Von der Familie betrogen:
Ein Fall von Arsenicum album

von Rajan Dubey

Wir wurden zum Hausbesuch bei einem Patienten mit trockenem Gangrän an beiden Füßen gebeten. Dem Mann war mitgeteilt worden, dass eine Amputation der einzige Weg sei, seine Beine zu retten. Eine Operation kam aber zu diesem Zeitpunkt nicht in Frage, weil eine Doppler-Sonographie gezeigt hatte, dass die unteren Extremitäten kaum noch durchblutet waren. Unter den gegebenen Umständen wurde beschlossen, dass zwei unserer erfahrenen Ärzte den Patienten am nächsten Tag zu Hause untersuchen würden. Der Patient war bettlägerig und seine Frau öffnete uns die Tür. Als erstes fiel den beiden Ärzten auf, dass der zweite und dritte Zeh am linken Fuß bereits am Absterben waren. Der große Zeh des rechten Fußes befand sich ebenfalls in einem schlechten Zustand und würde in Kürze auch absterben. Beide Füße waren schwärzlich verfärbt mit Pilzbefall an den gangränösen Stellen. Die Wunde war extrem abstoßend. Die Füße fühlten sich bei der Untersuchung kalt an und der Puls war nicht tastbar.

Auf weitere Nachfragen stellte sich heraus, dass bei dem Patienten zehn Jahre zuvor ein Diabetes mellitus diagnostiziert worden war. Seit sieben Jahren bestand eine periphere Neuropathie. Ebenfalls seit sieben Jahren hat der Patient Bluthochdruck und seit vier Jahren eine residuale Hemiparese mit zwei Schlaganfällen. Es waren Anzeichen einer Parkinson-Erkrankung im Anfangsstadium zu erkennen, sowie eine Linsentrübung mit Einblutungen in den Glaskörper und Glaukom. Der Patient stand unter großem Stress und hatte Schlafprobleme. Im Januar 2012 hatten die Schmerzen in den Zehen begonnen, damals war eine Nagelpilzerkrankung diagnostiziert worden. Im Rahmen seines Behandlungsprotokolls sollte er Medikamente einnehmen und eine strikte Körperhygiene einhalten. Durch seine eigene Nachlässigkeit wurden die Beschwerden jedoch schlimmer. Die Wunde verschlechterte sich und er musste jeden zweiten Tag den Verband wechseln. Der Nüchternblutzucker kletterte auf 240mg/dl. Zu diesem Zeitpunkt bekam er orales Insulin, später dann musste er dreimal täglich spritzen. Zusätzlich nahm er Medikamente gegen den Bluthochdruck und ayurvedische Präparate.

Die Schmerzen wurden zunehmend unerträglich und der Patient ängstlich und fordernd: „Gebt mir endlich etwas gegen die Schmerzen.“

Krankengeschichte - die Ehefrau berichtet:

Vor acht Jahren wurde mein Mann von seiner Familie ausgenutzt und betrogen. Er hatte zusammen mit seinem Vater und seinem Onkel ein Hotel. Sein ganzes Geld hat er für seine drei Schwestern und seine Familie ausgegeben. Als seine Mutter 1995 starb, wurde er von seinem Onkel aus der Firma geworfen. Er hat sich damals nicht gewehrt, er kam einfach nach Hause und weinte. Es war ein großer Schock für ihn, er war damals 53 Jahre alt. Er hatte einen Nervenzusammenbruch. Sein ganzes Verhalten hatte sich geändert: Er saß nur da und starrte vor sich hin, immer auf einen Fleck. Damals hat er am ganzen Körper dicke Pusteln bekommen, mit Schorf und gefüllt mit Eiter. Wegen dieser Sache musste er sieben Mal ins Krankenhaus. Zu dieser Zeit waren die Bleiwerte in seinem Blut sehr stark erhöht. Der Tod seiner Mutter hat ihm nicht so viel ausgemacht, aber als er wegen seines Onkels die Firma verlassen musste, hat er sich schon gefragt, ob er irgendwo einen Fehler gemacht hatte. Er dachte, er sei schuld an der ganzen Sache. Mit 54 kamen dann der Diabetes und der Bluthochdruck.

