene Beaumont (HB): Erzählen Sie mir bitte etwas über die Vorwürfe.

P: Ich hasse mich selbst dafür und für das, was aus meinem Mund kommt. Es ist, als wäre ich zwei Personen. Ich hasse mich, aber wem muss ich das sagen? Auf der Arbeit ist es mittlerweile ein „Witz“ geworden – Witz in Anführungszeichen.
Es ist, als hätte ich das Tourette-Syndrom – es ist wie ein Zwang. Ich muss immer das sagen, was sowieso alle denken. Jeder teilt meine Meinung, aber ich bin diejenige, die es ausspricht.
Mein ehemaliger Chef hat mich für meine Kompetenzen als Lehrerin sehr geschätzt, aber ich bin wie ein Maschinengewehr, sie laden mich, zielen und ich feure die Patronen ab. Entweder, es läuft so, wie ich das gerne hätte, oder tschüss. Ich halte mich an die Regeln, bin aber sehr energisch.


Schwarz und Weiß

P: Im Unterricht hatte ich diesen Schüler, dessen Mutter Alkoholikerin war. Er konnte sich nicht an die Regeln halten. Ich habe wirklich versucht, einen Zugang zu ihm zu finden. Er mochte schwarzafrikanische Musik. Mein Mann hat einen guten Draht zu Kindern und hat ihm Musik von schwarzafrikanischen Künstlern vorgespielt. Ich habe ihm sogar ein Praktikum bei einem Frisör besorgt, der sich auch auf afrikanische Frisuren spezialisierte, also schwarze und weiße Frisuren macht. Ich bin in der Stadt ja gut vernetzt. Der Junge meinte aber, er wolle nicht mit Schwarzen zusammenarbeiten und ich habe mich darüber aufgeregt. Er behauptete dann, ich hätte ihn als Rassist beschimpft. Er kam dann regelmäßig zu spät in den Unterricht, was mich sehr aufgeregt hat. Zum Schluss habe ich ihn angeschrien und gesagt, dass er nicht ständig hier alle Regeln brechen könne. Er ist ausgerastet und hat mich angeschrien, er ist richtig ausfallend geworden und mir gedroht ins Gesicht zu schlagen. Ich habe ihn dann rausgeschmissen.


Die Wahrheit ist wichtiger als alles andere


P. Der Junge wurde vom Unterricht ausgeschlossen und anschließend gab es eine Anhörung, ich musste Stellung beziehen. Der Junge erzählte damals nicht die Wahrheit und durfte wieder in meinen Unterricht. Ich wurde komplett übergangen. Inoffiziell wurde mir gesagt, dass ich Recht hatte, aber den Jungen zu sehr eingeschüchtert hätte. Ich habe einfach zu viel erzählt, die Gewerkschaft hatte überhaupt keinen Einfluss auf die Sache. Ich muss mich besser schützen, mein Bedürfnis, die Wahrheit zu sagen, ist größer als alles andere, aber ich mache mich damit auch verletzlich. Ich bin wehrlos und biete eine gute Angriffsfläche für andere.


Schulden

P: Ich würde meine Arbeitsstelle gern aufgeben, kann es mir aber nicht leisten. Wir haben Schulden und das ist meine Schuld. Mein Mann hat innerhalb von 6 Jahren vier Mal seinen Arbeitsplatz verloren. Wir haben einen Schuldenabbauplan, aber das dauert Jahre, bis wir davon wieder runterkommen. Ich will meiner Tochter nichts davon erzählen, sie würde mich vielleicht für Abschaum halten – vielleicht bin ich das ja auch?


