Ich fühle mich abgewertet: ein Fall von Passer domesticus

von Julie Geraghty


Eine 45-Jährige Frau kommt wegen Angststörungen und Depressionen zu mir. Sie ist eine außergewöhnliche Erscheinung – schlank und sorgfältig gekleidet mit langem, glänzend schwarzem Haar.

Patientin (P): Mein Vater hat mich immer wissen lassen, dass aus mir einmal nichts wird. Er sagte oft, dass ich später als alleinerziehende Mutter auf Kosten des Staates leben würde. Ich werde nächstes Jahr heiraten, aber jedes Mal, wenn ich daran denke, bekomme ich Panik. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben in einer glücklichen Beziehung. Ich bedaure jetzt, dass ich früher so lange in unglücklichen Beziehungen geblieben bin. Ich bin nicht sehr stark, von Natur aus sehr unsicher. Mein Vater hat bei mir großen Schaden angerichtet.

Ich kann nicht für meine Kinder sorgen
Julia Geraghty (JG): Beschreiben Sie Ihre Beziehung zu Ihrem Vater.

P: Ich bin die jüngste von sieben Geschwistern und habe eine unglaublich enge Bindung zu meiner Mutter. Mein Vater hat mich immer erniedrigt. Meine Schwestern wurden mit 18 schwanger. Ich weiß, dass ich eine gute Mutter sein würde, aber der bloße Gedanke daran macht mir Angst. Ich werde panisch. Ich war einmal schwanger, aber meine Beziehung zum Vater des Kindes war so unglücklich, dass ich eine Abtreibung hatte. Ich war so unglücklich… wie hätte ich unter diesen Umständen ein Baby haben können. Es wäre nicht glücklich geworden. Vielleicht hätte ich es geschafft, aber damals dachte ich, dass ich nichts zu bieten hätte. Ich konnte nicht alleine für Kinder sorgen und sie erziehen. Ich habe immer geglaubt, alles müsse perfekt sein, bevor man Kinder hat.

Streit zu Hause
P:
Meine Eltern haben sich ständig gestritten. Wir hatten nie genug zu essen und waren immer hungrig. Meine Freunde hatten schöne Sachen und wohnten in schönen Häusern, aber bei uns gab es nie neue Sachen. An glückliche Zeiten kann ich mich nicht erinnern. Mein Vater starb mit 57 an einem Herzinfarkt. Ich habe nicht geweint… ich hatte nie das Gefühl, einen richtigen Vater zu haben. Er hat meine beiden Brüder bevorzugt, sie haben zu Weihnachten Fahrräder bekommen und wir nur Bücher zum Ausmalen.

Sexueller Missbrauch
P: Zu meiner Mutter habe ich eine sehr enge Beziehung, ich kann mir das Leben nicht ohne sie vorstellen. Das ist ein weiterer Grund, warum ich gerne ein Baby hätte (weint), aber der Gedanke macht mir Angst. Als Kind habe ich an ihrem Rockzipfel gehangen und bin ihr nicht von der Seite gewichen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass etwas sexuelles passieren würde, wenn ich mit meinem Vater allein gewesen wäre. Ich war wie versteinert vor Angst. Bei meiner großen Schwester kam es zu sexuellem Missbrauch. Meine Mutter und ich wurden von meinem älteren Bruder beschützt.

In der Schule war ich sehr beliebt, ich hatte viele Freunde, log aber sehr viel, weil ich mich so schämte. Ich dachte immer, dass die Leute mich beurteilen. Ich war so verunsichert, ich wollte immer jemand anderes sein. Ich habe gesehen, wie das Leben meiner Freunde war. Sie hatten ein schönes Zuhause, wurden von ihren Eltern in den Arm genommen und gelobt. Ich wünschte, ich hätte das als Kind auch gehabt. Wir hatten noch nicht einmal einen Teppich zu Hause, nur abgewetztes und zerfetztes Linoleum. Ich habe fünf Jahre im Ausland gelebt, in einer sehr ungesunden Beziehung, sehr kontrollierend, aber damals dachte ich, es sei normal.

Häusliche Gewalt
JG:
Beschreiben Sie diese kontrollierende Beziehung.

P:
Nicht das machen zu dürfen, was man gerne machen möchte. Gewalttätig. Seiner Meinung nach gehörte die Frau an den Herd. Sie sind am Anfang immer so nett, es ist die perfekte Beziehung. Er hat mir sogar vorgeschrieben, welche Kleider ich tragen sollte. Anfangs dachte ich, dass er mir helfen wollte, aber dann wurde ich unglaublich unglücklich. Einmal hat er mich die Treppe hinunter geworfen, ich hatte ein blaues Auge. Er hat mich oft erniedrigt. Er war sehr materialistisch: neue Autos, neue Designerklamotten; am Ende sagten mir meine Freunde, ich sei genauso wie er. Schließlich habe ich ihm gesagt, er soll ausziehen und bin hart geblieben. Ich habe ihm meine ganzen Ersparnisse gegeben, damit er geht. Alle haben mir gesagt, es sei sehr mutig von mir gewesen.

Reisen und Freiheit
P:
Ich bin in der Werbebranche und reise viel. In einem Büro könnte ich nicht arbeiten, das würde nicht zu mir passen. Ich reise leidenschaftlich gerne, ich liebe das Gefühl von Freiheit. Aber viele denken nur an das letzte Projekt. Man geht wie auf Eiern, man versucht immer, es allen recht zu machen, man ist bemüht, einen guten Eindruck zu hinterlassen, damit man neue Aufträge bekommt. Mein bestes Projekt war das mit Angelina Jolie. Wir sind durch die Lande getingelt und haben für den Lara Croft Film die Promotion gemacht. Meine Arbeit gibt mir Selbstvertrauen. Wenn man mit den besten Leuten im Fach arbeitet, dann ist das ein richtiges Hochgefühl.

Ich fühle mich bewertet, mir ist es peinlich, als ‚ordinär‘ zu gelten
P: Seit drei Jahren bin ich mit meinem jetzigen Freund zusammen, er ist ein wunderbarer Mann. Er möchte heiraten und wir haben auch schon einen Termin festgelegt, aber wenn ich daran denke, kommt Panik in mir hoch. Diese ganze Aufmerksamkeit … alle werden mich anstarren. Es ist das gleiche Gefühl wie bei einem Vorstellungsgespräch für einen neuen Job. Alle müssen aufstehen und von sich erzählen. Ich habe dann das Gefühl, bewertet zu werden, dass sie mich danach beurteilen, wie ich spreche und wie ich aussehe. Mir sind schon Aufträge durch die Lappen gegangen, weil ich das Vorstellungsgespräch vermasselt habe. Dabei hätte ich den eigentlichen Job mit Links machen können.
Wenn ich an die Hochzeit denke, habe ich das gleiche Gefühl. Ich habe Angst, in Ohnmacht zu fallen oder kurz vor der Hochzeit krank zu werden. An Weihnachten werde ich die Familie meines Freundes kennenlernen, das macht mir Sorgen. Ich habe sie noch nie gesehen. Ich hasse es, mit allen an einem Tisch zu sitzen, als Kinder haben wir das nie getan. Ich habe Angst davor, dass mir jemand eine Frage stellen wird, auf die ich keine gute Antwort weiß. Ich habe immer das Gefühl, alle seinen besser als ich. Was sage ich denn, wenn sie mich fragen, was ich beruflich mache? Soll ich sagen, ich bin Verkäuferin? Ich habe Angst davor, dass sie sich ein schlechtes Bild von mir machen. Selbst mein Familienname ist mir peinlich, er ist so gewöhnlich. Als Kind hatte ich nichts und ich hätte so gerne schöne Sachen gehabt.