Seiner Mutter und seinen Schwestern hat er bedingungslos untergeordnet. Er hat sie nie in Frage gestellt. Es hat sechs Monate gedauert, bevor er sich von der Bleivergiftung erholt hatte, erst nach einem halben Jahr waren die Bleiwerte gesunken. Er hatte finanzielle Probleme und war sehr depressiv.

Im Dezember 2006 bekam er eine Anzeige von unserer Schwiegertochter wegen ihrer Mitgift. Sie behauptete, nicht genug Mitgift bekommen zu haben und wollte mehr Geld. Es war aber alles gefälscht. Der Fall läuft immer noch. Es gibt sogar einen Haftbefehl gegen uns, ohne Möglichkeit einer Kaution. Unsere Tochter hat uns sehr geholfen und wir konnten drei Monate im Exil verbringen. Bis dahin hatte er nur Diabetes mellitus und Bluthochdruck gehabt, aber nun schoss sein Blutzucker auf 350. Seit Dezember 2006 weint er ständig und zieht sich zurück. Wenn wir ihn fragen, was los ist, bekommen wir keine Antwort von ihm. Seit vier Wochen halluziniert er und sagt: „Man hat uns ruiniert. Ich hatte nie ein Familienleben. Ich bin betrogen worden. Sollen sie doch zur Hölle fahren.“ Einmal saß er auf dem Sofa und sagte. „Ich bin auf einem Bahnsteig und werde den Anwalt, die SCHWIEGERTOCHTER und ihren Vater nicht verlassen. Sie müssen für fünf Jahre ins Gefängnis, siehst du, sie sind im Gefängnis.“ Er fühlte sich schuldig. Er war mittlerweile von seiner Schuld überzeugt.

In den Worten des Patienten

„Ich reagiere auf nichts mehr. Meine Mutter hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Früher habe ich viel gebetet. Ich habe keine Reaktion gezeigt, sondern nur still gelächelt. Meine Mutter war gut zu mir.

„Mit sechszehn habe ich angefangen zu arbeiten, nach dem Tod meines Vaters. Ich bin ein eher sanftmütiger Mensch, ich werde nicht wütend. Ich habe noch nie mit jemandem Streit gehabt. Wenn jemand Streit mit mir anfangen will, bleibe ich ruhig und reagiere nicht darauf. Wenn sich andere nach meinem Wohlbefinden erkundigen, antworte ich immer, dass es mir gut geht. Ich hatte eine gute Kindheit. Ich bin der Älteste von fünf Geschwistern. Ich habe Jura studiert, aber nie als Jurist gearbeitet. Meine Mutter hat mich gebeten, in das Familienunternehmen, ein Hotel, einzusteigen. Ich bin von meiner eigenen Verwandtschaft betrogen worden, weil ich mich nie zur Wehr setze. Ich bin nicht gewieft. Niemand war streng und ich habe dafür gesorgt, dass meine Schwester studiert und verheiratet wird. Ich habe mich immer untergeordnet und habe nie Geld für mich selbst genommen. Meinem Onkel habe ich gesagt, er soll meine Mutter finanziell unterstützen (weint). Ich habe meine Mutter nie um Geld gebeten.“