Die Dreckarbeit machen

P:
Ich hatte eine schreckliche Chefin. Alle haben mich davor gewarnt, mich mit ihr anzulegen. Aber es musste einfach sein. Wir haben uns richtig in die Haare gekriegt, ich habe direkt in ein Wespennest gestochen. Ich habe eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie erwirkt, weil sie mich gemobbt hatte. Ich musste immer spät abends arbeiten, mein Stundenplan war furchtbar. Aber jetzt höre ich nur, dass man überall Angst vor mir hat und ich deswegen nirgendwo anders arbeiten kann. Es gab eine Anhörung – niemand hatte es vorher gewagt, dieser Frau die Stirn zu bieten – die Gewerkschaft muss doch endlich mal etwas gegen diese Frau unternehmen. Es wurde dann eine richtige Hexenjagd daraus und niemand wollte anschließend mit mir reden. Es war fast, als hätte ich die Drecksarbeit machen müssen, obwohl alle Angst hatten vor dieser Frau.

Ich fühle mich arm und schäme mich

HB: Erzählen Sie bitte etwas mehr über die Hitzewallungen.

P: Mir wird heiß und dann drehe ich durch. Ich kann nicht wirklich sagen, dass mir heiß ist, und warum ich mich so idiotisch benehme. Es passiert einfach so - immer wenn ich glaube, das Zepter in der Hand zu haben, wenn ich meine, dass ich etwas besser kann als andere. Ich könnte mich zum Beispiel nur über dämliche Lieferwagenfahrer aufregen. Ich werde sehr gereizt und fange an zu schreien. Es tut mir wirklich sehr Leid, dass ich so bin, es gibt keine Entschuldigung dafür, ich finde es selbst widerlich.

Ich muss die Dinge aussprechen, wie sie sind. Alle erwarten das von mir. Es ist eine Last, niemand sonst wird es aussprechen. Mein Mann ist da diplomatischer. Gestern bin ich nach Hause gekommen und wurde plötzlich SO wütend. Uns sind die Hände gebunden, das Haus ist nur halbfertig und wir können nichts dagegen tun. Ich fühle mich arm und schäme mich so dafür.

HB: Was heißt es, arm zu sein?

P: Ich schäme mich so, es ist demütigend, man wird von der Familie verstoßen. Ich muss lernen, mit weniger Geld auszukommen. Ich  muss lernen, das Geld nicht nur auszugeben, sondern auch damit umzugehen.


Sich ungeliebt fühlen


P: ich bin gerne mit meinem Mann zusammen, ich fühle mich gut mit ihm. Er hat mich schon einmal betrogen, ich habe mir Sorgen gemacht deswegen, aber wir haben es hinter uns gelassen.
Männer sind so, wie sie sind. Männer sind schwach, Frauen nicht. Meiner Mutter ist das Gleiche passiert. Mein Mann hat an sich gearbeitet, er weiß, dass es ein Fehler war, aber es ist nur schwer unter Kontrolle zu bringen. Nach einem langen Urlaub in Amerika haben wir wieder zueinander gefunden.
Mit seiner Arbeit hatte er bislang nur Pech. Er ist sehr clever und begabt, ist aber manchmal ein richtiger Mistkerl – das ist seine Schwäche. Ich bin fest entschlossen, das mit meinem Mann durchzustehen, für ihn zu kämpfen. Ich habe keine Angst davor, es auszusprechen, wir haben schon zusammen geweint.

Ob ich ihm verzeihen kann? Niemand ist perfekt, ich habe ihn dafür bezahlen lassen, aber wir müssen nach vorne schauen. Ich kann ihm vergeben, aber nicht vergessen. Ich mache mir Sorgen, wenn wir mal vier Tage lang keinen Sex haben. Er hat mir geschworen, dass er es seit damals nicht wieder getan hat, aber er ist im Internet in Chat Rooms unterwegs. Eigentlich müsste man mit ihm Mitleid haben, nicht mit mir.
Manchmal frage ich ihn „Was ist LOS mit dir?“, aber er sagt nur, er fühle sich nicht geliebt von mir, weil ich so launisch bin. Niemand ist perfekt, ich habe wirklich Glück, diesen Mann zu haben, diese Verbindung zu ihm, diese tiefe Beziehung, aber wir haben natürlich unsere Macken. Er hat mich betrogen und ich es nicht wirklich vergessen. Ich bin unberechenbar, er weiß nie, in welcher Laune er mich vorfinden wird. Mein Vater hat das Gleiche mit meiner Mutter gemacht.