Träume von Katzen und Ratten
JG: Träumen Sie?

P: Als Kind habe ich oft von Ratten geträumt. Im Traum gehe ich die Treppe hinauf. Oben steht eine Frau, sie ist nicht sehr nett, eher wie eine Hexe. Zu ihren Füßen tummeln sich kleine Kätzchen, die sich in Ratten verwandeln. Ich wollte die Kätzchen hochheben und streicheln, aber dann hingen plötzlich die Ratten an mir (Geste). Sie waren riesig, richtig schrecklich. Als ich Mitte dreißig war, träumte ich von Ratten auf meiner Bettdecke. Ich hasse Ratten, sie sind schmutzig und bringen Krankheiten und den Tod. Eigentlich bin ich sehr tierlieb, ich wäre gerne Tierärztin geworden.

Behütet und beschützt

Vor kurzem hatte die Patientin einen Traum:

P:
Im Traum bin ich ständig von meinem Freund im Beisein meiner Freunde und Familie erniedrigt worden. Er hat nicht mich beschützt, sondern die andere Person. Oder vielleicht hat er auch mit jemand anderem geflirtet. Normalerweise ist er mir gegenüber sehr beschützend. In einem anderen Traum trug ich mein Hochzeitskleid, alle waren da. Mein Mann stand auf der Tanzfläche und hat auf mich gewartet, es war ein wunderbarer Traum, alles war perfekt.

Kontrollierende, ungesunde Beziehungen
JG: Was war die schlimmste Zeit in Ihrem Erwachsenenleben?

P: Nachdem ich mich von meinem Freund getrennt hatte wurde ich sehr dünn. Ich hätte alles getan, um wieder zu ihm zurückzukehren, mich von ihm kontrollieren zu lassen. Vor der Trennung war ich so unglücklich gewesen, ich wollte einfach nur nach Hause. Als ich aber dann wieder zu Hause war, wollte ich unbedingt wieder zurück zu ihm. Das, was er immer zu mir sagte, wurde wahr: Wenn ich mich gegen ihn stelle, bin ich ein schlechter Mensch. Ich war gefangen im Paradies, ich war komplett unter seiner Kontrolle. Aber ich werde nicht zu dem, was sie gerne haben wollen; deshalb sind sie froh, wenn sie mich wieder los sind. Ich habe nicht nachgegeben; ich wollte nicht die typische Frau sein. Ich bin sehr unsicher, deshalb bin ich gern in kontrollierenden Beziehungen, weil ich dann so sehr geliebt werde. Aber ich wurde stark und habe gelernt, mich zu behaupten.

Ich habe viel getrunken, war dann wütend mit mir selbst und habe mich mit meinem Freund gestritten. Ich habe bis zur Bewusstlosigkeit getrunken. Es gibt dir das Gefühl, allmächtig zu sein, alles zu können, aber am nächsten Tag bist du wieder ganz verunsichert und hast das Gefühl, in der Beziehung festzustecken. Es ist zu einem richtigen Muster geworden: Erst will ich raus, raus, raus und wenn ich dann wirklich draußen bin, will ich wieder zu ihnen zurück.

Materialismus

P: Meine erste feste Beziehung hat mir das Herz gebrochen. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch bei ihm, er war viel älter als ich. Er war reich und hat mich mit Geschenken überschüttet. Wir haben in den besten Restaurants gegessen, sind um die Welt gereist, aber ich konnte nicht gut damit umgehen. Es war traumhaft, aber er hat Dinge von mir verlangt, die ich nicht tun wollte. Er wollte, dass ich meine Familie verlasse.

Gefangen
P: Jedes Mal, wenn ich jemand kennengelernt habe, war es so, als wollten sie mich einfangen (macht eine zupackende Geste), oder vielleicht habe ich mich da auch selbst hineingestürzt. Sie wollten mich verstecken, sie wollten mich mit niemandem teilen.

Verschreibung:
Zuerst dachte ich an ein Mittel aus dem Mineralreich, weil die Patientin so verunsichert war und in ihren Beziehungen so abhängig. Ich gab ihr Kalium fluoratum C200, es zeigte aber keine Wirkung.

Follow-up sechs Wochen später


Verantwortung für eine Familie
P: Die meiste Zeit fühle ich mich sehr negativ. Ich muss ständig an die Sache mit dem Baby denken. Jeden Tag bin ich den Tränen nahe. Ich mache genau das Gegenteil von dem, was man in einer Beziehung eigentlich so macht. Ich verhalte mich kindisch und habe Angst vor der Verantwortung. Ich lebe mein Leben so, als wäre es nur Spaß und Tollerei. Ich habe in der Vergangenheit viele falsche Entscheidungen getroffen und dass ich mit der Schuld leben muss, frisst mich auf. Warum musste ich 44 Jahre alt werden, um eine gute Beziehung zu haben? Ich bin nie etwas Festes eingegangen, sondern habe mit meinen Freundinnen zusammen Spaß gehabt. Ich war nie verleibt genug, um mit den Männern Kinder haben zu wollen. Wie kann es ein, dass ich damals so negativ eingestellt war und es jetzt so sehr wünsche?

Nicht genug zu essen auf dem Tisch
P: Ich hatte immer so viel Angst, mich als alleinerziehende Mutter durchschlagen zu müssen. Weil ich als Kind so wenig hatte, konnte ich den Gedanken nicht ertragen, meinem eigenen Kind nichts geben zu können. Der bloße Gedanke an eine Schwangerschaft löste Panik in mir aus, ich hatte das Gefühl, mein Leben wäre dann zu Ende. Ein Kind würde zu viel Verantwortung bedeuten – ich habe ja erlebt, wie das für meine Mutter war, mit sieben Kindern. Das Gefühl, keinen Partner zu haben, der mich dabei unterstützt, die Angst, zu dem Kind keine Bindung aufbauen zu können…. Ich hätte es nicht riskieren können, was hätten die Leute von mir gedacht? Sie hätten mich für schwach gehalten. Ich frage mich manchmal, ob meine Mutter unter Depressionen leidet? Sie war keine liebevolle Mutter, hat uns nie umarmt. Es ging immer nur darum, dass hoffentlich genug zu essen auf den Tisch kommt.