Wesen des Patienten nach Angaben seiner Frau

„Er hat sich nie um seine Familie gekümmert. Er ist sehr misstrauisch. Wenn ich bete, dann wirft er mir vor zu heucheln. Er verlangt, dass alles sofort erledigt wird, sonst wird er aggressiv und fordernd, schreit mich und unseren Sohn dann an. „Verdammt noch mal…, komm jetzt her, ich muss Wasser lassen.“ „Was ist das – gib mir kaltes Wasser. Kannst du das Wasser nicht kühl stellen?“ Er macht uns ständig Vorwürfe. Seine gesellschaftliche Stellung ist ihm sehr wichtig. Er sorgt sich darum. Er will allen seinen Wohlstand und seine Größe zur Schau stellen, aber er musste sein Haus aufgeben. Eigentlich ist er sehr schüchtern. Wenn seine Mutter zum Beispiel zu ihm sagt, er soll sich hinsetzen, dann macht er das auch. Wie ein Bediensteter hat er gearbeitet. Wenn er sich einsam fühlt, macht er sich viele Sorgen und wird aggressiv. Im Moment ist er eher abweisend, reagiert nicht auf seine Probleme und sagt, dass er keine Probleme habe.

Körperliche Symptome

  • Schmerzen im rechten großen Zeh.
  • Die Füße fühlen sich seit einem Jahr kalt an. Seit sechs Monaten muss er dicke Strümpfe tragen.
  • Schreit und beschwert sich, wenn es kalt ist und kann den Ventilator nicht ertragen.
  • Braucht 2-3 Zudecken. Verlangt, dass die Türen und Fenster geschlossen sind, selbst im Hochsommer.
  • März 2012 Glaukom in beiden Augen: sieht auf dem rechten Auge nur noch sehr schlecht.

Allgemeinsymptome

  • Guter Appetit.
  • Isst gerne indischen Hüttenkäse.
  • Beobachtung: wischt sich ständig über den Mund (Speichelfluss?)
  • Temperatur: fröstelig. Empfindlich gegen Zugluft: schreit.
  • Durst: früher viel; in den letzten zwei Jahren weniger.
  • Urin – normal.
  • Stuhlgang: Stuhl locker.
  • Schläft nur fest, wenn er Schlaftabletten nimmt, ansonsten Schlafstörungen +++, wacht alle halbe Stunde auf und fragt nach der Zeit.
  • Muss seine Medikamente auf die Minute genau einnehmen und verlangt nach köstlichem Essen. Wenn er nicht bekommt, was er verlangt, fragt er: „Wofür gibst du das Geld aus?“
  • Furcht vor der Dunkelheit, die Lichter im Haus müssen immer an sein.
  • Seit zwei Monaten ist er zunehmend orientierungslos: steht im Treppenhaus und fängt an zu schreien, wenn er sich weh tut.

Momentane Gemütslage

Der Betrug hatte eine gravierende Wirkung auf den Patienten. Er wurde anderen gegenüber gleichgültig und war der Meinung, dass alles, was passiert war, falsch ist. Er glaubte, an allem schuld zu sein: „Meine Mutter hat mich glauben lassen, dass ich das Geld bekommen werde. Sie hat aber alles meinen Schwestern vermacht.“ Er sprach über seine Jugend und wie er damals ausgebeutet wurde. Er möchte bei allen einen guten Eindruck machen, insbesondere bei seiner Familie. Er möchte, dass alle glücklich sind und bei allen als Heiliger dastehen. Er bedauert, alles verloren zu haben. Er hat getan, was seine Mutter wollte, weiß aber jetzt, dass sie ihn betrogen hat.

Zusammenfassung

Ein großer Nachteil in diesem Fall war, dass die Geschichte des Patienten überwiegend von seiner Frau erzählt wurde und nicht von ihm selbst. Seine Frau brachte auch ihre eigene Wut zum Ausdruck. Der Dreh- und Angelpunkt des Falles schien die Empfindung des Patienten, von seiner Mutter, seinem Onkel und seiner Familie betrogen worden zu sein. Aus diesem Grund ist er misstrauisch geworden und wird seiner Frau und seinem Sohn gegenüber zunehmend ausfallend. Von ihnen ist er aber abhängig. Er wirft seiner Frau Scheinheiligkeit vor und behauptet ihr Beten sei nichts als Show. Ein wichtiger Aspekt ist hier auch die Bleivergiftung, die plötzlich aufgetreten war und einen Hautausschlag verursacht hatte. Eine weitere Folge waren eine Depression und Gedächtnisschwäche, in diesem Zustand hatte er vor sich hin gestarrt.