Umweltbewusstsein

HB: Womit fühlen Sie sich besonders verbunden?

P: Mit der Erde – was hier passiert, macht mir wirklich Angst. Ich habe Angst um unseren Planeten, um die Umwelt. Es ist verrückt, uns gehen die Ressourcen aus, das Wasser steht uns bis zum Hals und dann stirbt man und hat nichts getan, nichts bewirkt. Ich würde gern auf dem Land leben, Pferde halten und reiten.


Wertlos, Diebstahl


P: Es gibt Leute, auf die ich sehr eifersüchtig bin. Meine Mutter hat ihr ganzes Geld ihrem neuen Mann vermacht, er hat mich sogar als Flittchen beschimpft.
Ich finde das alles sehr verwirrend. Ich kann meinem eigenen Urteilsvermögen nicht mehr trauen. War das jetzt echt, oder war es nur meine Einbildung?
Ich fühle mich nicht wertgeschätzt. Ich habe mich um Mutter gekümmert und habe dafür keinen Respekt bekommen.
Ich habe eine Scheiß-Tochter, im Job läuft es nicht gut und mein Mann ist Scheiße. Ich weiß überhaupt nicht mehr, wer ich bin. Ich bin nur Frau und Mutter. Die machen mit mir, was sie wollen.


Furcht vor flatternden Vögeln

HB: Haben Sie Ängste?
P: Vögel – ich hasse Vögel, sie machen mich wahnsinnig. Seemöwen sind so riesig und werden durch den ganzen McDonalds-Kram immer größer. Es ist unglaublich, was in der Luft alles los ist, es treibt mich zum Wahnsinn.


Eingesperrt und gequält


P: Große Lastwagen machen mich panisch. Ich habe Angst, zerquetscht zu werden, zu ersticken. Ich habe von etwas geträumt, dass größer ist als ich.
Ich werde eingesperrt sein, ich werde gefoltert. Gibt es einen Ausweg? Ich kann nicht atmen und kann nichts sehen.
Ich habe es verdient, es ist alles meine Schuld. Manchmal glaube ich, ich werde verrückt. Ich greife an, ich kratze, ich kämpfe, dann breche ich in Tränen aus.

Reue

P. Keine Woche vergeht, ohne dass ich geweint habe. Alleine. Etwas passiert und es tut mir so leid. Ich habe ständig ein schlechtes Gewissen. Ich entschuldige mich natürlich, dafür bin ich bekannt. Ich entschuldige mich auch bei meinem Mann für meine Stimmungsschwankungen.

Einsamkeit im Gegensatz zu Nähe

P: Aber wenn man missverstanden wird, dann ist das eine echte Herausforderung. Wie reagiert man darauf? Ich habe so oft jemanden verletzt, es hat Wunden hinterlassen, aber ich könnte nie gemein zu jemandem sein.

Ich fühle mich wie eine Einzelgängerin; kein Mensch ist von Natur aus eine Insel, aber meine ist hausgemacht. Typische Mädchen-Sachen mache ich nicht, dieses Mädchenhafte geht mir auf die Nerven. Ich habe eine gute Freundin, wir verstehen uns sehr gut, sie kennt meine weichen Seiten. Sie raucht sehr viel und wenn ich mit ihr zusammen bin, rauche ich eine Zigarette mit, auch wenn mir gerade nicht danach ist. Es beruhigt mich. Das Rauchen ist bei mir schon zur Sucht geworden. Seit dem Tod meiner Mutter mache ich Sport und habe 15 Kilogramm abgenommen. Es war wie eine Familienhochzeit und wir haben alle eine Show hingelegt.