Die Beziehung zu meinem letzten Freund war anfangs perfekt. Wir hatten beide einen guten Job, schicke Autos. Warum konnte ich das nicht rund machen? Ich hätte Kinder haben können. Mein Leben war so leer. Innerhalb von  sechs Monaten wurde ich schwanger und wusste nicht, was ich tun sollte. Er sagte, ich solle das Kind behalten, er hat keinen Druck auf mich ausgeübt. Ich habe das Kind wegmachen lassen. Er hat mir nie die Schuld gegeben, aber danach ging alles schief. Es hat unsere Liebe kaputt gemacht. Das nagt heute noch an mir. Ich habe versucht, es zu verdrängen, aber die ganze Schuld kam mit voller Wucht zurück. Ich habe viel getrunken. Er verlor den Respekt vor mir.

Verschreibung: Es gibt so viel Trauer und Schuld bei dieser Patientin, dass ich es mit Natrium fluoratum C200 versuche.

Follow-up sechs Wochen später


Panik und Herzrasen
P: Ich hatte ein Vorstellungsgespräch, mein Mund war wie ausgetrocknet. Ich hatte Angst, in Ohnmacht zu fallen, ich konnte nicht sprechen und mein Herz hat so schnell geschlagen, dass ich dachte, es würde gleich aus meiner Brust springen. Früher habe ich mich bemüht, diese Vorstellungsgespräche zu vermeiden, jetzt muss ich hingehen, weil ich das Geld brauche. Ich hasse es, da zu stehen und über mich selbst zu reden, wer ich bin und woher ich komme. Ich bin da mit anderen Leuten zusammen, die ich nicht kenne und habe immer das Gefühl, dass sie auf mich herabschauen. Ich möchte denen gerne einmal sagen, dass ich genauso gut bin wie sie.

Traum von einem Streit um ein Haus
Traum: Ich hatte ein wunderschönes Haus, ich war überzeugt, dass es meins war. Ich sah eine Frau im Bett liegen und dachte, mein Freund würde mich betrügen. Ich fragte sie, was sie da in meinem Bett mache? Dann kam ein Mann in das Zimmer und beide schrien mich an, ich solle verschwinden. Ich habe ihnen gesagt, dass das mein Haus sei. Dann habe ich gegen sie gekämpft – die Frau, ihren Freund und noch eine Freundin von ihr. Drei gegen einen. Sie hat mich an den Haaren gezogen und plötzlich hatte ich mir das Bein gebrochen. Ich habe versucht, sie alle loszuwerden. Ich tat so, als wäre das Bein nicht gebrochen und ging zu Fuß zur Notaufnahme des Krankenhauses, damit sie mir keinen Gips geben würden. Das Krankenhaus war richtig schick, auch die Leute, gegen die ich kämpfte, waren sehr fein angezogen.

Träume vom Kämpfen; ich werde überwältigt.
P: Ich habe Träume, in denen ich versuche zu schreien, aber jemand hält mir mit einer Hand den Mund zu und ein anderer zieht mich an den Beinen. Im Traum schreie ich richtig laut, aber mein Freund sagt, dass ich im Schlaf piepse wie eine Maus. Ich wehre mich mit aller Macht gegen sie, aber sie halten mich fest, ich kann nicht atmen und ich versuche, diese Hand wegzureißen, die meinen Mund zuhält.

Analyse

Tierreich
Aufgrund dieser Träume wurde mir klar, dass die Patientin ein Mittel aus dem Tierreich benötigt. Sie verteidigt ihr Revier, es ist eine ‚Ich-gegen-dich‘ Dynamik. Sie wird überwältigt, die anderen sind in der Überzahl. Es handelt sich um ein Opfer, eine ‚Beute‘. Die Patientin fühlt sich schwach, unterlegen, erniedrigt und kontrolliert. Aber um welches Tier genau handelt es sich hier?

‚Gefangen‘ im Reich der Vögel

Ich begann, noch einmal in meinen Aufzeichnungen nach bildhaften Beschreibungen zu forschen. Sie spricht davon, dass Männer sie ‚einfangen‘ wollen und fühlt sich wie ‚gefangen im Paradies‘. Das Gefühl des ‚Gefangen-seins‘ ist eine wichtige Empfindung bei Patienten, die ein Vogelmittel brauchen. Denken Sie nur an einen Vogel, der im Käfig sitzt, obwohl es seiner Natur entspricht, frei durch die Lüfte zu fliegen.

Ärmliche Verhältnisse

Auf einem Seminar über die Vogelmittel sprach Peter Fraser über Passer domesticus, also den gewöhnliche Hausspatzen und verglich ihn mit Eliza Doolittle aus My Fair Lady: Sie ist schön und streitlustig, aber ordinär. Sie stammt aus ärmlichen Verhältnissen.
Hält sich für ‚gewöhnlich‘, mangelnde Ressourcen, häusliche Auseinandersetzungen

Der Selbstwert, also der intrinsische Wert eines Menschen, gehört zu den zentralen Themen von Passer domesticus. Meine Patientin hatte Schwierigkeiten mit diesem Thema, sie fühlte sich abgewertet und hatte das Bedürfnis, alle wissen zu lassen, dass sie genauso viel wert ist wie alle anderen Menschen auch. Sie hasste es, sich anderen Leuten vorzustellen, weil ihr Nachname ‚so gewöhnlich‘ war. Auch ihre Beschreibung der häuslichen Auseinandersetzungen passen gut zu diesem Mittel. ‚Spatzen‘-Patienten träumen häufig von Gewalt. Familie, Sicherheit und der Schutz eines behüteten Zuhauses sind ebenfalls wichtige Themen. Sie kleiden sich gerne gut und sorgfältig, aber dennoch spürt man den Mangel an Ressourcen und die Mühe, die es diese Menschen kostet, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten (genug zu essen auf dem Tisch zu haben).

Verschreibung: Passer domesticus C200

Follow-ups acht Wochen später

Ich stelle mich meinen Ängsten und zeige mein wahres Ich.
P: Ich war bei einem Vorstellungsgespräch und habe den Job bekommen. Mir geht es so viel besser. Ich habe sogar mit meinem Chef zu Mittag gegessen. Ich habe mich meinen Ängsten gestellt und es hat sich richtig gut angefühlt, ich war sehr entspannt. Man hat es mir auch angesehen.