Eine Bleivergiftung verursacht im Allgemeinen Symptome des zentralen Nervensystems mit Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, Koordinationsverlust, verlangsamter Reizleitung, Appetitverlust, Zittern und Reizbarkeit. Bleivergiftung kann Halluzinationen und Wahnideen hervorrufen; im vorliegenden Fall phantasierte der Patient, fluchte und wurde ausfallend mit seiner Familie und gegenüber den Menschen, die ihn betrogen hatten. Wenn man sich aber nach seinem Gesundheitszustand erkundigte, gab er an, gesund zu sein. Auf Zugluft reagierte er so empfindlich, dass Türen und Fenster geschlossen und der Ventilator ausgeschaltet sein mussten. Sogar im Sommer trug er dicke Socken und deckte sich mit zwei Decken zu.

Rubriken, die zur Mittelfindung herangezogen wurden

  • Bleivergiftung, durch
  • Fleißig
  • Beschimpfen, beleidigen, schmähen – beleidigend
  • Plötzlich auftretende Symptome
  • Bettdecken – amel. – Verlangen nach, und

 Weitere Rubriken

  • Beschwerden durch Enttäuschung
  • Geschäft – unfähig zu
  • Gesund – sagt, er sei gesund – krank ist; wenn er sehr
  • Wahnidee – gesund; er sei
  • Delirium – rasend
  • Argwöhnisch, misstrauisch
  • Gesellschaft – Abneigung, gegen – Verlangen nach Einsamkeit
  • Furcht vor der Dunkelheit
  • Ehrfurcht, Bewunderung
  • Beschimpfen, beleidigen, schmähen – Ehemann – beschimpft; Ehemann – Ehefrau vor den Kindern und umgekehrt

Verschreibung: Arsenicum album C200

Follow-ups

28.01.2013: Die Schmerzen sind weniger geworden. Die Wunde scheint sich leicht gebessert zu haben. Blutzucker: 156mg/dl. Blutdruck: 150/100. Schlafstörung – keine Veränderung. Reagiert nicht mehr so empfindlich auf Zugluft. Gemüt: nicht mehr so wütend, Halluzinationen haben nachgelassen.

Verschreibung: Sac lac für die nächsten vier Wochen.

16.02.2013: Die Schmerzen haben zu 50 % nachgelassen. Wundstatus ist besser. Blutzucker: 146/dl. Schlaf unverändert. Wut ist weniger geworden, nur einmal Halluzinationen gehabt.

Verschreibung: Sac lac.

22.03.2014: Schmerzen haben zu 75% nachgelassen. Die Wundheilung der gangränösen Stellen geht schneller voran. Blutzucker: 152/dl. Blutdruck: 140/90. Wut hat nachgelassen und Schlaf ist besser.

Verschreibung: Sac lac.

23.04.2014: Die Schmerzen im Zeh sind viel besser geworden. Die Wunde am linken Fuß heilt gut. Der rechte Zeh ist abgefallen, aber die Wundheilung am gesamten rechten Bein verläuft problemlos. Der Schlaf ist besser.

Verschreibung: Sac lac.

Der Patient ist heute zu seinem Termin in unsere Klinik gelaufen und erfreut sich bester Gesundheit.

Aktueller Gesundheitszustand

Der Blutzucker des Patienten bleibt mit 140mg/dl weiterhin stabil, das Insulin musste nicht erhöht werden. Der Blutdruck ist auf 110/70 eingestellt. Wir haben dem Patienten nahe gelegt, seine Ärzte aufzusuchen, um die medikamentöse Behandlung anpassen zu lassen.