Nicht beachtet

P:
Ich fühle mich großartig, aber mit 54 bewegt man sich auf einer anderen Ebene. Ich setze mich mit Problemen auseinander und schließe Frieden mit mir selbst.

Ich sitze in einer Falle, man beachtet mich nicht, als wäre ich auf einem völlig anderen Planeten. Aber ich weiß, dass ich Recht habe.

Manchmal breche ich sogar im Klassenraum in Tränen aus – brauche ich das alles? Dann fange ich an zu schreien. Diese Hitzewallungen holen mich dann mit aller Macht wieder ein.

Analyse

Tierreich

Die Patientin hatte bereits Lachesis bekommen, aber nicht darauf angesprochen.
Es gibt viele Konflikte und Auseinandersetzungen, vor allem bei den Dienstaufsichtsbeschwerden und Anhörungen geht es um „mich oder die anderen“. „Ich bin schutzlos und biete eine Angriffsfläche für andere“.
Außerdem geht es um Eifersucht und Unsicherheit auf der sexuellen Ebene. Der Fall ist im Tierreich angesiedelt.

Um welches Tier handelt es sich hier?

Die Patientin arbeitet viel und hat Angst vor Armut; ihre Sorgen um die hohe Verschuldung zeugen von Überlebensängsten. Sie fühlt sich gemobbt und am Arbeitsplatz nicht anerkannt. Das könnte ein Insekten-Thema sein.

Vogelthemen


Die Patientin erzählt von ihren Reisen, sie fühlt sich eingeengt und hat das Gefühl zu ersticken. Ihre Probleme drehen sich aber nicht hauptsächlich um das tuberkulinische Miasma, sondern eher um die Zurückweisung durch ihre Familie und ihre Arbeitskollegen. Sie fühlt sich so „erniedrigt, ausgeschlossen von meiner Familie. Ich schäme mich.“ „Ich finde mich selbst widerlich“. Das sind die Aussagen eines Tiermittels aus dem Lepra-Miasma.
Sie spricht offen über ihre Probleme und über das, was aus ihrem Mund kommt, auch, wenn es sie in Schwierigkeiten bringt. Es gibt keinerlei Hinterhältigkeit, ist also kein Schlangenmittel. Kommunikation, auch Tratsch und Klatsch, sind zentrale Merkmale der Vögel. Sorgen um die Familie und den Zustand unserer Erde ebenfalls.

Empörung

Neben der Furcht vor Vögeln gibt es in diesem Fall viele andere Ängste, die gut zu repertorisieren sind. „Man wird mich einsperren und quälen, wie kann ich dem entkommen? Ich kann nicht atmen, ich kann nichts sehen…“ Furcht vor dem Eingesperrt-sein und vor Folter sind die zentralen Themen von Falco peregrinus. Allerdings ist Falco peregrinus das einzige Vogelmittel, das im Repertorium adäquat erwähnt wird und wir können nicht ausschließen, dass es sich bei der Patientin um ein anderes Vogelmittel handelt.

Das Hauptthema der Patientin ist nicht die Furcht vor dem Eingesperrt-sein, vor der Folter, wie wir es von den Falken her kennen. Die Patientin empört sich über Konflikte, über unfaire Disziplinarverfahren und verbale Angriffe. Sie fühlt sich gedemütigt. Jonathan Shore schreibt in seinem Buch ‚Vögel – Homöopathische Bücher aus dem Vogelreich‘ über Corvus corvax. Er zeigt auf, dass Corvus-Patienten ebenfalls vom Eingesperrt-sein träumen, ihre sichtbare Reaktion darauf aber als Empörung und Konfrontationsbereitschaft zum Tragen kommt. „Ich habe es verdient, es ist alles meine Schuld. Manchmal glaube ich, ich werde verrückt. Ich greife an, ich kratze, ich kämpfe, dann breche ich in Tränen aus.“
In seinem Buch ‚Vögel in der Homöopathie – Freiheit in den Lüften‘ differenziert Peter Fraser zwischen Corvus splendens (Krähe) und Corvus corax (Rabe). Er beschreibt die Gattung Corvus als sehr reizbar und jähzornig, die kleinste Provokation führt zum Wutausbruch; „sie schießen andere Leute mit ihren Worten ab“. Trotzdem findet man bei Corvus das Verlangen, anderen Menschen zu helfen; sie haben aber auch das Gefühl, zu Unrecht beschuldigt zu werden, sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Corvus ist materialistisch und greift zu drastischen Mitteln (Diebstahl) um sich zu bereichern.