Nachdem ich das Mittel genommen hatte, ging es mir 4 Tage lang ziemlich schlecht. Es war, als hätte sich eine dunkle Wolke über mich geschoben. Dann wurde es langsam heller.
Ich fühle mich sehr viel besser. Manchmal habe ich noch Panik wegen der Hochzeit, aber zum ersten Mal freue ich mich auch darauf. Die Sache mit dem Baby schätze ich jetzt etwas realistischer ein. Wenn es klappt, dann klappt es und wenn nicht, dann nicht.
Meiner Mutter geht es nicht so gut, aber ich kann damit umgehen. Ich bin nicht mehr so wütend auf sie, habe mehr Verständnis für ihre Situation. Ich gehe jede Woche mit ihr einkaufen. Früher hatte ich davor immer ein schlechtes Gefühl, mir hat es davor gegraut und ich hätte am liebsten losgeschrien. Meine Mutter ist wirklich anstrengend, aber jetzt kann ich mich auch einmal mit ihr hinsetzen und mich mit ihr unterhalten.

Analyse
Interessanterweise ist die Patientin realistischer geworden, was die Beziehung zu ihrer Mutter betrifft. Sie erkennt ihre eigene Wut und den Frust. Das Mittel wirkte gut, nach der Erstverschlimmerung folgte eine tief gehende Besserung. Ich frage sie nach ihrer Einstellung zu Tieren:

P:
Ich liebe Tiere und wäre gerne Tierärztin geworden. Früher mochte ich Hunde, jetzt bin ich eher eine Katzennärrin. Nur Ratten mag ich nicht, ich kann sie nicht einmal ansehen. Aber ich würde ihnen nicht wehtun. Wenn ich sehe, dass Tiere misshandelt oder vernachlässigt werden, dann kommen mir die Tränen. Mein Bruder hat Vögel – Eulen und Habichte – er hatte schon immer eine Leidenschaft für Vögel. Mit Vögeln kenne ich mich gut aus, die meisten kenne ich bei Namen. Vögel sollte man niemals einsperren, sie müssen frei sein, sie müssen fliegen (Geste). Es ist nicht richtig, Vögel einzusperren, ich würde sie immer freilassen.

An dieser Stelle ist es interessant anzumerken, dass Peter Fraser (Vögel in der Homöopathie – Freiheit in den Lüften) schreibt, dass Menschen, die das Mittel Passer domesticus brauchen, oft ein sehr enges Verhältnis zu Katzen haben.

Zwei Monate später:


Zystitis, alte Symptome treten wieder auf.

P:
Ich habe gerade meinen Junggesellinnen-Abschied in Spanien gefeiert. Ich hatte eine heftige Blasenentzündung, die Hitze war unerträglich. Ich leide seit vielen Jahren unter Blasenentzündungen. Ich hatte das Mittel nicht dabei und habe es erst genommen, als ich wieder zu Hause war. Es war unglaublich! Innerhalb weniger Stunden ging es mir viel besser. In Spanien habe ich im 24. Stockwerk eines Hotels gewohnt, ganz allein. Zu Hause fühlt man sich einfach sicherer. Mein Freund wollte nicht, dass ich nach Spanien gehe. Ich hatte ein schlechtes Gewissen deswegen. Zum ersten Mal war er eifersüchtig, aber er hat sich dafür entschuldigt. Mit der Blasenentzündung fühlt man sich, als würde etwas in dich hineingesteckt, es brennt so, wenn man pinkelt. Es kommt nur ein Tropfen heraus und dann zieht dieses Gefühl durch den ganzen Körper (Geste), wie eine Hitzewallung, die den Rücken entlang bis hoch zum Kopf geht. Die erste Blasenentzündung hatte ich mit 17, nachdem ich das erste Mal Sex hatte. Damals fühlte es sich an, als würde ich Feuer pinkeln. Ich war noch nicht bereit für Sex, konnte mich nicht entspannen und war auch nicht verliebt in ihn. Ich dachte, ich müsste das machen und habe nachgegeben.

Sich darüber erheben
P: Mein Partner sagt, ich sei viel ruhiger geworden. Früher war ich sehr reizbar und streitsüchtig, ich hatte das nicht unter Kontrolle. Jetzt kann ich mich darüber erheben (Geste). Ich lächele viel. Wegen der Hochzeit bin ich aufgeregt, aber nur noch wenig nervös, wenn ich daran denke, durch den Gang zum Altar gehen zu müssen. Meine größte Sorge gilt meiner Mutter. Ich kann sie an diesem Tag nicht zur Kirche bringen und sonst helfe ich ihr doch immer.

Fünf Wochen später, nach der Hochzeit:

Vögel, die in Käfige gesperrt werden – ein Kapitalverbrechen
P: Die Hochzeit war wunderbar. Ich war überhaupt nicht nervös und habe jede Minute genossen. Ich war noch nie so glücklich gewesen. Über das Thema Kinder denke ich nicht mehr nach, ich vertraue darauf, dass es passieren wird, wenn es richtig ist. Ich würde gerne mit Tieren arbeiten, aber nicht als Sprechstundenhilfe beim Tierarzt, ich würde das nicht aushalten. Dort werden Tiere operiert. Ich mag keine Zoos und eingesperrte Tiere, vor allem keine eingesperrten Vögel. Mir kommen jedes Mal die Tränen, wenn ich Vögel in Käfigen sehe. Es ist ein Kapitalverbrechen, wie sie da in ihrem Gefängnis sitzen. Mein Bruder hat einen Habicht, den er an einer Kette hält. Ich würde gerne ehrenamtlich mit Tieren arbeiten. Bei uns in der Nähe gibt es eine Notaufnahme für Tiere, wo die Leute ihre Tiere abgeben, die sie nicht mehr füttern können.

Das Mittel hilft mir jedes Mal, wenn ich krank bin, es wirkt unglaublich schnell, innerhalb von 24 Stunden geht es mir wieder besser.

Sechs Wochen später:

Ich fühle mich stark und bin mit meinem Leben zufrieden.

P: Ich fühle mich so stark, ich bin richtig glücklich mit meinem Leben. Ich schlafe gut und wache zufrieden und glücklich auf – zum ersten Mal in meinem Leben. Mit meinem Kinderwunsch habe ich Frieden geschlossen. Ich würde mich freuen, wenn es klappt. Es wäre aber auch nicht das Ende der Welt, wenn ich keine Kinder mehr haben kann. Als ich das erste Mal bei Ihnen war, hätte ich die ganze Zeit nur weinen können.

Das Mittel hilft jedes Mal, wenn eine Blasenentzündung im Anflug ist. Einmal hat es auch gegen Durchfall geholfen. Mir geht es so viel besser als vor einem Jahr. Es ist unglaublich.

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Fotos: shutterstock.com © ileana_bt, shutterstock.com © Goodluz, shutterstock.com 181775213 © John A. Anderson

Kategorie: Fälle
Schlüsselwörter: Zystitis, Panik, arm, ‘gewöhnlich’, materialistisch, reich, Mangel, Armut, für die Familie sorgen, ungesunde Beziehungen, Kampf, Streit, Auseinandersetzungen, Bindung, Verantwortung, gefangen, eingesperrte Vögel, sich darüber erheben, sich beurteilt fühlen, wertlos.
Mittel: Passer domesticus

Ich fühle mich abgewertet: ein Fall von Passer domesticus

von Julie Geraghty


Eine 45-Jährige Frau kommt wegen Angststörungen und Depressionen zu mir. Sie ist eine außergewöhnliche Erscheinung – schlank und sorgfältig gekleidet mit langem, glänzend schwarzem Haar.