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Dieser Artikel wurde auf www.interhomeopathy.org veröffentlicht

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Kategorie: Fälle

Schlüsselwörter: trockener Gangrän, Diabetes mellitus, periphere Neuropathie, Bluthochdruck, ausgebeutet, misstrauisch, Bleivergiftung

Mittel: Arsenicum album

Von der Familie betrogen:
Ein Fall von Arsenicum album

von Rajan Dubey

Wir wurden zum Hausbesuch bei einem Patienten mit trockenem Gangrän an beiden Füßen gebeten. Dem Mann war mitgeteilt worden, dass eine Amputation der einzige Weg sei, seine Beine zu retten. Eine Operation kam aber zu diesem Zeitpunkt nicht in Frage, weil eine Doppler-Sonographie gezeigt hatte, dass die unteren Extremitäten kaum noch durchblutet waren. Unter den gegebenen Umständen wurde beschlossen, dass zwei unserer erfahrenen Ärzte den Patienten am nächsten Tag zu Hause untersuchen würden. Der Patient war bettlägerig und seine Frau öffnete uns die Tür. Als erstes fiel den beiden Ärzten auf, dass der zweite und dritte Zeh am linken Fuß bereits am Absterben waren. Der große Zeh des rechten Fußes befand sich ebenfalls in einem schlechten Zustand und würde in Kürze auch absterben. Beide Füße waren schwärzlich verfärbt mit Pilzbefall an den gangränösen Stellen. Die Wunde war extrem abstoßend. Die Füße fühlten sich bei der Untersuchung kalt an und der Puls war nicht tastbar.

Auf weitere Nachfragen stellte sich heraus, dass bei dem Patienten zehn Jahre zuvor ein Diabetes mellitus diagnostiziert worden war. Seit sieben Jahren bestand eine periphere Neuropathie. Ebenfalls seit sieben Jahren hat der Patient Bluthochdruck und seit vier Jahren eine residuale Hemiparese mit zwei Schlaganfällen. Es waren Anzeichen einer Parkinson-Erkrankung im Anfangsstadium zu erkennen, sowie eine Linsentrübung mit Einblutungen in den Glaskörper und Glaukom. Der Patient stand unter großem Stress und hatte Schlafprobleme. Im Januar 2012 hatten die Schmerzen in den Zehen begonnen, damals war eine Nagelpilzerkrankung diagnostiziert worden. Im Rahmen seines Behandlungsprotokolls sollte er Medikamente einnehmen und eine strikte Körperhygiene einhalten. Durch seine eigene Nachlässigkeit wurden die Beschwerden jedoch schlimmer. Die Wunde verschlechterte sich und er musste jeden zweiten Tag den Verband wechseln. Der Nüchternblutzucker kletterte auf 240mg/dl. Zu diesem Zeitpunkt bekam er orales Insulin, später dann musste er dreimal täglich spritzen. Zusätzlich nahm er Medikamente gegen den Bluthochdruck und ayurvedische Präparate.

Die Schmerzen wurden zunehmend unerträglich und der Patient ängstlich und fordernd: „Gebt mir endlich etwas gegen die Schmerzen.“

Krankengeschichte - die Ehefrau berichtet:

Vor acht Jahren wurde mein Mann von seiner Familie ausgenutzt und betrogen. Er hatte zusammen mit seinem Vater und seinem Onkel ein Hotel. Sein ganzes Geld hat er für seine drei Schwestern und seine Familie ausgegeben. Als seine Mutter 1995 starb, wurde er von seinem Onkel aus der Firma geworfen. Er hat sich damals nicht gewehrt, er kam einfach nach Hause und weinte. Es war ein großer Schock für ihn, er war damals 53 Jahre alt. Er hatte einen Nervenzusammenbruch. Sein ganzes Verhalten hatte sich geändert: Er saß nur da und starrte vor sich hin, immer auf einen Fleck. Damals hat er am ganzen Körper dicke Pusteln bekommen, mit Schorf und gefüllt mit Eiter. Wegen dieser Sache musste er sieben Mal ins Krankenhaus. Zu dieser Zeit waren die Bleiwerte in seinem Blut sehr stark erhöht. Der Tod seiner Mutter hat ihm nicht so viel ausgemacht, aber als er wegen seines Onkels die Firma verlassen musste, hat er sich schon gefragt, ob er irgendwo einen Fehler gemacht hatte. Er dachte, er sei schuld an der ganzen Sache. Mit 54 kamen dann der Diabetes und der Bluthochdruck.