Raben-Patienten glauben häufig, in Erbschaftsangelegenheiten übergangen worden zu sein, in finanziellen Angelegenheiten fühlen sie sich allgemein oft als Opfer. Sie fühlen sich gedemütigt und missbraucht und sind es leid, sich ständig gegen Angriffe von außen schützen zu müssen. Patienten, die dieses Mittel brauchen, fühlen sich nicht wertgeschätzt, nicht anerkannt oder respektiert für das, was sie sagen oder tun. Sie fühlen sich in ihrer Person nicht anerkannt. Das treibt sie zum Wahnsinn, sie schreien förmlich gegen die Ungerechtigkeit an. Sie sind rasend vor Wut, schreien und brechen in Tränen aus.

Unter Umständen wird auch ein verzerrter Realitätssinn thematisiert, sie wissen nicht mehr, was echt ist und was nicht. Ihre eigene Realität und Wahrheit wird von der Außenwelt geleugnet, was zu Schamgefühlen und Minderwertigkeitskomplexen führt. Jonathan Shore hebt das Engagement dieser Menschen für ihre Umwelt hervor. Auch schreibt er, dass Raben zu Schwarzweißmalerei neigen. Während der Prüfung war eine suizidale Stimmung zu spüren.

Im vorliegenden Fall können wir die metaphysischen, übernatürlichen Aspekte des Raben als Vorbote des Todes und Bote zwischen den Welten nicht erkennen.

Die Wahl zwischen Krähe und Rabe fällt schwer.

Verschreibung: Corvus corax, LM3 täglich.

Follow-up

P: Mir geht es gut, ich fühle mich sehr viel vernünftiger. Die Arbeit beschäftigt mich nicht mehr so sehr. Ich bin positiver geworden. Einiges hat sich geändert, ich überlege zurzeit, einen kleinen Laden zu eröffnen.
In den letzten Monaten habe ich viel gelernt; ich weiß jetzt, dass ich mir Ziele setzen kann.
Ich hatte vergessen zu erwähnen, dass ich früher oft Herpes hatte. Die Bläschen sind ewig lange nicht abgeheilt. Nachdem ich das Mittel genommen hatte, hatte ich wieder einen Herpes, der aber sehr schnell abheilte. Ich mache jetzt Aerobic, ich liebe es.

Meiner Familie geht es gut; mit meiner Tochter verstehe ich mich besser. Ich bin vernünftig geworden und weine nicht mehr so oft. Ich habe auch wieder Kontakt mit meinem Bruder und meinem Vater aufgenommen. Ich muss die Tropfen jetzt nicht mehr so oft einnehmen, nur wenn ich das Gefühl habe, sie wieder zu brauchen.

HB: Was ist mit Ihren Hitzewallungen?

P: Hitzewallungen – welche Hitzewallungen? (Patientin lacht)

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Fotos: Monkey Business Images

Kategorie: Fälle
Schlüsselwörter: Hitzewallungen, Wut, energisch, fluchen, missverstanden, nicht respektiert, nicht wertgeschätzt, betrogen, gefangen, nicht real.
Mittel: Corvus corax





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