Patientin (P): Mein Vater hat mich immer wissen lassen, dass aus mir einmal nichts wird. Er sagte oft, dass ich später als alleinerziehende Mutter auf Kosten des Staates leben würde. Ich werde nächstes Jahr heiraten, aber jedes Mal, wenn ich daran denke, bekomme ich Panik. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben in einer glücklichen Beziehung. Ich bedaure jetzt, dass ich früher so lange in unglücklichen Beziehungen geblieben bin. Ich bin nicht sehr stark, von Natur aus sehr unsicher. Mein Vater hat bei mir großen Schaden angerichtet.

Ich kann nicht für meine Kinder sorgen
Julia Geraghty (JG): Beschreiben Sie Ihre Beziehung zu Ihrem Vater.

P: Ich bin die jüngste von sieben Geschwistern und habe eine unglaublich enge Bindung zu meiner Mutter. Mein Vater hat mich immer erniedrigt. Meine Schwestern wurden mit 18 schwanger. Ich weiß, dass ich eine gute Mutter sein würde, aber der bloße Gedanke daran macht mir Angst. Ich werde panisch. Ich war einmal schwanger, aber meine Beziehung zum Vater des Kindes war so unglücklich, dass ich eine Abtreibung hatte. Ich war so unglücklich… wie hätte ich unter diesen Umständen ein Baby haben können. Es wäre nicht glücklich geworden. Vielleicht hätte ich es geschafft, aber damals dachte ich, dass ich nichts zu bieten hätte. Ich konnte nicht alleine für Kinder sorgen und sie erziehen. Ich habe immer geglaubt, alles müsse perfekt sein, bevor man Kinder hat.

Streit zu Hause
P:
Meine Eltern haben sich ständig gestritten. Wir hatten nie genug zu essen und waren immer hungrig. Meine Freunde hatten schöne Sachen und wohnten in schönen Häusern, aber bei uns gab es nie neue Sachen. An glückliche Zeiten kann ich mich nicht erinnern. Mein Vater starb mit 57 an einem Herzinfarkt. Ich habe nicht geweint… ich hatte nie das Gefühl, einen richtigen Vater zu haben. Er hat meine beiden Brüder bevorzugt, sie haben zu Weihnachten Fahrräder bekommen und wir nur Bücher zum Ausmalen.

Sexueller Missbrauch
P: Zu meiner Mutter habe ich eine sehr enge Beziehung, ich kann mir das Leben nicht ohne sie vorstellen. Das ist ein weiterer Grund, warum ich gerne ein Baby hätte (weint), aber der Gedanke macht mir Angst. Als Kind habe ich an ihrem Rockzipfel gehangen und bin ihr nicht von der Seite gewichen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass etwas sexuelles passieren würde, wenn ich mit meinem Vater allein gewesen wäre. Ich war wie versteinert vor Angst. Bei meiner großen Schwester kam es zu sexuellem Missbrauch. Meine Mutter und ich wurden von meinem älteren Bruder beschützt.

In der Schule war ich sehr beliebt, ich hatte viele Freunde, log aber sehr viel, weil ich mich so schämte. Ich dachte immer, dass die Leute mich beurteilen. Ich war so verunsichert, ich wollte immer jemand anderes sein. Ich habe gesehen, wie das Leben meiner Freunde war. Sie hatten ein schönes Zuhause, wurden von ihren Eltern in den Arm genommen und gelobt. Ich wünschte, ich hätte das als Kind auch gehabt. Wir hatten noch nicht einmal einen Teppich zu Hause, nur abgewetztes und zerfetztes Linoleum. Ich habe fünf Jahre im Ausland gelebt, in einer sehr ungesunden Beziehung, sehr kontrollierend, aber damals dachte ich, es sei normal.

Häusliche Gewalt
JG:
Beschreiben Sie diese kontrollierende Beziehung.

P:
Nicht das machen zu dürfen, was man gerne machen möchte. Gewalttätig. Seiner Meinung nach gehörte die Frau an den Herd. Sie sind am Anfang immer so nett, es ist die perfekte Beziehung. Er hat mir sogar vorgeschrieben, welche Kleider ich tragen sollte. Anfangs dachte ich, dass er mir helfen wollte, aber dann wurde ich unglaublich unglücklich. Einmal hat er mich die Treppe hinunter geworfen, ich hatte ein blaues Auge. Er hat mich oft erniedrigt. Er war sehr materialistisch: neue Autos, neue Designerklamotten; am Ende sagten mir meine Freunde, ich sei genauso wie er. Schließlich habe ich ihm gesagt, er soll ausziehen und bin hart geblieben. Ich habe ihm meine ganzen Ersparnisse gegeben, damit er geht. Alle haben mir gesagt, es sei sehr mutig von mir gewesen.

Reisen und Freiheit
P:
Ich bin in der Werbebranche und reise viel. In einem Büro könnte ich nicht arbeiten, das würde nicht zu mir passen. Ich reise leidenschaftlich gerne, ich liebe das Gefühl von Freiheit. Aber viele denken nur an das letzte Projekt. Man geht wie auf Eiern, man versucht immer, es allen recht zu machen, man ist bemüht, einen guten Eindruck zu hinterlassen, damit man neue Aufträge bekommt. Mein bestes Projekt war das mit Angelina Jolie. Wir sind durch die Lande getingelt und haben für den Lara Croft Film die Promotion gemacht. Meine Arbeit gibt mir Selbstvertrauen. Wenn man mit den besten Leuten im Fach arbeitet, dann ist das ein richtiges Hochgefühl.

Ich fühle mich bewertet, mir ist es peinlich, als ‚ordinär‘ zu gelten
P: Seit drei Jahren bin ich mit meinem jetzigen Freund zusammen, er ist ein wunderbarer Mann. Er möchte heiraten und wir haben auch schon einen Termin festgelegt, aber wenn ich daran denke, kommt Panik in mir hoch. Diese ganze Aufmerksamkeit … alle werden mich anstarren. Es ist das gleiche Gefühl wie bei einem Vorstellungsgespräch für einen neuen Job. Alle müssen aufstehen und von sich erzählen. Ich habe dann das Gefühl, bewertet zu werden, dass sie mich danach beurteilen, wie ich spreche und wie ich aussehe. Mir sind schon Aufträge durch die Lappen gegangen, weil ich das Vorstellungsgespräch vermasselt habe. Dabei hätte ich den eigentlichen Job mit Links machen können.
Wenn ich an die Hochzeit denke, habe ich das gleiche Gefühl. Ich habe Angst, in Ohnmacht zu fallen oder kurz vor der Hochzeit krank zu werden. An Weihnachten werde ich die Familie meines Freundes kennenlernen, das macht mir Sorgen. Ich habe sie noch nie gesehen. Ich hasse es, mit allen an einem Tisch zu sitzen, als Kinder haben wir das nie getan. Ich habe Angst davor, dass mir jemand eine Frage stellen wird, auf die ich keine gute Antwort weiß. Ich habe immer das Gefühl, alle seinen besser als ich. Was sage ich denn, wenn sie mich fragen, was ich beruflich mache? Soll ich sagen, ich bin Verkäuferin? Ich habe Angst davor, dass sie sich ein schlechtes Bild von mir machen. Selbst mein Familienname ist mir peinlich, er ist so gewöhnlich. Als Kind hatte ich nichts und ich hätte so gerne schöne Sachen gehabt.