Seiner Mutter und seinen Schwestern hat er bedingungslos untergeordnet. Er hat sie nie in Frage gestellt. Es hat sechs Monate gedauert, bevor er sich von der Bleivergiftung erholt hatte, erst nach einem halben Jahr waren die Bleiwerte gesunken. Er hatte finanzielle Probleme und war sehr depressiv.

Im Dezember 2006 bekam er eine Anzeige von unserer Schwiegertochter wegen ihrer Mitgift. Sie behauptete, nicht genug Mitgift bekommen zu haben und wollte mehr Geld. Es war aber alles gefälscht. Der Fall läuft immer noch. Es gibt sogar einen Haftbefehl gegen uns, ohne Möglichkeit einer Kaution. Unsere Tochter hat uns sehr geholfen und wir konnten drei Monate im Exil verbringen. Bis dahin hatte er nur Diabetes mellitus und Bluthochdruck gehabt, aber nun schoss sein Blutzucker auf 350. Seit Dezember 2006 weint er ständig und zieht sich zurück. Wenn wir ihn fragen, was los ist, bekommen wir keine Antwort von ihm. Seit vier Wochen halluziniert er und sagt: „Man hat uns ruiniert. Ich hatte nie ein Familienleben. Ich bin betrogen worden. Sollen sie doch zur Hölle fahren.“ Einmal saß er auf dem Sofa und sagte. „Ich bin auf einem Bahnsteig und werde den Anwalt, die SCHWIEGERTOCHTER und ihren Vater nicht verlassen. Sie müssen für fünf Jahre ins Gefängnis, siehst du, sie sind im Gefängnis.“ Er fühlte sich schuldig. Er war mittlerweile von seiner Schuld überzeugt.

In den Worten des Patienten

„Ich reagiere auf nichts mehr. Meine Mutter hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Früher habe ich viel gebetet. Ich habe keine Reaktion gezeigt, sondern nur still gelächelt. Meine Mutter war gut zu mir.

„Mit sechszehn habe ich angefangen zu arbeiten, nach dem Tod meines Vaters. Ich bin ein eher sanftmütiger Mensch, ich werde nicht wütend. Ich habe noch nie mit jemandem Streit gehabt. Wenn jemand Streit mit mir anfangen will, bleibe ich ruhig und reagiere nicht darauf. Wenn sich andere nach meinem Wohlbefinden erkundigen, antworte ich immer, dass es mir gut geht. Ich hatte eine gute Kindheit. Ich bin der Älteste von fünf Geschwistern. Ich habe Jura studiert, aber nie als Jurist gearbeitet. Meine Mutter hat mich gebeten, in das Familienunternehmen, ein Hotel, einzusteigen. Ich bin von meiner eigenen Verwandtschaft betrogen worden, weil ich mich nie zur Wehr setze. Ich bin nicht gewieft. Niemand war streng und ich habe dafür gesorgt, dass meine Schwester studiert und verheiratet wird. Ich habe mich immer untergeordnet und habe nie Geld für mich selbst genommen. Meinem Onkel habe ich gesagt, er soll meine Mutter finanziell unterstützen (weint). Ich habe meine Mutter nie um Geld gebeten.“