Träume von Katzen und Ratten
JG: Träumen Sie?

P: Als Kind habe ich oft von Ratten geträumt. Im Traum gehe ich die Treppe hinauf. Oben steht eine Frau, sie ist nicht sehr nett, eher wie eine Hexe. Zu ihren Füßen tummeln sich kleine Kätzchen, die sich in Ratten verwandeln. Ich wollte die Kätzchen hochheben und streicheln, aber dann hingen plötzlich die Ratten an mir (Geste). Sie waren riesig, richtig schrecklich. Als ich Mitte dreißig war, träumte ich von Ratten auf meiner Bettdecke. Ich hasse Ratten, sie sind schmutzig und bringen Krankheiten und den Tod. Eigentlich bin ich sehr tierlieb, ich wäre gerne Tierärztin geworden.

Behütet und beschützt

Vor kurzem hatte die Patientin einen Traum:

P:
Im Traum bin ich ständig von meinem Freund im Beisein meiner Freunde und Familie erniedrigt worden. Er hat nicht mich beschützt, sondern die andere Person. Oder vielleicht hat er auch mit jemand anderem geflirtet. Normalerweise ist er mir gegenüber sehr beschützend. In einem anderen Traum trug ich mein Hochzeitskleid, alle waren da. Mein Mann stand auf der Tanzfläche und hat auf mich gewartet, es war ein wunderbarer Traum, alles war perfekt.

Kontrollierende, ungesunde Beziehungen
JG: Was war die schlimmste Zeit in Ihrem Erwachsenenleben?

P: Nachdem ich mich von meinem Freund getrennt hatte wurde ich sehr dünn. Ich hätte alles getan, um wieder zu ihm zurückzukehren, mich von ihm kontrollieren zu lassen. Vor der Trennung war ich so unglücklich gewesen, ich wollte einfach nur nach Hause. Als ich aber dann wieder zu Hause war, wollte ich unbedingt wieder zurück zu ihm. Das, was er immer zu mir sagte, wurde wahr: Wenn ich mich gegen ihn stelle, bin ich ein schlechter Mensch. Ich war gefangen im Paradies, ich war komplett unter seiner Kontrolle. Aber ich werde nicht zu dem, was sie gerne haben wollen; deshalb sind sie froh, wenn sie mich wieder los sind. Ich habe nicht nachgegeben; ich wollte nicht die typische Frau sein. Ich bin sehr unsicher, deshalb bin ich gern in kontrollierenden Beziehungen, weil ich dann so sehr geliebt werde. Aber ich wurde stark und habe gelernt, mich zu behaupten.

Ich habe viel getrunken, war dann wütend mit mir selbst und habe mich mit meinem Freund gestritten. Ich habe bis zur Bewusstlosigkeit getrunken. Es gibt dir das Gefühl, allmächtig zu sein, alles zu können, aber am nächsten Tag bist du wieder ganz verunsichert und hast das Gefühl, in der Beziehung festzustecken. Es ist zu einem richtigen Muster geworden: Erst will ich raus, raus, raus und wenn ich dann wirklich draußen bin, will ich wieder zu ihnen zurück.

Materialismus

P: Meine erste feste Beziehung hat mir das Herz gebrochen. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch bei ihm, er war viel älter als ich. Er war reich und hat mich mit Geschenken überschüttet. Wir haben in den besten Restaurants gegessen, sind um die Welt gereist, aber ich konnte nicht gut damit umgehen. Es war traumhaft, aber er hat Dinge von mir verlangt, die ich nicht tun wollte. Er wollte, dass ich meine Familie verlasse.

Gefangen
P: Jedes Mal, wenn ich jemand kennengelernt habe, war es so, als wollten sie mich einfangen (macht eine zupackende Geste), oder vielleicht habe ich mich da auch selbst hineingestürzt. Sie wollten mich verstecken, sie wollten mich mit niemandem teilen.

Verschreibung:
Zuerst dachte ich an ein Mittel aus dem Mineralreich, weil die Patientin so verunsichert war und in ihren Beziehungen so abhängig. Ich gab ihr Kalium fluoratum C200, es zeigte aber keine Wirkung.

Follow-up sechs Wochen später


Verantwortung für eine Familie
P: Die meiste Zeit fühle ich mich sehr negativ. Ich muss ständig an die Sache mit dem Baby denken. Jeden Tag bin ich den Tränen nahe. Ich mache genau das Gegenteil von dem, was man in einer Beziehung eigentlich so macht. Ich verhalte mich kindisch und habe Angst vor der Verantwortung. Ich lebe mein Leben so, als wäre es nur Spaß und Tollerei. Ich habe in der Vergangenheit viele falsche Entscheidungen getroffen und dass ich mit der Schuld leben muss, frisst mich auf. Warum musste ich 44 Jahre alt werden, um eine gute Beziehung zu haben? Ich bin nie etwas Festes eingegangen, sondern habe mit meinen Freundinnen zusammen Spaß gehabt. Ich war nie verleibt genug, um mit den Männern Kinder haben zu wollen. Wie kann es ein, dass ich damals so negativ eingestellt war und es jetzt so sehr wünsche?

Nicht genug zu essen auf dem Tisch
P: Ich hatte immer so viel Angst, mich als alleinerziehende Mutter durchschlagen zu müssen. Weil ich als Kind so wenig hatte, konnte ich den Gedanken nicht ertragen, meinem eigenen Kind nichts geben zu können. Der bloße Gedanke an eine Schwangerschaft löste Panik in mir aus, ich hatte das Gefühl, mein Leben wäre dann zu Ende. Ein Kind würde zu viel Verantwortung bedeuten – ich habe ja erlebt, wie das für meine Mutter war, mit sieben Kindern. Das Gefühl, keinen Partner zu haben, der mich dabei unterstützt, die Angst, zu dem Kind keine Bindung aufbauen zu können…. Ich hätte es nicht riskieren können, was hätten die Leute von mir gedacht? Sie hätten mich für schwach gehalten. Ich frage mich manchmal, ob meine Mutter unter Depressionen leidet? Sie war keine liebevolle Mutter, hat uns nie umarmt. Es ging immer nur darum, dass hoffentlich genug zu essen auf den Tisch kommt.