Wesen des Patienten nach Angaben seiner Frau

„Er hat sich nie um seine Familie gekümmert. Er ist sehr misstrauisch. Wenn ich bete, dann wirft er mir vor zu heucheln. Er verlangt, dass alles sofort erledigt wird, sonst wird er aggressiv und fordernd, schreit mich und unseren Sohn dann an. „Verdammt noch mal…, komm jetzt her, ich muss Wasser lassen.“ „Was ist das – gib mir kaltes Wasser. Kannst du das Wasser nicht kühl stellen?“ Er macht uns ständig Vorwürfe. Seine gesellschaftliche Stellung ist ihm sehr wichtig. Er sorgt sich darum. Er will allen seinen Wohlstand und seine Größe zur Schau stellen, aber er musste sein Haus aufgeben. Eigentlich ist er sehr schüchtern. Wenn seine Mutter zum Beispiel zu ihm sagt, er soll sich hinsetzen, dann macht er das auch. Wie ein Bediensteter hat er gearbeitet. Wenn er sich einsam fühlt, macht er sich viele Sorgen und wird aggressiv. Im Moment ist er eher abweisend, reagiert nicht auf seine Probleme und sagt, dass er keine Probleme habe.

Körperliche Symptome

  • Schmerzen im rechten großen Zeh.
  • Die Füße fühlen sich seit einem Jahr kalt an. Seit sechs Monaten muss er dicke Strümpfe tragen.
  • Schreit und beschwert sich, wenn es kalt ist und kann den Ventilator nicht ertragen.
  • Braucht 2-3 Zudecken. Verlangt, dass die Türen und Fenster geschlossen sind, selbst im Hochsommer.
  • März 2012 Glaukom in beiden Augen: sieht auf dem rechten Auge nur noch sehr schlecht.

Allgemeinsymptome

  • Guter Appetit.
  • Isst gerne indischen Hüttenkäse.
  • Beobachtung: wischt sich ständig über den Mund (Speichelfluss?)
  • Temperatur: fröstelig. Empfindlich gegen Zugluft: schreit.
  • Durst: früher viel; in den letzten zwei Jahren weniger.
  • Urin – normal.
  • Stuhlgang: Stuhl locker.
  • Schläft nur fest, wenn er Schlaftabletten nimmt, ansonsten Schlafstörungen +++, wacht alle halbe Stunde auf und fragt nach der Zeit.
  • Muss seine Medikamente auf die Minute genau einnehmen und verlangt nach köstlichem Essen. Wenn er nicht bekommt, was er verlangt, fragt er: „Wofür gibst du das Geld aus?“
  • Furcht vor der Dunkelheit, die Lichter im Haus müssen immer an sein.
  • Seit zwei Monaten ist er zunehmend orientierungslos: steht im Treppenhaus und fängt an zu schreien, wenn er sich weh tut.

Momentane Gemütslage

Der Betrug hatte eine gravierende Wirkung auf den Patienten. Er wurde anderen gegenüber gleichgültig und war der Meinung, dass alles, was passiert war, falsch ist. Er glaubte, an allem schuld zu sein: „Meine Mutter hat mich glauben lassen, dass ich das Geld bekommen werde. Sie hat aber alles meinen Schwestern vermacht.“ Er sprach über seine Jugend und wie er damals ausgebeutet wurde. Er möchte bei allen einen guten Eindruck machen, insbesondere bei seiner Familie. Er möchte, dass alle glücklich sind und bei allen als Heiliger dastehen. Er bedauert, alles verloren zu haben. Er hat getan, was seine Mutter wollte, weiß aber jetzt, dass sie ihn betrogen hat.

Zusammenfassung

Ein großer Nachteil in diesem Fall war, dass die Geschichte des Patienten überwiegend von seiner Frau erzählt wurde und nicht von ihm selbst. Seine Frau brachte auch ihre eigene Wut zum Ausdruck. Der Dreh- und Angelpunkt des Falles schien die Empfindung des Patienten, von seiner Mutter, seinem Onkel und seiner Familie betrogen worden zu sein. Aus diesem Grund ist er misstrauisch geworden und wird seiner Frau und seinem Sohn gegenüber zunehmend ausfallend. Von ihnen ist er aber abhängig. Er wirft seiner Frau Scheinheiligkeit vor und behauptet ihr Beten sei nichts als Show. Ein wichtiger Aspekt ist hier auch die Bleivergiftung, die plötzlich aufgetreten war und einen Hautausschlag verursacht hatte. Eine weitere Folge waren eine Depression und Gedächtnisschwäche, in diesem Zustand hatte er vor sich hin gestarrt.