Die Beziehung zu meinem letzten Freund war anfangs perfekt. Wir hatten beide einen guten Job, schicke Autos. Warum konnte ich das nicht rund machen? Ich hätte Kinder haben können. Mein Leben war so leer. Innerhalb von  sechs Monaten wurde ich schwanger und wusste nicht, was ich tun sollte. Er sagte, ich solle das Kind behalten, er hat keinen Druck auf mich ausgeübt. Ich habe das Kind wegmachen lassen. Er hat mir nie die Schuld gegeben, aber danach ging alles schief. Es hat unsere Liebe kaputt gemacht. Das nagt heute noch an mir. Ich habe versucht, es zu verdrängen, aber die ganze Schuld kam mit voller Wucht zurück. Ich habe viel getrunken. Er verlor den Respekt vor mir.

Verschreibung: Es gibt so viel Trauer und Schuld bei dieser Patientin, dass ich es mit Natrium fluoratum C200 versuche.

Follow-up sechs Wochen später


Panik und Herzrasen
P: Ich hatte ein Vorstellungsgespräch, mein Mund war wie ausgetrocknet. Ich hatte Angst, in Ohnmacht zu fallen, ich konnte nicht sprechen und mein Herz hat so schnell geschlagen, dass ich dachte, es würde gleich aus meiner Brust springen. Früher habe ich mich bemüht, diese Vorstellungsgespräche zu vermeiden, jetzt muss ich hingehen, weil ich das Geld brauche. Ich hasse es, da zu stehen und über mich selbst zu reden, wer ich bin und woher ich komme. Ich bin da mit anderen Leuten zusammen, die ich nicht kenne und habe immer das Gefühl, dass sie auf mich herabschauen. Ich möchte denen gerne einmal sagen, dass ich genauso gut bin wie sie.

Traum von einem Streit um ein Haus
Traum: Ich hatte ein wunderschönes Haus, ich war überzeugt, dass es meins war. Ich sah eine Frau im Bett liegen und dachte, mein Freund würde mich betrügen. Ich fragte sie, was sie da in meinem Bett mache? Dann kam ein Mann in das Zimmer und beide schrien mich an, ich solle verschwinden. Ich habe ihnen gesagt, dass das mein Haus sei. Dann habe ich gegen sie gekämpft – die Frau, ihren Freund und noch eine Freundin von ihr. Drei gegen einen. Sie hat mich an den Haaren gezogen und plötzlich hatte ich mir das Bein gebrochen. Ich habe versucht, sie alle loszuwerden. Ich tat so, als wäre das Bein nicht gebrochen und ging zu Fuß zur Notaufnahme des Krankenhauses, damit sie mir keinen Gips geben würden. Das Krankenhaus war richtig schick, auch die Leute, gegen die ich kämpfte, waren sehr fein angezogen.

Träume vom Kämpfen; ich werde überwältigt.
P: Ich habe Träume, in denen ich versuche zu schreien, aber jemand hält mir mit einer Hand den Mund zu und ein anderer zieht mich an den Beinen. Im Traum schreie ich richtig laut, aber mein Freund sagt, dass ich im Schlaf piepse wie eine Maus. Ich wehre mich mit aller Macht gegen sie, aber sie halten mich fest, ich kann nicht atmen und ich versuche, diese Hand wegzureißen, die meinen Mund zuhält.

Analyse

Tierreich
Aufgrund dieser Träume wurde mir klar, dass die Patientin ein Mittel aus dem Tierreich benötigt. Sie verteidigt ihr Revier, es ist eine ‚Ich-gegen-dich‘ Dynamik. Sie wird überwältigt, die anderen sind in der Überzahl. Es handelt sich um ein Opfer, eine ‚Beute‘. Die Patientin fühlt sich schwach, unterlegen, erniedrigt und kontrolliert. Aber um welches Tier genau handelt es sich hier?

‚Gefangen‘ im Reich der Vögel

Ich begann, noch einmal in meinen Aufzeichnungen nach bildhaften Beschreibungen zu forschen. Sie spricht davon, dass Männer sie ‚einfangen‘ wollen und fühlt sich wie ‚gefangen im Paradies‘. Das Gefühl des ‚Gefangen-seins‘ ist eine wichtige Empfindung bei Patienten, die ein Vogelmittel brauchen. Denken Sie nur an einen Vogel, der im Käfig sitzt, obwohl es seiner Natur entspricht, frei durch die Lüfte zu fliegen.

Ärmliche Verhältnisse

Auf einem Seminar über die Vogelmittel sprach Peter Fraser über Passer domesticus, also den gewöhnliche Hausspatzen und verglich ihn mit Eliza Doolittle aus My Fair Lady: Sie ist schön und streitlustig, aber ordinär. Sie stammt aus ärmlichen Verhältnissen.
Hält sich für ‚gewöhnlich‘, mangelnde Ressourcen, häusliche Auseinandersetzungen

Der Selbstwert, also der intrinsische Wert eines Menschen, gehört zu den zentralen Themen von Passer domesticus. Meine Patientin hatte Schwierigkeiten mit diesem Thema, sie fühlte sich abgewertet und hatte das Bedürfnis, alle wissen zu lassen, dass sie genauso viel wert ist wie alle anderen Menschen auch. Sie hasste es, sich anderen Leuten vorzustellen, weil ihr Nachname ‚so gewöhnlich‘ war. Auch ihre Beschreibung der häuslichen Auseinandersetzungen passen gut zu diesem Mittel. ‚Spatzen‘-Patienten träumen häufig von Gewalt. Familie, Sicherheit und der Schutz eines behüteten Zuhauses sind ebenfalls wichtige Themen. Sie kleiden sich gerne gut und sorgfältig, aber dennoch spürt man den Mangel an Ressourcen und die Mühe, die es diese Menschen kostet, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten (genug zu essen auf dem Tisch zu haben).

Verschreibung: Passer domesticus C200

Follow-ups acht Wochen später

Ich stelle mich meinen Ängsten und zeige mein wahres Ich.
P: Ich war bei einem Vorstellungsgespräch und habe den Job bekommen. Mir geht es so viel besser. Ich habe sogar mit meinem Chef zu Mittag gegessen. Ich habe mich meinen Ängsten gestellt und es hat sich richtig gut angefühlt, ich war sehr entspannt. Man hat es mir auch angesehen.

Nachdem ich das Mittel genommen hatte, ging es mir 4 Tage lang ziemlich schlecht. Es war, als hätte sich eine dunkle Wolke über mich geschoben. Dann wurde es langsam heller.
Ich fühle mich sehr viel besser. Manchmal habe ich noch Panik wegen der Hochzeit, aber zum ersten Mal freue ich mich auch darauf. Die Sache mit dem Baby schätze ich jetzt etwas realistischer ein. Wenn es klappt, dann klappt es und wenn nicht, dann nicht.
Meiner Mutter geht es nicht so gut, aber ich kann damit umgehen. Ich bin nicht mehr so wütend auf sie, habe mehr Verständnis für ihre Situation. Ich gehe jede Woche mit ihr einkaufen. Früher hatte ich davor immer ein schlechtes Gefühl, mir hat es davor gegraut und ich hätte am liebsten losgeschrien. Meine Mutter ist wirklich anstrengend, aber jetzt kann ich mich auch einmal mit ihr hinsetzen und mich mit ihr unterhalten.

Analyse
Interessanterweise ist die Patientin realistischer geworden, was die Beziehung zu ihrer Mutter betrifft. Sie erkennt ihre eigene Wut und den Frust. Das Mittel wirkte gut, nach der Erstverschlimmerung folgte eine tief gehende Besserung. Ich frage sie nach ihrer Einstellung zu Tieren:

P:
Ich liebe Tiere und wäre gerne Tierärztin geworden. Früher mochte ich Hunde, jetzt bin ich eher eine Katzennärrin. Nur Ratten mag ich nicht, ich kann sie nicht einmal ansehen. Aber ich würde ihnen nicht wehtun. Wenn ich sehe, dass Tiere misshandelt oder vernachlässigt werden, dann kommen mir die Tränen. Mein Bruder hat Vögel – Eulen und Habichte – er hatte schon immer eine Leidenschaft für Vögel. Mit Vögeln kenne ich mich gut aus, die meisten kenne ich bei Namen. Vögel sollte man niemals einsperren, sie müssen frei sein, sie müssen fliegen (Geste). Es ist nicht richtig, Vögel einzusperren, ich würde sie immer freilassen.

An dieser Stelle ist es interessant anzumerken, dass Peter Fraser (Vögel in der Homöopathie – Freiheit in den Lüften) schreibt, dass Menschen, die das Mittel Passer domesticus brauchen, oft ein sehr enges Verhältnis zu Katzen haben.

Zwei Monate später:


Zystitis, alte Symptome treten wieder auf.

P:
Ich habe gerade meinen Junggesellinnen-Abschied in Spanien gefeiert. Ich hatte eine heftige Blasenentzündung, die Hitze war unerträglich. Ich leide seit vielen Jahren unter Blasenentzündungen. Ich hatte das Mittel nicht dabei und habe es erst genommen, als ich wieder zu Hause war. Es war unglaublich! Innerhalb weniger Stunden ging es mir viel besser. In Spanien habe ich im 24. Stockwerk eines Hotels gewohnt, ganz allein. Zu Hause fühlt man sich einfach sicherer. Mein Freund wollte nicht, dass ich nach Spanien gehe. Ich hatte ein schlechtes Gewissen deswegen. Zum ersten Mal war er eifersüchtig, aber er hat sich dafür entschuldigt. Mit der Blasenentzündung fühlt man sich, als würde etwas in dich hineingesteckt, es brennt so, wenn man pinkelt. Es kommt nur ein Tropfen heraus und dann zieht dieses Gefühl durch den ganzen Körper (Geste), wie eine Hitzewallung, die den Rücken entlang bis hoch zum Kopf geht. Die erste Blasenentzündung hatte ich mit 17, nachdem ich das erste Mal Sex hatte. Damals fühlte es sich an, als würde ich Feuer pinkeln. Ich war noch nicht bereit für Sex, konnte mich nicht entspannen und war auch nicht verliebt in ihn. Ich dachte, ich müsste das machen und habe nachgegeben.

Sich darüber erheben
P: Mein Partner sagt, ich sei viel ruhiger geworden. Früher war ich sehr reizbar und streitsüchtig, ich hatte das nicht unter Kontrolle. Jetzt kann ich mich darüber erheben (Geste). Ich lächele viel. Wegen der Hochzeit bin ich aufgeregt, aber nur noch wenig nervös, wenn ich daran denke, durch den Gang zum Altar gehen zu müssen. Meine größte Sorge gilt meiner Mutter. Ich kann sie an diesem Tag nicht zur Kirche bringen und sonst helfe ich ihr doch immer.

Fünf Wochen später, nach der Hochzeit:

Vögel, die in Käfige gesperrt werden – ein Kapitalverbrechen
P: Die Hochzeit war wunderbar. Ich war überhaupt nicht nervös und habe jede Minute genossen. Ich war noch nie so glücklich gewesen. Über das Thema Kinder denke ich nicht mehr nach, ich vertraue darauf, dass es passieren wird, wenn es richtig ist. Ich würde gerne mit Tieren arbeiten, aber nicht als Sprechstundenhilfe beim Tierarzt, ich würde das nicht aushalten. Dort werden Tiere operiert. Ich mag keine Zoos und eingesperrte Tiere, vor allem keine eingesperrten Vögel. Mir kommen jedes Mal die Tränen, wenn ich Vögel in Käfigen sehe. Es ist ein Kapitalverbrechen, wie sie da in ihrem Gefängnis sitzen. Mein Bruder hat einen Habicht, den er an einer Kette hält. Ich würde gerne ehrenamtlich mit Tieren arbeiten. Bei uns in der Nähe gibt es eine Notaufnahme für Tiere, wo die Leute ihre Tiere abgeben, die sie nicht mehr füttern können.

Das Mittel hilft mir jedes Mal, wenn ich krank bin, es wirkt unglaublich schnell, innerhalb von 24 Stunden geht es mir wieder besser.

Sechs Wochen später:

Ich fühle mich stark und bin mit meinem Leben zufrieden.

P: Ich fühle mich so stark, ich bin richtig glücklich mit meinem Leben. Ich schlafe gut und wache zufrieden und glücklich auf – zum ersten Mal in meinem Leben. Mit meinem Kinderwunsch habe ich Frieden geschlossen. Ich würde mich freuen, wenn es klappt. Es wäre aber auch nicht das Ende der Welt, wenn ich keine Kinder mehr haben kann. Als ich das erste Mal bei Ihnen war, hätte ich die ganze Zeit nur weinen können.

Das Mittel hilft jedes Mal, wenn eine Blasenentzündung im Anflug ist. Einmal hat es auch gegen Durchfall geholfen. Mir geht es so viel besser als vor einem Jahr. Es ist unglaublich.

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Fotos: shutterstock.com © ileana_bt, shutterstock.com © Goodluz, shutterstock.com 181775213 © John A. Anderson

Kategorie: Fälle
Schlüsselwörter: Zystitis, Panik, arm, ‘gewöhnlich’, materialistisch, reich, Mangel, Armut, für die Familie sorgen, ungesunde Beziehungen, Kampf, Streit, Auseinandersetzungen, Bindung, Verantwortung, gefangen, eingesperrte Vögel, sich darüber erheben, sich beurteilt fühlen, wertlos.
Mittel: Passer domesticus





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