Eine Bleivergiftung verursacht im Allgemeinen Symptome des zentralen Nervensystems mit Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, Koordinationsverlust, verlangsamter Reizleitung, Appetitverlust, Zittern und Reizbarkeit. Bleivergiftung kann Halluzinationen und Wahnideen hervorrufen; im vorliegenden Fall phantasierte der Patient, fluchte und wurde ausfallend mit seiner Familie und gegenüber den Menschen, die ihn betrogen hatten. Wenn man sich aber nach seinem Gesundheitszustand erkundigte, gab er an, gesund zu sein. Auf Zugluft reagierte er so empfindlich, dass Türen und Fenster geschlossen und der Ventilator ausgeschaltet sein mussten. Sogar im Sommer trug er dicke Socken und deckte sich mit zwei Decken zu.

Rubriken, die zur Mittelfindung herangezogen wurden

  • Bleivergiftung, durch
  • Fleißig
  • Beschimpfen, beleidigen, schmähen – beleidigend
  • Plötzlich auftretende Symptome
  • Bettdecken – amel. – Verlangen nach, und

 Weitere Rubriken

  • Beschwerden durch Enttäuschung
  • Geschäft – unfähig zu
  • Gesund – sagt, er sei gesund – krank ist; wenn er sehr
  • Wahnidee – gesund; er sei
  • Delirium – rasend
  • Argwöhnisch, misstrauisch
  • Gesellschaft – Abneigung, gegen – Verlangen nach Einsamkeit
  • Furcht vor der Dunkelheit
  • Ehrfurcht, Bewunderung
  • Beschimpfen, beleidigen, schmähen – Ehemann – beschimpft; Ehemann – Ehefrau vor den Kindern und umgekehrt

Verschreibung: Arsenicum album C200

Follow-ups

28.01.2013: Die Schmerzen sind weniger geworden. Die Wunde scheint sich leicht gebessert zu haben. Blutzucker: 156mg/dl. Blutdruck: 150/100. Schlafstörung – keine Veränderung. Reagiert nicht mehr so empfindlich auf Zugluft. Gemüt: nicht mehr so wütend, Halluzinationen haben nachgelassen.

Verschreibung: Sac lac für die nächsten vier Wochen.

16.02.2013: Die Schmerzen haben zu 50 % nachgelassen. Wundstatus ist besser. Blutzucker: 146/dl. Schlaf unverändert. Wut ist weniger geworden, nur einmal Halluzinationen gehabt.

Verschreibung: Sac lac.

22.03.2014: Schmerzen haben zu 75% nachgelassen. Die Wundheilung der gangränösen Stellen geht schneller voran. Blutzucker: 152/dl. Blutdruck: 140/90. Wut hat nachgelassen und Schlaf ist besser.

Verschreibung: Sac lac.

23.04.2014: Die Schmerzen im Zeh sind viel besser geworden. Die Wunde am linken Fuß heilt gut. Der rechte Zeh ist abgefallen, aber die Wundheilung am gesamten rechten Bein verläuft problemlos. Der Schlaf ist besser.

Verschreibung: Sac lac.

Der Patient ist heute zu seinem Termin in unsere Klinik gelaufen und erfreut sich bester Gesundheit.

Aktueller Gesundheitszustand

Der Blutzucker des Patienten bleibt mit 140mg/dl weiterhin stabil, das Insulin musste nicht erhöht werden. Der Blutdruck ist auf 110/70 eingestellt. Wir haben dem Patienten nahe gelegt, seine Ärzte aufzusuchen, um die medikamentöse Behandlung anpassen zu lassen.

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Foto: shutterstock - Despairing senior man on a dark background - 305651882 ©Photographee.eu

Kategorie: Fälle

Schlüsselwörter: trockener Gangrän, Diabetes mellitus, periphere Neuropathie, Bluthochdruck, ausgebeutet, misstrauisch, Bleivergiftung

Mittel: Arsenicum album





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